Berlin. FDP-Fraktionschef Christian Dürr erklärt Christian Lindner zum Vorbild – und keilt gegen Bundeskanzler Olaf Scholz.

Beim Dreikönigstreffen in Stuttgart geht es für FDP-Chef Christian Lindner um alles. Bringt er die Parteibasis nach Ampel-Aus, D-Day-Debatte und Umfrage-Absturz hinter sich? FDP-Fraktionschef Christian Dürr stärkt Lindner vor dem großen Auftritt den Rücken.

Die FDP steht als Partei da, die von innen heraus die Zerstörung der Ampelkoalition betrieben und darüber auch noch gelogen hat. Wie wollen Sie den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen?

Christian Dürr: Das ist absoluter Unsinn, der von Olaf Scholz und der SPD verbreitet wird, um vom eigenen Versagen abzulenken. Der Kanzler hat von uns verlangt, die Schuldenbremse zu brechen und auf Reformen für Wachstum zu verzichten. Wir haben daher eine Koalition beendet, die nicht mehr in der Lage war, richtige Entscheidungen zu treffen. Seit dem Sommer ist nicht eine einzige wirtschaftliche Reform verabschiedet worden, trotz Kabinettsbeschlüssen. Diese Koalition hat nur noch existiert, aber nicht mehr regiert. 80 Prozent der Menschen in Deutschland haben sich ein Ende der Ampel gewünscht, damit es endlich wieder vorangeht. Das haben wir ermöglicht. Und ich bin davon überzeugt, dass die Menschen sehr klar unterscheiden können, welche Parteien zu einem Aufbruch für unser Land bereit sind.

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Dürr: Man kann über den Stil streiten, dazu ist vieles gesagt worden. Aber niemand kann uns verübeln, dass wir angesichts des mangelnden Reformwillens bei SPD und Grünen vorbereitet sein wollten. Es ist doch bemerkenswert, dass der Ausgleich der kalten Progression von Grünen und SPD während der Regierungszeit über Monate blockiert wurde, nach dem Ampel-Aus aber plötzlich möglich war. Ich glaube jetzt, mit einigen Wochen Abstand, muss die Geschichte vom Ampel-Aus nochmal neu geschrieben werden. Man wollte uns die Bereitschaft, Gutes für unser Land zu erreichen, absprechen, weil wir uns mit dem Status quo nicht zufriedengeben. Dabei sollte sich aber nicht die FDP rechtfertigen müssen, weil sie Reformen will – sondern die Parteien, die diese Reformen jahrelang verschleppt haben!

Ist Christian Lindner alternativlos an der Spitze der Partei?

Dürr: Christian Lindner ist genau der richtige Parteivorsitzende, denn er hat großen Mut und Geradlinigkeit bewiesen. Davon könnten sich andere eine Scheibe abschneiden.

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Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, © picture alliance / Dominik Butzmann//photothek.de | Dominik Butzmann

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Dürr: Es geht doch um die Frage, ob die deutsche Politik in der Lage ist, disruptiver und innovativer zu denken. Ich hielte es für falsch, wirtschaftliche Reformen und eine Verschlankung des Staates Populisten zu überlassen. Auch die demokratische Mitte muss große Reformen hinbekommen, sonst wenden sich die Menschen ab. Diese Tendenzen sehen wir auch in Deutschland.

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Meine schwerste Entscheidung

Was erwarten Sie von Lindner beim traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart?

Dürr: Ich bin sicher, dass er Vorschläge für einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik machen wird. Die nächste Legislaturperiode wird ganz im Zeichen der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes stehen. Der Fokus der FDP ist daher klar.

Welche Regierungsperspektive sehen Sie? Würde sich die FDP – falls sie es doch in den Bundestag schafft – ein weiteres Mal auf SPD und Grüne einlassen?

Dürr: Wir werden es in den Bundestag schaffen und ich glaube, am Wahltag wissen die Menschen, welche Partei für echte Reformen steht. Ich wüsste zurzeit aber nicht, wie Reformen mit Rot-Grün gelingen sollen, die Union ist da besser aufgestellt. Reformpolitik ist für SPD und Grüne oftmals Wahlkampfthema, aber nie Regierungsthema. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich etwa hat sich nun für Verschärfungen beim Bürgergeld ausgesprochen – ein Projekt, das monatelang an der SPD gescheitert ist. Ich will die Bilanz der Ampel nicht schlecht reden: Uns ist vieles gelungen, etwa bei der Planungsbeschleunigung. Aber diese Reformen haben wir trotz SPD und Grünen durchgesetzt, nicht wegen ihnen!

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Dürr: Seitdem sind viele Jahre vergangen. Ich erkenne an, dass die CDU sich nach der Ära Merkel erneuert hat und heute viele marktwirtschaftliche Positionen vertritt, etwa beim Thema Steuersenkungen. Das war damals anders. Eine Zusammenarbeit mit der Union könnte ich mir gut vorstellen.

Eine Reform der Schuldenbremse schließen Sie weiter aus?

Dürr: Ein klares Ja.

Sie versprechen Steuerentlastungen, die nach Berechnungen der IW-Ökonomen 148 Milliarden Euro kosten. Wie wollen Sie das finanzieren?

Dürr: Solche Entlastungsmaßnahmen werden immer schrittweise umgesetzt und nicht auf einen Schlag, deshalb ist das auch finanzierbar. Unser Ziel ist es zu sparen, beispielsweise indem wir den Sozialstaat treffsicherer gestalten, teure Subventionen und Bürokratie abschaffen. Das wiederum führt zu mehr Wachstum und höheren Steuereinnahmen. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, aber wir müssen jetzt endlich anfangen, statt immer nur drüber zu reden.

Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, hält es für völlig unrealistisch, Steuersenkungen über Wachstum zu finanzieren …

Dürr: Andere Wirtschaftsexperten sagen das Gegenteil. Unser Sofort-Programm nach der Bundestagswahl ist das Wirtschaftswende-Papier, das Christian Lindner in seiner Zeit als Bundesfinanzminister geschrieben hat. Die Maßnahmen wurden von Verbänden und Ökonomen breit gelobt und sind so gerechnet, dass sie sofort umsetzbar sind.