Berlin. Viele Fernsehzuschauer waren vom Auftritt des SPD-Manns im Duell mit Kanzlerin Merkel positiv überrascht. Allerdings kamen zwei Zukunftsthemen – Bildung und Familien – gar nicht erst zur Sprache. Und Merkel tat, was ihren Wahlkampf bisher auszeichnete: Sie kam, sah und - wich aus.
Nach dem TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier waren sich Experten und Fernsehzuschauer einig: Steinmeier war der Bessere.
Sie kam, sah und – wich aus. 14 Tage vor der Wahl mied Merkel den offenen Schlagabtausch. Beide verteidigten das Krisenmanagement bei Opel. Und auch beim Thema Mindestlöhne und zu den Managergehältern bügelte Merkel die Unterschiede glatt. Mehrfach fielen die Rivalen denn auch in die gewohnte „Wir-Form” der Großen Koalition.
Es war ein Streitgespräch über mehrere Runden, mit den Themen Soziales, Bankenkrise, Schulden, Opel, Gesundheit, Atom, Afghanistan-Krieg und den Wahlperspektiven. Zwei Zukunftsthemen – Bildung und Familien – kamen gar nicht erst zur Sprache.
Merkel präsentierte sich als präsidiale Kanzlerin einer Regierung, die sich mit ihrer Bilanz sehen lassen kann. Die Große Koalition habe „in der Tat gut gearbeitet. Unter meiner Führung”, betonte sie. Zu ihrem Wahlziel, eine Regierung mit der FDP, bemerkte Merkel nur: „Das Gute kann noch besser werden.”
Merkel eine Marktradikale?
Steinmeier tat sich schwer, seine Regierungschefin direkt anzugehen. Merkel eine Marktradikale? „Kann ich nicht mit letzter Sicherheit beantworten”, sagte Steinmeier.
Es dauerte eine Stunde, bis der SPD-Mann sein Streitthema gefunden hatte. „Wachstum, das ist ja schön und gut”, spottete er über Merkels Programm und kritisierte die von Union und FDP geplanten Steuersenkungen.
Beim Thema Managergehälter versuchte Steinmeier, sich aus Merkels Umarmung zu befreien. „Unsere Waffen sind eindeutig zu stumpf. Das reicht mir nicht”, rief er aus und forderte strengere Gesetze. Manches sei in der Großen Koalition misslungen, sagte Steinmeier und suchte Merkel, aus der Deckung zu locken: Die Banken hätten Union und FDP drei Millionen Euro an Spenden gegeben, der SPD nur 200 000 Euro. Für den SPD-Herausforderer ist es der Beweis, dass die Banken auf ein „Weiter so” unter einer Regierung von Union und FDP setzen. „Eine kühne Behauptung”, tadelte ihn Merkel.
Umfragen
Die Meinungsforscher von Infratest dimap ermittelten einen Sieg von 43 zu 42 Prozent für Steinmeier. Unter denen, die vor dem Duell unentschieden waren, hatte Steinmeier mit 45 zu 37 Prozent die Nase vorn. Der SPD-Mann war dabei für 64 Prozent besser als sie erwartet hatten. Merkel konnte nur 18 Prozent der Zuschauer positiv überraschen.
Auch die von der WAZ befragten Experten sahen den SPD-Mann als Sieger: Guntram Schneider, DGB-Chef in NRW, bewertete seine Argumente in der Steuer- und Arbeitsmarktpolitik als schlüssiger, seinen Auftritt als „solider”. Der Politikwissenschaftler und Merkel-Biograf Gerd Langguth fand Steinmeier „besser als es zu erwarten war: eloquent und präzise”. Und Merkel? „Sie wurde erst in der zweiten Hälfte lockerer.” Für den Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister war sichtbar, „dass Merkel mindestens ebenso unter Druck stand wie Steinmeier. Sie hat dabei schlechter abgeschnitten – ungefähr so wie 2005 gegen Schröder”.