Berlin. Der Experte sieht den Geiseldeal als positives Zeichen. Über Donald Trump sagt er: Seit dem Wahlkampf hat er sich inhaltlich verändert.

Was bedeutet der Geiseldeal zwischen Israel und der Hamas für den Nahen Osten?

Carlo Masala: Es ist zunächst einmal ein gutes Zeichen. Sollte der Drei-Stufen-Plan vollumfänglich umgesetzt werden, bedeutet das ein dauerhaftes Ende von Kampfhandlungen. Es gibt aber noch offene Fragen: Was bedeutet Wiederaufbau von Gaza? Halten sich beide Seiten an den Waffenstillstand? Werden sie ihre Verpflichtungen erfüllen? Aber letzten Endes ist das ein positives Signal für eine Normalisierung im Mittleren und Nahen Osten.

Macht dieser Deal einen israelisch-amerikanischen Angriff auf das iranische Atomprogramm wahrscheinlicher?

Masala: Ich glaube, ein Schlag gegen das iranische Atomprogramm könnte jetzt wahrscheinlicher werden. Israel wäre nach einem Waffenstillstand nicht mehr mit Kämpfen im Gazastreifen gebunden. Zweitens ist das Ende der Kampfhandlungen im Gazastreifen auch für viele arabische Staaten ein positives Zeichen, die sich gleichzeitig vor der iranischen Atomwaffe fürchten. Wenn Israel einen solchen Schlag durchführen wollte, könnte diese Konstellation das derzeit erleichtern.

Carlo Masala

Er ist einer der bekanntesten Militärexperten in Deutschland. Masala (Jahrgang 1968) lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um den Konflikt in der Ukraine.

Kommt beim Geiseldeal auch ein Trump-Faktor zum Tragen? Gibt es eine Angst vor Donald Trump und seinen Drohungen, die Übereinkünfte beschleunigt?

Masala: Natürlich ist die bevorstehende Amtszeit von Donald Trump sicherlich etwas, was zum Beispiel die Hamas dazu gebracht hat, einem Deal zuzustimmen. Trump hatte damit gedroht, dass die Hölle ausbricht, wenn die Geiseln nicht freikommen – was immer er damit auch meinte. Gleichzeitig hat sie sicherlich Israel dazu gebracht, sich kooperativer zu zeigen, weil man ja auf die USA angewiesen ist, wenn es gegen Iran gehen sollte. Aber die Biden-Regierung hat sehr lange verhandelt. Das, was da jetzt vereinbart worden ist, vereinbart man nicht über Nacht. Von daher gebührt der Administration von Joe Biden ein großes Verdienst, diesen Deal erreicht zu haben.

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Was bedeutet Trump für die Ukraine? Er hat ja inzwischen realisiert, dass der Konflikt nicht innerhalb von 24 Stunden beendet werden kann.

Masala: Trump hat das realisiert und irgendwann auch gesagt, dass der Krieg im Nahen Osten schneller gelöst sein könnte als der Ukraine-Krieg. Da sind wir jetzt in den Grundzügen. Das Zweite ist: Es ist inzwischen klar, dass Trump die Ukraine nicht fallen lassen wird. Wir haben Nachrichten aus Washington, dass die Waffenlieferungen weitergehen werden, sicherlich in dem Umfang wie unter der Biden-Administration. Und wir wissen, dass man die Ukraine aus einer Position der Stabilisierung der Front heraus verhandeln lassen will. Trump – beziehungsweise sein Umfeld – hat die Grundzüge der Ukraine-Politik ziemlich verändert im Vergleich zum Wahlkampf.

Talkshow 'maischberger' in Berlin
Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München.  © picture alliance / Geisler-Fotopress | Thomas Bartilla/Geisler-Fotopres

Was ist zu erwarten von einem möglichen Treffen von Putin und Trump? Bislang hieß es immer, man werde nicht über, sondern mit der Ukraine verhandeln. Hebelt Trump das mit einem Treffen nicht aus? Spielt er Putin damit in die Hände?

Masala: Die Frage ist sehr schwer zu beantworten. Ich glaube, er spielt ihm zunächst nicht in die Hände. Es gibt auch erst mal nur die Bereitschaft eines Treffens. Und die Agenda, die Putin vorgelegt hat, ist riesig. Putin will über viel mehr als nur über die Ukraine reden. Er will zum Beispiel auch über Fragen der europäischen Sicherheit sprechen. Deshalb wird es nicht nur ein Treffen mit Blick auf die Beendigung des Ukraine-Kriegs. Ja, man wertet Putin durch das Treffen auf, man gibt ihm, was er wollte – nämlich direkte Verhandlungen mit den USA. Aber durch die weitere amerikanische Unterstützung für die Ukraine relativiert sich das wieder.  

Ein Blick auf die Vorfälle in der Ostsee: Testet Putin die Nato?

Masala: Putin testet die Nato pausenlos, mit dem Ziel, das Militärbündnis zu spalten. Das geht über die Unterseekabel weit hinaus. Es gibt Sabotageakte in Europa, versuchte Mordanschläge und so weiter. Und das wird auch so schnell nicht aufhören.