Berlin. Donald Trump jr. besucht Grönland, sein Vater schließt sogar Militäreinsatz dort nicht aus. Warum die Insel für die USA so wichtig ist.
Der künftige US-Präsident Donald Trump schwärmt von einem „großen Immobiliengeschäft“, das Kaufinteresse hat er hinterlegt. Sein Sohn, Donald Jr., ist schon mal zur Vorbesichtigung angereist: Er traf am Dienstag in Grönland ein – die weltgrößte Insel, die zu Dänemark gehört, will Trump in die USA eingliedern. Trump Jr. flog zwar privat nach Grönland, doch weltweit ist die Aufmerksamkeit groß. Ist das nur wieder eine typisch breitbeinige Trump-Übergriffigkeit? Wohl kaum. Trump meint es ernst. Er sieht sich in der Tradition früherer US-Präsidenten, die seit 160 Jahren mit Geld, Gold und sanfter Gewalt versuchten, Grönland zum Teil der Vereinigten Staaten zu machen. Trump schließt jetzt sogar militärische Gewalt nicht aus. Die überwiegend eisbedeckte Insel – sechsmal größer als Deutschland – hat für die USA eine enorme strategische Bedeutung, sie liegt ja auch näher an Nordamerika als an Europa.
Schon seit 1951 haben die USA die Kontrolle über die Verteidigung Grönlands, US-Soldaten haben freien Zugang, wenn es um die Sicherheitsinteressen der USA geht. So unterhält die US-Armee den Luftwaffenstützpunkt Thule, wo zu Zeiten des Kalten Krieges mehr als 10.000 Soldaten stationiert waren. Heute ist dieser nördlichste US-Stützpunkt – 1200 Kilometer oberhalb des Polarkreises – von zentraler Bedeutung für das Raketenfrühwarnsystem der USA und für die Überwachung des Weltraums. Thule wird von den USA gerade mit einer Milliardeninvestition modernisiert; überlegt wird der Bau eines strategischen Arktishafens.
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Grönland: USA, Russland und China im Wettlauf um Einfluss in der Arktis
Die Insel rückt jetzt stärker ins Blickfeld, weil sich die USA, Russland und China einen Wettlauf um Einflusszonen in der Arktis liefern. In einer aktuellen Studie der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) spricht Arktis-Sicherheitsexperte Michael Paul von einer „geostrategischen Schlüsselposition“ im Seeraum zwischen Spitzbergen, Bäreninsel und Nordkap sowie zwischen Grönland, Island und Großbritannien, die auch militärisch wieder relevant sei.
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China hat Milliarden in Grönland investiert, vor allem in den Bergbau, es wirbt um Wissenschaftskooperationen und bemühte sich – vergeblich – um den Kauf eines früheren Marine-Stützpunkts. US-Militärs sind aber auch besorgt über russische U-Boote, die regelmäßig in der Nähe Grönlands unterwegs sind und offenbar die Infrastruktur ausspionieren. Trumps Kaufofferte ist deshalb auch eine Ansage an die Präsidenten Xi Jinping in Peking und Wladimir Putin in Moskau: Finger weg von Grönland.
Die Insel hat wertvolle Bodenschätze: Vor allem enorme Ressourcen an Seltenen Erden, dazu Uran, Graphit, Kohle und vor der Küste Öl und Gas. Das zurückgehende Meereis verbessere den Zugang zu den Lagerstätten von Rohstoffen an Land und auf dem Meeresboden, erklärt Arktis-Experte Paul. Durch die Eisschmelze entwickelt sich die Arktis zugleich schnell zu einer potenziellen neuen Seeroute für Handels- und Kriegsschiffe, das erhöht die strategische Bedeutung Grönlands. Trump drängt nun offensiv auf die Übernahme: „Aus Gründen der nationalen Sicherheit und der Freiheit in der Welt sind die Vereinigten Staaten der Meinung, dass der Besitz und die Kontrolle Grönlands eine absolute Notwendigkeit sind“, erklärte er kurz vor dem Jahreswechsel.
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Vor dem Besuch seines Sohnes legte der künftige US-Präsident nach: „Grönland ist ein unglaublicher Ort und die Menschen werden enorm davon profitieren, wenn es Teil unserer Nation ist. Wir werden es vor einer sehr bösartigen Außenwelt schützen und bewahren. Machen Sie Grönland großartig.“ Später schloss Trump bei einer Pressekonferenz in Mar-a-Lago sogar einen Militäreinsatz nicht aus: Auf die Frage eines Journalisten, ob er der Welt versichern könnte, keinen militärischen oder wirtschaftlichen Zwang auf Grönland und den Panama-Kanal anzuwenden, sagte Trump: „Nein.“ Er werde sich darauf nicht festlegen, betonte der Republikaner. Es könne sein, dass man „etwas tun müsse“.
Die dänische Regierung winkte bereits zuvor ab. In seiner Neujahrsansprache hatte König Frederik klargestellt, dass das Königreich Dänemark „bis nach Grönland“ vereint sei, und erklärt: „Wir gehören zusammen.“ Der Besuch von Trump Jr. wird in Kopenhagen nun heruntergespielt, es sei schließlich kein offizieller amerikanischer Besuch. Nur: Damit ist die Sache kaum erledigt.
Trump meint es ernst: Aus Ärger sagte er Staatsbesuch in Dänemark ab
Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Trump ein Übernahmeangebot gemacht, das Dänemark recht harsch ablehnte. Regierungschefin Mette Frederiksen sprach seinerzeit von einer „absurden Diskussion“, worauf Trump verärgert einen Staatsbesuch in Dänemark absagte. Denn er hatte in Washington den Kauf, der die USA flächenmäßig nach Russland zum zweitgrößten Staat der Erde machen würde, mehrmals sehr ernsthaft mit Beratern und Wissenschaftlern erörtert. Immerhin durften die USA dann ein Konsulat in Grönland eröffnen, was Trumps Außenminister Mike Pompeo als Höhepunkt der Bemühungen lobte, „unser Engagement in der Arktisregion zu stärken“.
Trump sieht sich diesmal in langer amerikanischer Tradition. Auf Grönland haben die USA schon lange ein Auge geworfen, so wie zeitweise auch Großbritannien und weitere Länder. Bereits der 17. US-Präsident, Andrew Johnson, versuchte 1867, die Insel von Dänemark abzukaufen – ein Deal war schon weit gediehen. Bizarre Parallele zu Trump: Johnson war der erste US-Präsident, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren angestrengt wurde, Trump ist Nummer sechs.
Im Lauf der US-Geschichte gab es weitere Versuche, Grönland einzugliedern: 1946 bot Washington unter Präsident Harry Truman 100 Millionen Dollar in Goldbarren an; auch ein Pachtvertrag über 99 Jahren war im Gespräch. Alles streng geheim, erst in den 90er Jahren wurde die Sache publik. Doch ein Geschäft mit der dänischen Regierung gelang Washington nur zu einem anderen Territorium: 1917 kauften die USA von Dänemark in den Kleinen Antillen Dänisch-Westindien ab (heute Jungferninseln), um den Panamakanal besser verteidigen zu können. Unter anderem in den 1940er Jahren gab es allerdings Pläne, Grönland vorbeugend zu besetzen, wenn die USA einen Angriff anderer Großmächte fürchten müssten.
Grönland sagt ab: „Wir stehen nicht zum Verkauf“
Den USA kommt zugute, dass die Beziehung Dänemarks zu Grönland kompliziert ist: Die Insel wurde ab dem frühen 18. Jahrhundert von Dänemark-Norwegen kolonisiert, fiel 1814 an Dänemark. Die Dekolonisierung nach dem Zweiten Weltkrieg verlief holprig. Kopenhagen versuchte mit brachialen Methoden, die Geburtenrate zu senken, Kinder wurden in dänische Familien verschleppt – was das Verhältnis bis heute belastet. 1979 wurde Grönland autonomes Gebiet im Königreich Dänemark, wenige Jahre später trat die Insel mit ihren nur 56.000 Einwohnern aus der Europäischen Union aus. Seit 2009 hat Grönland das Recht, sich durch ein Referendum für unabhängig zu erklären.
Die Unabhängigkeitsbewegung wird stärker. „Die Mehrheit der Bevölkerung Grönlands will die Unabhängigkeit vom Königreich Dänemark“, erklärt Arktis-Experte Paul. Das Parlament bereitet schon eine neue Verfassung vor, die Grundlage für die Abspaltung wäre. Die bevorstehenden Wahlen am 6. April gelten als eine wichtige Weichenstellung. „Es ist das grönländische Volk, das entscheiden muss, ob Grönland die nächsten Schritte auf dem Weg zu einem unabhängigen Land gehen soll“, sagte Premierminister Mute Egede in seiner Neujahrsansprache. Er sprach Klartext: Grönland müsse sich „von den Fesseln des Kolonialismus befreien“.
Trump schließt Militäreinsatz nicht aus: USA brauchen Grönland für Sicherheit
Für die Insel-Regierung ist die Reaktion auf Trumps Avancen nun ein Balanceakt: Grönland begrüßt einerseits das Interesse der USA – in der Hoffnung, dass Amerika mehr investiert als Dänemark und damit zugleich weitere Investoren anlockt. Doch einen Verkauf an die Vereinigten Staaten lehnt die Regierung, wenig überraschend, strikt ab. Premier Egede sagt: „Grönland steht nicht zum Verkauf und wird niemals zum Verkauf stehen.“
Doch Trump lässt nicht locker. Bei einer Pressekonferenz schloss er am Dienstag nicht aus, das US-Militär einzusetzen, um Kontrolle über den Panamakanal und Grönland zu erlangen. Auf eine entsprechende Frage eines Journalisten sagte er: „Ich werde mich dazu nicht festlegen. Es könnte sein, dass man etwas tun muss.“ Der Panamakanal sei lebensnotwendig für sein Land, Grönland wiederum bräuchten die USA aus Gründen der nationalen Sicherheit.
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