Berlin. Die Fünf-Prozent-Forderung Trumps kommt nicht überraschend, sagt Experte Masala. Die deutsche Politik warnt er vor einem schweren Fehler.
Donald Trump greift nach Grönland und sorgt mit seinen Forderungen, die Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten massiv zu erhöhen, für Ärger. Militärexperte Masala sagt: Trump hat ein Ziel vor Augen. Die deutsche Politik warnt der 56-Jährige vor einem schweren Fehler.
Herr Masala, wie blicken Sie in diesen Tagen auf die Lage in der Ukraine?
Carlo Masala: Die Ukrainer haben im Osten mancherorts den russischen Vormarsch verlangsamt – auch wenn man nicht sagen kann, dass sie die Front stabilisiert hätten.
Kurachowe ist jetzt gefallen…
Masala: Die Russen kommen durchaus vorwärts, aber nicht mehr in dem Tempo wie noch im vergangenen Jahr.
Worauf führen Sie das zurück?
Masala: Das ist schwer zu sagen. Jetzt herrscht winterliches Wetter an der Front. Da ändern sich die Bedingungen für die Kriegsführung. Es hat auch etwas damit zu tun, dass die Russen weniger Soldaten an die Front schicken.
Carlo Masala
Er ist einer der bekanntesten Militärexperten in Deutschland. Masala (Jahrgang 1968) lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um den Konflikt in der Ukraine.
Hat Russland Probleme, neue Soldaten zu mobilisieren?
Masala: Nein. Vor allem in den ärmeren Regionen des Landes zieht das Geld, das Putin bietet, immer noch viele Menschen an. Zudem mobilisiert Russland weiterhin im Ausland. Die Nordkoreaner sind auch noch dabei.
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Die Ukrainer haben zuletzt eine kleinere Gegenoffensive in Kursk unternommen. Was hat ihnen das gebracht?
Masala: Sie wollten damit – und mit der Kursk-Offensive generell – vor allem zeigen, dass sie Offensivoperationen beherrschen. Das ist ein politisches Signal an Trump und andere Unterstützer: Sieh her, es lohnt sich, die Ukraine weiter zu unterstützen. Militärisch notwendig war es nicht, einen Vorteil verschafft es ihnen auch nicht. Die Russen haben Kursk zu schätzungsweise 35 bis 40 Prozent zurückerobert. Putins erklärtes Ziel ist es, die Region in Gänze bis 20. Januar, also bis zu Trumps Amtseinführung, wieder unter russische Kontrolle zu bringen. Das wird ihm nicht gelingen. Sollte Kursk den Ukrainern verloren gehen, haben sie für mögliche Verhandlungen mit Russland kein territoriales Faustpfand mehr, um zu sagen: Was gebt ihr uns im Gegenzug?
Donald Trump fordert jetzt fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigungsausgaben, früher beharrte er auf zwei Prozent. Was bezweckt er damit?
Masala: Dass er das fordern würde, wussten wir schon länger. Wenn man ihn richtig liest, erkennt man, dass er nicht von sicherheitspolitischer Notwendigkeit spricht, sondern er summiert eine historische Schuld – auch gegenüber Deutschland. Er spricht von Rechnungen, die wir schon in der Vergangenheit nicht bezahlt hätten. Zum anderen betreibt er das wie einen Basar: Er geht mit fünf rein und gibt sich am Ende vielleicht mit drei oder dreieinhalb Prozent zufrieden.
Auch das wäre für Deutschland und die meisten Nato-Mitglieder völlig unrealistisch.
Masala: Natürlich. Allerdings bewegen wir uns schon lange auf die Diskussion zu, dass wir eigentlich drei Prozent brauchen. Die Debatte dreht sich aktuell um die Frage, ob man die Schuldenbremse dafür reformiert. Die Union scheut sich zu sagen, wie man das finanzieren soll, obwohl auch sie die drei Prozent fordert. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder schneidet man das aus dem existierenden Haushalt heraus und mutet den Deutschen Kürzungen in anderen Bereichen zu. Oder man muss die Ausgaben für Verteidigung aus der Schuldenbremse herausnehmen. Diese Entscheidung muss die nächste Regierung fällen.
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Sie haben bereits bemängelt, dass Außen- und Sicherheitspolitik in den Wahlprogrammen der Parteien weit hinten vorkommt. Könnte sich das durch Trumps Gebaren noch ändern?
Masala: Nein, wir sehen ja, wie das gerade von allen Spitzenkandidaten außer Robert Habeck abmoderiert wird. Man versucht alles, um das nicht in den deutschen Wahlkampf reinfallen zu lassen. Friedrich Merz sagt, ach, das sind so Prozentzahlen. Olaf Scholz nennt den Habeck-Vorstoß im Prinzip Quatsch, Christian Lindner hat es gerade abgelehnt.
Geht diese Strategie auf?
Masala: Ja, weil es diesen parteiübergreifenden Konsens gibt. Der ganze Wahlkampf ist mit Blick auf die Herausforderungen, die auf Deutschland zukommen, extrem kurzsichtig. Die Parteien schreiben zwar ins Wahlprogramm rein, dass wir Geld für die Bundeswehr brauchen – aber wenn sie auf die Marktplätze gehen, wollen sie lieber nicht darüber reden.
Wenn Sie mit Olaf Scholz darüber sprechen könnten, was würden Sie ihm sagen?
Masala: Ich würde ihm sagen, dass das ein Fehler ist, weil diese Entscheidung unweigerlich auf die nächste Bundesregierung zukommt. Man kann das den Leuten jetzt auf den Tisch legen. Aber die Politiker schrecken davor zurück, aus der Sorge, dass die Leute sich abwenden könnten. Dabei laufen die Diskussionen in der Nato schon längst, weil absehbar war, dass Trump höhere Verteidigungsausgaben fordern würde. In diese Debatten ist Deutschland involviert. Es gab genug Zeit, sich etwas zu überlegen und sich dazu zu positionieren.
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Nun kommt Trump mit Grönland und will es sich unter den Nagel reißen. Was steckt dahinter?
Masala: Grönland hat eine strategisch exponierte Position, besitzt Rohstoffe, wir sehen einen wachsenden chinesischen Einfluss vor Ort. Dass er den Einsatz von Militär nicht ausgeschlossen hat, ist hanebüchen. Es ist völlig unrealistisch, dass die USA Grönland militärisch erobern werden. Dazu bräuchten wir auch Streitkräfte, die das tun würden. Und da gäbe es die Option der Befehlsverweigerung. Trump baut solche Drohkulissen gerne auf, um dann Konzessionen zu erzielen.
Wie könnten Zugeständnisse nach seinem Geschmack aussehen?
Masala: Das könnten Stationierungsrechte sein oder das Recht, nach Bodenschätzen zu graben. Er könnte auch fordern, dass die grönländische Regierung den chinesischen Einfluss zurückdrängt oder dass mehr amerikanische Investitionen zugelassen werden.
Welche Signale gehen von dieser Rhetorik aus?
Masala: Zwei absolut katastrophale: Einerseits das, was von Olaf Scholz aufgegriffen wurde – die territoriale Veränderung. Wenn auch die USA jetzt an dem Prinzip rütteln, dass Grenzverschiebungen nicht mit Gewalt passieren dürfen, dann leben wir in einer gänzlich anderen Welt. Wenn die Grönländer in einem Referendum beschließen, der 51. Bundesstaat der USA werden zu wollen, können Sie nichts dagegen machen. Doch zu sagen, wir werden euch notfalls mit Gewalt einnehmen, verletzt eines der Prinzipien der völkerrechtlichen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg, nämlich die Unversehrtheit von Grenzen.
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Was ist das zweite Signal?
Masala: Darüber redet keiner. Aber im europäischen Kontext ist es noch viel wichtiger: Grönland ist autonom, gehört territorial aber zu Dänemark – das wiederum Nato-Mitglied ist. Wenn Trump das weiter betreibt, haben wir hier einen Konflikt zwischen zwei Nato-Staaten. Aber anders als zwischen Griechenland und der Türkei ist einer der Player das wichtigste Land des Bündnisses! Die Konsequenz ist die Frage: Welche Bedeutung hat die Nato eigentlich noch für die USA?
Nach der Sabotage am Unterwasserkabel zwischen Finnland und Estland wurde das verdächtige Schiff festgesetzt. Wie kann man solche Kabel besser absichern?
Masala: Das Territorium ist zu groß, um es komplett abzusichern. Zudem liegen diese Kabel in internationalen Gewässern, in denen man bestimmten Schiffen nicht einfach die Durchfahrt verwehren kann. Die Lösung: Die Nato muss stärkere Präsenz in der Region zeigen und autonome Systeme unter Wasser einsetzen, die patrouillieren und kontrollieren.
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