Berlin. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung hat nach dem Tod von drei Bundeswehrsoldaten in Afghanistan militärische Gegenwehr angekündigt. "Wer uns angreift, der wird auch bekämpft." Von Krieg möchte allerdings nicht sprechen. Jung betont: "Wir sind dort keine Besatzer."
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat nach den neuen Gefechten nahe der nordafghanischen Stadt Kundus eine härtere Gangart der Bundeswehr in Afghanistan angekündigt. «Wer uns angreift, der wird auch bekämpft. Die Bundeswehr hat dafür die notwendigen Antworten», sagte Jung am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. Die Truppe habe für die Kämpfe «auch die notwendigen Reserven, hier Verstärkung vorzunehmen». Bei einem Unfall während eines Feuergefechts waren am Dienstag drei deutsche Soldaten in der Nähe von Kundus getötet worden.
"Wir haben auch die Gefechte in letzter Zeit sehr gut bestanden. Und das wird auch in Zukunft so sein», sagte Jung trotz der neuen Opfer unter den Bundeswehrsoldaten. «Wir müssen hier Sicherheit herstellen, um genau in diesem Raum um Kundus herum weiter Wiederaufbau und Entwicklung voranzutreiben.» Jung verwies auf ein Gespräch, das er kürzlich mit Stammesältesten in Kundus geführt habe. «Die haben mir noch einmal deutlich signalisiert: Wenn die Menschen spüren, dass etwas für sie vorangeht, dann distanzieren sie sich sehr deutlich von derartigen terroristischen Aktivitäten der Taliban und stehen an unserer Seite.»
Jung stellte zugleich klar, dass sich die Bundeswehr in Afghanistan nach seiner Auffassung nicht in einem Krieg befinde. «Wir sind dort keine Besatzer, sondern wir sind da, um die Sicherheit auch der Bundesrepublik Deutschland zu festigen und zu wahren, indem wir dort dem Terrorismus entgegentreten.» Angesichts der immer häufigeren Gefechte beschreiben auch viele Bundeswehrsoldaten inzwischen die Lage in Afghanistan als einen «Krieg».
Debatte um Strategie der Bundeswehr
Nach dem Tod von drei weiteren deutschen Soldaten bei Gefechten in Afghanistan ist die Debatte über die dortige Strategie der Bundeswehr neu aufgeflammt. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und führende SPD-Politiker verteidigten den Einsatz am Hindukusch. Dagegen forderte Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele eine Abzugsstrategie. Auch Linke-Fraktionschef Gregor Gysi erneuerte die Forderung seiner Partei nach Beendigung des Bundeswehr-Einsatzes. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Elke Hoff beklagte derweil eine fehlende rasche Luftunterstützung der Bundeswehr für bedrängte Bodentruppen.
Ströbele fordert "Exit-Strategie"
Auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), wies Überlegungen für eine veränderte Afghanistan-Strategie zurück. «Der Einsatz ist richtig. Und wir sind mit den Amerikanern in engem Dialog, wie er noch wirksamer werden kann», sagte er. Den Fall der drei deutschen Soldaten, die bei einem Unfall mit ihrem Panzer ums Leben gekommen waren, bedauerte Erler. «Fälle wie dieser sind tragisch. Aber sie gehören leider derzeit zur Realität in Afghanistan.«
Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte, das strategische und taktische Vorgehen in Afghanistan müsse zwar immer wieder neu überdacht werden. «Doch wer diesem Terrorismus nachgibt, der wird langfristig noch viel, viel größere Sicherheitsprobleme haben», betonte Arnold.
Dagegen verwies Ströbele auf die dramatisch verschlechterte Situation in Afghanistan und forderte eine «Exit-Strategie»: Der «sinn- und endlose Krieg» dort müsse beendet werden. Ströbele fügte hinzu: «Wir können doch jetzt nicht fünf oder zehn Jahre so weiter machen und uns dann noch mal hinsetzen und feststellen, dass wir den Krieg nicht gewonnen haben und man ihn ja auch gar nicht gewinnen kann, wie die Militärs mittlerweile selbst einräumen.»
Wehrbeauftragter für klares Bekenntnis zum Einsatz
Gysi sagte, das Ziel, den Terrorismus zu bekämpfen, werde in sein Gegenteil verkehrt. "Der Afghanistan-Einsatz erhöht die Anschlagsgefahr in Deutschland und der Welt."
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Elke Hoff kritisierte, die Bundeswehr habe in Afghanistan keine eigene Kapazität für «Kampfflieger, die bedrängten Bodentruppen in kurzer Zeit aus der Luft helfen können». Sie fügte hinzu: «Ich bin ziemlich betroffen, dass sich jetzt wieder auf so tragische Art und Weise zeigt, dass wir unseren Soldaten in Gefechtssituationen nicht die nötigen Hilfen geben.»
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Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), forderte ein klares gesellschaftliches Bekenntnis zu diesem Krieg. In der Öffentlichkeit werde «noch immer verdrängt», dass die Bundeswehr am Hindukusch Krieg führe, sagte Robbe. «Ich frage mich: Wo bleibt das klare Wort der Kirchen, der Gewerkschaften, der Wirtschaft.»
Der Wehrbeauftragte sprach sich trotz des erneuten Angriffs für die Weiterführung des Einsatzes aus: «Wir müssen den Menschen sagen, warum dieser Einsatz, warum diese Feuergefechte notwendig sind. Jetzt abzuziehen würde bedeuten: Alles war umsonst.» (ddp/afp/ap)