Berlin/Moskau. Donald Trump will den Ukraine-Krieg schnell beenden. Vertraute haben Details genannt. Wie Kiew und Moskau den Wahlsieg kommentieren.
Die Genugtuung über den Wahlsieg Donald Trumps ist in Moskau groß. „Halleluja“, schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, in ihrem Telegram-Kanal. Die US-Wahl habe derjenige gewonnen, der sein Land liebe. Auch der Putin-Vertraute Dmitri Medwedew äußerte sich anerkennend. Für die ukrainische Regierung – Medwedew sprach vom „Abschaum“ in Kiew – sei es ein Trauertag.
Präsident Wladimir Putin selbst hielt sich zwar mit Kommentaren zurück, denn in seiner Propagandaerzählung sind die USA ein „feindliches Land“ im Ukraine-Krieg. Aber in diesem Krieg darf Putin nun doch auf jene Wende zu seinen Gunsten rechnen, mit der er seit Langem kalkuliert: Als US-Präsident könnte Donald Trump dafür sorgen, dass die entscheidende amerikanische Militärhilfe für die Ukraine reduziert wird – womöglich wird Trump sie ganz stoppen.
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Noch stemmt sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj entschieden gegen den drohenden Rückschlag. Er gratulierte Trump am Mittwochvormittag zu seinem „beeindruckenden Wahlsieg“ und erklärte: „Wir verlassen uns auf eine weiterhin starke parteiübergreifende Unterstützung für die Ukraine in den Vereinigten Staaten.“ Es klingt wie das Pfeifen im Walde, denn schwierige Zeiten sind absehbar – ausgerechnet jetzt, da die russische Armee ohnehin schon an der Front im Vorteil ist und unter hohen Verlusten zügig vorankommt. Die Ukraine bräuchte dringend Nachschub, Munition, Luftverteidigung, Raketen vor allem.
Trump und seine Republikaner aber haben sich sehr kritisch zu den umfangreichen Waffenlieferungen der USA geäußert. Und Trump hat mehrmals verkündet, er werde den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden – noch bevor er überhaupt Präsident werde. Um das zu erreichen, würde er mit Putin und Selenskyj sprechen: „Ich werde sie zusammenbringen.“ Wie sich Trump eine Friedenslösung genau vorstellt, ist unklar – aber es dürfte darauf hinauslaufen, dass die Ukraine zu einem Gebietsverzicht gezwungen würde und womöglich auch auf einen Nato-Beitritt verzichten müsste.
So stellt sich Trumps Vize den Frieden in der Ukraine vor
Der ungarische Premier Viktor Orban, der zuletzt im Juli mit Trump in Florida über den Ukraine-Krieg sprach, skizzierte im Interview mit unserer Redaktion den Ansatz so: Nur Trump könne die „entscheidenden beiden Anrufe in Kiew und Moskau“ machen und sagen: „Hört zu, wir stoppen morgen früh das Töten und verhandeln.“
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Der designierte US-Vizepräsident J.D. Vance hat mögliche Friedensgespräche mit Trump genauer beschrieben: „Trump wird zu den Russen, Ukrainern, Europäern sagen: Ihr müsst euch überlegen, wie eine friedliche Einigung aussehen könnte. Und die sieht womöglich aus wie eine derzeitige Demarkationslinie zwischen Russland und der Ukraine, die zu einer Art entmilitarisierter Zone wird.“ Wo diese stark befestigte Demarkationslinie als vorläufig vereinbarte Grenze verlaufen soll, ist unklar. Die Ukraine würde nach diesem Konzept laut Vance ihre Souveränität behalten, Russland erhielte von ihr aber die Garantie der Neutralität – ein Beitritt zur Nato oder ähnlichen Organisationen wäre ausgeschlossen. „So ungefähr wird der Deal letztlich aussehen“, skizzierte Vance, Trump könne „sehr schnell“ eine Einigung herbeiführen.
Ob es so kommt, ist indes ungewiss. Die russische Regierung zeigt sich zwar gesprächsbereit. „Die Vereinigten Staaten sind in der Lage, zur Beendigung des Konflikts beizutragen“, so Kremlsprecher Dmitri Peskow. Doch in Kiew wie Moskau weiß man, dass Trump vor allem eines ist: unberechenbar. Sein Ukraine-Kurs ist widersprüchlich: Er traf sich in seiner ersten Amtszeit einerseits 2018 mit Putin zu einem langen, denkwürdigen Vieraugengespräch in Helsinki. Aber er kündigte andererseits den Rüstungskontrollvertrag INF, setzte so viele Sanktionen gegen Russland durch wie keine US-Regierung zuvor und begann, die Ukraine mit schweren Waffen aufzurüsten. Als „Dealmaker“ dürfte Trump auch Putin einiges abverlangen für eine Friedenslösung.
Das Verhältnis zwischen Trump und Selenskyj ist kühl
Daran knüpft sich die Hoffnung Selenskyjs. Die ukrainische Führung ist vorbereitet – ein vorläufiger Gebietsverzicht im Rahmen eines Friedensabkommens gilt in Kiew als kaum noch abwendbar, doch pocht Selenskyj im Gegenzug auf den schnellen Nato-Beitritt als Sicherheitsgarantie. Um ihn von solchen Forderungen abzubringen, könnte Trump wohl signalisieren, dass er sonst den Hahn zudreht: Bis Ende Oktober lieferten die USA Rüstungsgüter für mehr als 64 Milliarden US-Dollar an das Land. Ende April hatte der US-Kongress noch einmal mehr als 60 Milliarden US-Dollar an Hilfen genehmigt. Ohne die Hilfen könne die Ukraine die Verteidigungslinien nicht halten, warnt Selenskyj, während Trump schon auf die Verbündeten zeigt: „Ich will, dass Europa mehr zahlt.“
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Nur wird Europa die Lücke so schnell kaum schließen können. Zur Vorsorge haben die sieben großen Industrieländer (G7) kurz vor den US-Wahlen ein Hilfspaket von gut 45 Milliarden Euro für Kiew geschnürt. Und die Nato hat sich für nächstes Jahr auf militärische Hilfen von 40 Milliarden Euro verpflichtet. Aber das wird nicht lange reichen.
Selensykj drängt Trump deshalb nun zu einem baldigen Treffen, um über eine „Stärkung der strategischen Partnerschaft“ zu sprechen. Doch hat Selenskyj ein großes Problem: Sein Verhältnis zu Trump ist kühl. Der war zuletzt sehr verärgert, weil der Ukrainer im September eine amerikanische Munitionsfabrik in Pennsylvania an der Seite von Wahlkämpfern der Demokraten besucht hatte. Trumps Reaktion war deutlich: Er verhöhnte Selenskyj nicht nur als „größten Verkäufer in der Geschichte“ und warf ihm vor, unbedingt den Wahlsieg von Kamala Harris zu wollen. Trump versprach zugleich, er werde „für Frieden sorgen“, denn der Krieg sei „verrückt“. Wenn er die Wahl gewinne, so Trump, „werde ich als Erstes Selenskyj und Präsident Putin anrufen und sagen: Sie müssen einen Deal machen“.
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