Kabul. Geheimdienste sind alarmiert: Die Taliban haben Informanten in Deutschland. Obwohl der Besuch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Afghanistan streng geheim gehalten wurde, soll der Ablauf "fast minutiös" bekannt gewesen sein. Bei Anschlägen war ein deutscher Soldat gestorben.

Trotz der Geheimhaltung des Besuchs von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Afghanistan muss nach den Erkenntnissen westlicher Geheimdienste sein Aufenthalt den Taliban am Hindukusch «fast minutiös» bekannt gewesen sein. Es gebe inzwischen «klare Hinweise», dass die Taliban mittlerweile gute Gewährsleute von Islamisten in Deutschland haben, die sie «auf dem Laufenden halten», war am Donnerstag aus Geheimdienstkreisen in der afghanischen Hauptstadt Kabul zu erfahren. «Auf bisher ungeklärte Weise haben die Taliban ihre Finger in deutschen Stellen drin», erklärte ein Geheimdienstexperte der Nachrichtenagentur ddp in Kabul.

Erst vor drei Wochen war ein streng geheim gehaltener Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU) in Afghanistan von einem Raketenangriff der Taliban auf den nördlichen Stützpunkt der Bundeswehr in Kundus überschattet worden. Ein Sprecher der Taliban hatte damals erklärt, die islamistischen Kämpfer hätten von dem unangekündigten Aufenthalt von Merkel gewusst und deshalb die Raketen abgeschossen. Nur 20 Minuten nach Abflug Merkels aus Kundus waren die Raketen auf das Lager abgefeuert worden. Sie hatten keinen Schaden angerichtet.

Anschlag "ein Zeichen für den deutschen Außenminister"

Auch bei dem Anschlag am Mittwochabend, bei dem ein Bundeswehrsoldat nahe Kundus ums Leben kam, war das «Timing» der Taliban nach Feststellung der westlichen Geheimdienste und des afghanischen Nachrichtendienstes NDS «bemerkenswert». So hatte ein Sprecher der Taliban erklärt, das Attentat auf die Soldaten der Bundeswehr stehe in «direktem Zusammenhang» mit Steinmeiers Besuch in Kabul. «Wir wussten von der Visite» teilte ein Taliban-Sprecher unmittelbar nach dem Anschlag bei Kundus mit. Der Anschlag sei «ein Zeichen für den deutschen Außenminister gewesen».

Nach Aussage von amerikanischen und deutschen Geheimdienstlern ist Kundus von den Taliban mit einem «besonderen Netz um die Region umgeben worden». Das zeigten die ständigen Attacken der letzten Zeit, erklärte einer der Geheimdienstexperten. Die Taliban wollten auf diese Weise ihre Präsenz auch im Norden Afghanistans beweisen. Das gehöre zu ihrer für Donnerstag angekündigten «starken und robusten Offensive» mit dem Codewort «Nasrat» (Unterstützung), mit der sie nach ihren Erfolgen im Süden und Osten Afghanistans auch weite Teile im Norden des Hindukusch an sich reißen wollten.

Als ein weiteres Indiz für das weitere Erstarken der Taliban wird es von den Geheimdiensten angesehen, dass sie gleich zwei Anschläge an einem Tag gegen die Bundeswehr verübt haben. Steinmeier sprach von einer «beunruhigenden Entwicklung mit zunehmend selbstbewussteren Taliban». Ihnen gelingt es nach Aussage von amerikanischen und deutschen Geheimdienstlern immer mehr, die Aufbauarbeit, die die Bundeswehr in Afghanistan leistet, bei der afghanischen Bevölkerung zu «untergraben».

Al-Qaida und die Taliban würden es darauf anlegen, die Afghanen zu verunsichern, wenn sie mit den deutschen Soldaten zusammenarbeiten, erläuterte ein Geheimdienstler ddp. Die afghanischen Bürger sollten keine Kontakte mehr haben. Die Deutschen sollten als «Besatzer» empfunden werden. Den Taliban sei es bereits gelungen, «einen Keil» zwischen die Bemühungen der Deutschen und der afghanischen Bevölkerung zu treiben.

Mit Kopfschütteln wurde von den Geheimdiensten die Bemerkung Steinmeiers in Kabul registriert, dass der Norden Afghanistans, wo die Bundeswehr die Verantwortung trägt, «weitgehend frei vom Drogenanbau» sei. Dieser spiele nach wie vor auch im Norden eine «entscheidend negative Komponente», unterstrichen die Geheimdienstmitarbeiter. Der «überbordende Anbau» des Schlafmohns und die Heroinproduktion seien das «wichtigste Wirtschaftsgut» der Afghanen. Sie trügen entscheidend zur Finanzierung aller Taliban-Aktivitäten bei.

Steinmeier verurteilt tödliche Anschläge

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat die tödlichen Anschläge auf deutsche Soldaten in Afghanistan scharf verurteilt und zugleich bekräftigt, dass Deutschland an seinem Engagement festhält. In einer Ansprache vor den Bundeswehrangehörigen im Feldlager Masar-i-Scharif im Norden des Landes sagte Steinmeier am Donnerstag: «Der Auftrag bleibt.» Verteidigungsminister Franz Josef Jung sprach von einem «feigen, hinterhältigen Anschlag». (ddp)

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