Berlin. Nach dem Tod von drei Bundeswehrsoldaten in Afghanistan kritisiert die FDP-Verteidigungspolitikerin Elke Hoff, dass der Bund den Soldaten in Gefechtssituationen nicht die nötigen Hilfen gibt: "Ich kann den Eltern der Opfer nicht sagen, dass wir alles getan haben, was möglich ist."
Elke Hoff ist die Aufregung am Telefon sofort anzumerken. Die FDP-Verteidigungspolitikerin (52) hat gerade eben durch ihre Mitarbeiter von den jüngsten Hiobsbotschaften aus Afghanistan erfahren. "Ich bin total fertig", gesteht Hoff am Nachmittag im WAZ-Gespräch. Kein Wunder. Erst vor wenigen Tagen ist die Bundestagsabgeordnete von einem mehrtätigen Aufenthalt im Kriegsgebiet zurückgekehrt. Es war ihr sechster Besuch. Hoff reist in der Regel allein, sie gilt im Bundestag als eine der wenigen Kennerinnen der Materie.
Vergeblich Kampfjets angefordert
Um so mehr ist die Parlamentarierin "erzürnt und wütend", als sie von den wahrscheinlichen Umständen der jüngsten drei Todesfälle am Hindukusch erfuhr: Die Bundeswehrsoldaten, die im Rahmen eines massiven Feuergefechts bei einem Ausweichmanöver mit ihrem Fuchs-Panzer von der Straße abkamen und sich überschlugen, hatten kurz zuvor Luftunterstützung angefordert. Offenbar vergebens. Hoffs Leib- und Magenthema seit 2006.
"Die Bundeswehr hat in Afghanistan keine eigene Kapazität für "Close Air Support", also für Kampfflieger, die bedrängten Bodentruppen in kurzer Zeit aus der Luft helfen können", sagte Hoff der WAZ und fügte hinzu: "Ich bin ziemlich betroffen, dass sich jetzt wieder auf so tragische Art und Weise zeigt, das wir unseren Soldaten in Gefechtssituationen nicht die nötigen Hilfen geben. Ich kann den Eltern der Opfer nicht in die Augen sehen und sagen, dass wir alles getan haben, was möglich ist."
Seit Wochen häufen sich die Taliban-Anschläge
Die tödlichen Zwischenfälle von Kundus kommen gleichwohl für Bundeswehr, die damit bis heute insgesamt 35 Soldaten in Afghanistan verloren hat, nicht überraschend. Seit Wochen nimmt die Frequenz der Anschläge und Auseinandersetzungen im vermeintlich ruhigeren Norden des Landes zu. Hintergrund ist nach Militäranalysen eine erneute Offensive der Taliban, die dem militärischen Druck der Amerikaner im Süden und Osten ausweichen und stattdessen in Regionen zuzuschlagen, in denen sie weniger Widerstand erwarten: dazu zählt der deutsche Verantwortungsbereich um den Hauptstützpunkt Mazar-I-Sharif.
Ziel der Attacken, heißt es in Kreisen des Verteidigungsministeriums, sei es, vor der afghanischen Präsidentschaftswahl im August und der Bundestagswahl im September die deutsche Öffentlichkeit zu verunsichern, um die noch existierende parlamentarische Mehrheit in Deutschland für den umstrittenen Bundeswehreinsatz allmählich zum Kippen zu bringen.
Lage droht sich weiter zu verschlechtern
Erst vor wenigen Wochen hatte der deutsche Kommandeur, Oberst Georg Klein, ein düsteres Szenario für Kundus gezeichnet, wo rund 1100 Soldaten stationiert sind: "Wir können nicht ausschließen, dass sich die Lage noch weiter verschlechtert."
In Deutschland haben die drei Todesfälle die Debatte über den Afghanistan-Einsatz erneut entfacht. Die Linkspartei, als einzige im Parlament vertretene Gruppe, die den Einsatz kategorisch ablehnt, gab durch ihren Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi die erste Stellungnahme ab: "Die Bundeswehr muss Afghanistan verlassen. Es ist nicht länger zu verantworten, das Leben von Afghanen und das Leben der Soldaten aufs Spiel zu setzen. Das Ziel des Afghanistan-Einsatzes, den Terrorismus zu bekämpfen, wird in sein Gegenteil verkehrt. Der Afghanistan-Einsatz erhöht die Terroranschlagsgefahr in Deutschland und der Welt."
Kommentar: Bund schützt seine Soldaten nicht