Berlin/Brüssel. Donald Trump verlangt stark steigende Militärausgaben. Was das für Deutschland heißt, warum der Nato-Chef Opferbereitschaft fordert.

Für Donald Trumps brisanten Vorstoß haben die schärfsten Kritiker in Deutschland etwa bei SPD und BSW nur ein Wort übrig: „Wahnsinn“. Die höflichsten Kritiker wie CDU-Chef Friedrich Merz finden dagegen viele Worte, um zu erläutern, warum Trumps gigantische Milliarden-Forderung „im Grunde irrelevant“ ist. Doch so unterschiedlich die Tonart, im Ergebnis ist sich die Politik in Deutschland am Mittwoch ungewöhnlich einig: Trumps Forderung nach einer drastischen Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten trifft parteiübergreifend auf massiven Widerspruch in Deutschland. Trump hatte am Abend zuvor bei einer Pressekonferenz in Mar-a-Lago in Florida die schlimmsten Befürchtungen von Nato-Partnern noch übertroffen: Fünf Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung statt wie bisher zwei Prozent sollen die Nato-Staaten künftig für Verteidigung ausgeben, sagte Trump. „Sie können es sich alle leisten“, behauptete er. Dabei schaffen es bisher nicht mal die USA. Für Deutschland würden die fünf Prozent allerdings den sicheren Weg in eine politische Großkrise bedeuten: Der Bund müsste nach aktuellen Daten mindestens 120 Milliarden Euro mehr als bisher für Verteidigung ausgeben. Jedes Jahr.

Auch interessant

Die Hälfte des aktuellen Bundeshaushaltes müsste in die Verteidigung fließen

Insgesamt würde Deutschland der Aufwand für militärische Sicherheit um die 210 Milliarden Euro im Jahr kosten - knapp die Hälfte des laufenden Bundeshaushaltes wären damit weg. Zum Vergleich: Dieses Jahr kommt Deutschland nach einer der Nato übermittelten Rechnung alles in allem auf Gesamt-Ausgaben von 90,3 Milliarden Euro für Verteidigung, macht 2,1 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts.

Bundeswehr-Panzer
Kampfpanzer der Bundeswehr vom Typ Leopard 2A6 und ein Schützenpanzer vom Typ Puma bei einer Übung im Gelände. Wenn es nach dem künftigen US-Präsidenten geht, muss Deutschland künftig viel mehr in Verteidigung investieren. © DPA Images | Philipp Schulze

Diese offiziellen Angaben halten Kritiker allerdings für deutlich geschönt, nachvollziehbar sind nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) etwa 80 Milliarden Euro – zum regulären Verteidigungsetat von 52 Milliarden Euro lassen sich auch 20 Milliarden aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr und die Militärhilfen für die Ukraine hinzurechnen.

Designierter US-Präsident Trump
Der designierte US-Präsident Donald Trump während seiner Pressekonferenz in Mar-a-Lago. © DPA Images | Evan Vucci

So oder so: Das auf Pump finanzierte 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen ist 2027 erschöpft, danach müsste ab 2028 laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der reguläre Verteidigungsetat von jetzt gut 50 auf 80 Milliarden Euro im Jahr steigen - nur um das bisherige Zwei-Prozent-Ziel weiter zu erreichen. Schon woher dieses Geld kommen soll, ist in der Bundespolitik völlig offen, es wird auch im Wahlkampf kaum thematisiert. Entsprechend groß ist die Verwunderung über Trumps Vorstoß: Der Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Marcus Faber (FDP), erklärte, die Nato werde sich auf ein neues Ausgabenziel einigen müssen, um der russischen Kriegswirtschaft zu begegnen. „Das werden aber eher 3 als 5 Prozent sein.“

Auch interessant

Bislang geben nicht einmal die USA die von Trump geforderte Summe aus, sie kommen nach Nato-Schätzungen dieses Jahr auf 3,4 Prozent ihres Bruttosozialprodukts, die in die Verteidigung fließen. Und 9 der 32 Nato-Staaten erreichen auch im laufenden Jahr selbst die Zwei-Prozent-Marke nicht, darunter Italien, Belgien und Spanien. Seit Trumps Wahlsieg Anfang November ist jedoch allen Nato-Mitgliedern klar, dass die bisherigen Militäraufwendungen dem nächsten US-Präsidenten nicht reichen werden.

Die Nato hat sich auf höhere Ausgaben eingestellt, doch Trumps Forderung überrascht

Trump will nicht nur größere Rüstungsanstrengungen von den Alliierten, sondern erwartet auch, dass die europäischen Nato-Staaten höhere Lasten im Ukraine-Krieg oder bei einem späteren Waffenstillstand tragen. Im Brüsseler Nato-Hauptquartier wurde nach Informationen unserer Redaktion daher zuletzt angepeilt, die Allianz-Mitglieder beim nächsten Nato-Gipfeltreffen im Juni auf ein Ausgaben-Ziel von 3 Prozent zu verpflichten, im schlimmsten Fall auf 3,5 Prozent – gekoppelt mit Angeboten aus europäischen Hauptstädten für bessere Handelsbedingungen zugunsten der USA soll dies Trump besänftigen.

Auch interessant

Die Versuchung für manchen Regierungschef in Europa, dem US-Präsidenten deshalb nicht ganz so ernst gemeinte Zusagen zu machen, könnte naheliegen. Allerdings gilt es als großes Risiko, das Trump als Reaktion auf mangelnde Ernsthaftigkeit neue Zweifel an der Verlässlichkeit der amerikanischen Beistandsgarantie sät und so die gesamte Abschreckungsstrategie zerstört – oder die Nato gleich ganz verlässt. Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump mit einem Austritt der USA aus dem Militärbündnis gedroht, falls die Partnerländer ihre Verpflichtung nicht erfüllten. Klar ist aber auch: Einseitig diktieren kann Trump die Ausgabeziele nicht, sie werden im Konsens der 32 Regierungschefs festgelegt.

Nato-Chef Mark Rutte (rechts) traf den künftigen US-Präsidenten Donald Trump bereits zum Gespräch: „Er wird wollen, dass wir mehr tun”, sagt Rutte - und mahnt die Bürger der Nato-Staaten zu Opferbereitschaft.
Nato-Chef Mark Rutte (rechts) traf den künftigen US-Präsidenten Donald Trump bereits zum Gespräch: „Er wird wollen, dass wir mehr tun”, sagt Rutte - und mahnt die Bürger der Nato-Staaten zu Opferbereitschaft. © Nato/dpa | Erik Luntang

In Erwartung der kommenden Erschütterungen im Bündnis rief Nato-Generalsekretär Mark Rutte aber schon vor einigen Wochen die Bürger der Mitgliedsstaaten auf, sie sollten für höhere Verteidigungsausgaben „Opfer in Kauf nehmen“, auch mit Einschnitten in ihre Renten-, Gesundheits- und Sicherheitssysteme. Die Allianz müsse sich auf den Krieg einstellen und die Verteidigungsproduktion und Investitionen „auf Hochtouren“ bringen.

Rutte warnt, dass die zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die die meisten Nato-Staaten jetzt für Verteidigung ausgeben, langfristig nicht ausreichen, um mögliche Gegner wie Russland abzuschrecken. „Wenn wir bei zwei Prozent bleiben, sind wir zwar jetzt sicher, aber in vier, fünf Jahren sind wir vielleicht nicht mehr sicher, und die Abschreckung könnte zu schwach sein, um uns vor allem zu schützen, was in Russland und anderen Teilen der Welt passiert“, sagte er.