Berlin. SPD-Politiker glauben nach dem Kanzlerduell zwischen Steinmeier und Merkel an den Wahlkampf-Endspurt. CSU-Chef Stoiber lobte derweil die «große Souveränität und Sicherheit» der Kanzlerin. Die FDP meint, dass vor allem Deutschland verloren habe.
Die SPD spürt nach dem TV-Duell vom Sonntagabend Rückenwind für die letzten beiden Wahlkampfwochen. SPD-Chef Franz Müntefering sagte am Abend dem TV-Sender RTL: «Das war der Durchbruch im Wahlkampf.» SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sei sehr überzeugend gewesen. Es habe noch kein Kanzlerduell gegeben, wo einer der beiden Kandidaten «so deutlich vorn gelegen» habe. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sprach in der ARD-Talksendung «Anne Will» von Rückenwind für seine Partei.
"Auf Abstand gehalten"
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wertet das TV-Duell hingegen als Bestätigung, dass die Deutschen Merkel als Kanzlerin behalten wollen. «Sie hat noch einmal eindrucksvoll gezeigt, dass sie bereit ist, vier weitere Jahre Verantwortung für Deutschland zu übernehmen», hob Pofalla hervor. Merkel habe Steinmeier «auf Abstand gehalten», befand der CDU-Generalsekretär. Steinmeier stehe für unsichere politische Experimente und fehlende Glaubwürdigkeit.
Der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber hob bei «Anne Will» hingegen die «große Souveränität und Sicherheit» von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im TV-Duell hervor. Er habe nicht den Eindruck, dass Steinmeier gewonnen habe. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt stellte im ZDF mit Blick auf die Streitereien zwischen Union und FDP klar, die Union wolle eine Koalition mit den Liberalen. Die FDP sei nicht der politische Gegner, allerdings ein politischer Mitbewerber.
"Verlierer heißt Deutschland"
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel hat das Fernsehduell der Spitzenkandidaten Angela Merkel (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) scharf kritisiert. «Das ganze sogenannte Duell war auf Weiter-so», sagte Niebel am Montag im ARD-Morgenmagazin. «Keiner hat gewonnen, es gibt nur einen Verlierer, der heißt Deutschland.»
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Niebel beklagte, dass sich Kanzlerin Merkel nicht eindeutig zu einem Bündnis mit der FDP bekannt habe. Bei der Union könne man sich als Wähler nicht sicher sein, wofür die Stimme gebraucht werde. Seine Kritik bezog Niebel aber auch auf die vier Sender, die das Duell am Sonntagabend ausgerichtet hatten. Die Opposition hätte davon nicht ausgeschlossen werden dürfen, meinte der FDP-Politiker. «Hier war ein Selbstgespräch der Regierung zu sehen.»
Der Frage, ob nach dem Duell eine Koalition der FDP mit der SPD ausgeschlossen sei, wich Niebel aus. Er sagte nur: «Inhalte passen nicht zusammen, also kann man auch nicht zusammen regieren.»
Themen Familie und Bildung vermisst
FDP-Chef Guido Westerwelle hat nach dem TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Frank-Walter Steinmeier (SPD) seine Kritik an der Konzeption der Sendung erneuert. «Es wäre richtig gewesen, dass die drei Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag mitdiskutiert hätten», sagte der FDP-Politiker am späten Sonntagabend bei «Ihre Wahl! Die Sat.1-Arena». Er fügte hinzu: «Das gehört sich auch so.»
Wichtige Themen wie die von der großen Koalition zu Beginn ihrer Amtszeit beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer seien überhaupt nicht angesprochen worden. «Die ganze Sendung ist über die beiden wichtigsten Fragen Deutschlands überhaupt nicht geredet worden - Familie und Bildung», monierte Westerwelle. Bildung sei die Grundlage für den Wohlstand und «das ganze Thema Bildung, Forschung, Ausbildung der jungen Generation wird überhaupt nicht erwähnt. Das ist ein schwerer Fehler.
"Viel Lärm um nichts"
Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke konnte im TV-Duell nur «viel Lärm um Nichts» und einen «großen Einheitsmischmasch» erkennen. Es sei der ausdrückliche Wille erkennbar gewesen, in der großen Koalition weiterzumachen. Lemke bemängelte zugleich, dass Bildung und Klimaschutz als große Zukunftsthemen kaum eine Rolle gespielt hätten.
Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin kritisierte das TV-Duell als nicht mehr zeitgemäß. «Es stammt aus einer Zeit, wo man geglaubt hat, dass es zwei große Parteien gibt», sagte Trittin in der Sendung und erklärte: «Das gibt es nicht mehr, wir haben ein Fünf-Parteien-System.»
Beide Parteien hätten bei den Landtagswahlen der vergangenen Zeit verloren. «Dieser Situation ist das Format nicht gerecht geworden», beklagte der Grünen-Politiker. Es habe den Eindruck gegeben, als ginge es um amerikanische Präsidentenwahlen. Keiner der beiden Kontrahenten werde ohne Hilfe einer oder zwei weiterer Parteien in das Kanzleramt einziehen können, es sei denn, «sie haben sich jetzt schon darauf verständigt, dass sie weitermachen wollen.»
"Langweiliger Abend"
Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Dietmar Bartsch, sprach im ZDF von einem «langweiligen Abend». Merkel und Steinmeier hätten ein «klares Signal» gegeben, die große Koalition weiterführen zu wollen. Eine wirkliche Kontroverse habe gefehlt. Steinmeier habe sich nicht als Alternative zu Merkel präsentiert, sondern sich nur «als Vizekanzler beworben».
Beim TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier gab es nach Ansicht führender Journalisten keinen herausragenden Sieger. Der stellvertretende Chefredakteur der «Zeit», Bernd Ulrich, nannte den Herausforderer am Sonntag etwas frischer und sprach von einem «knappen Sieg für Steinmeier». Allerdings hätte dieser Sieg deutlicher ausfallen müssen, um bei dem Wähler punkten zu können. Eine Wahlniederlage habe er nicht abwenden können.
Das Duell sei nur auf den zweiten Blick richtig spannend gewesen, sagte der Politikchef der «Zeit» auf einer gemeinsamen Veranstaltung von Landesvertretung Nordrhein-Westfalen, Institut für Medien- und Kommunikationspolitik und Deutschlandfunk. Keiner habe versucht, populistisch zu werden. Herausgekommen sei ein «wohltemperiertes Gespräch». Es habe aber eine deutliche Schwäche gehabt: Weder Merkel noch Steinmeier habe über die kommenden vier Jahre und über die Zumutungen gesprochen, die nach der Wirtschaftskrise auf die Bürger zukommen werden.
«Im Kammerton miteinander geredet»
Der Chefredakteur der «Welt», Thomas Schmid, sagte, die beiden hätten «im Kammerton miteinander geredet». Schmid lobte, dass es die beiden «geschafft haben, nicht Kabinettsitzung zu machen und doch die Form zu wahren». Allerdings habe auch keiner der beiden ein Tor machen können.
Schmid bedauerte, dass das Thema Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr nur gestreift worden sei. Das Thema enthalte Polarisierungsstoff. «Der Diskussion hat es an Emphase gefehlt, sie war ganz nüchtern.» Auf einen Sieger des Duells wollte sich Schmid nicht festlegen. Der noch unschlüssige Bürger wisse weiterhin nicht, wen er wählen solle: «Er findet nach wie vor beide sympathisch.»
Massiver Druck
Der Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik, Lutz Hachmeister, sagte, in seinen Augen habe Merkel mehr unter «massivem Druck gestanden» und etwas schlechter abgeschnitten. Für Steinmeier gelte: «Er hat es besser gemacht als erwartet.»
Hachmeister kritisierte, dass sich die Sendung nicht an junge Menschen gerichtet habe. «Ein völlig überflüssiges Element» seien die Wahlreden der beiden Duellanten am Ende des 90-minütigen Streitgesprächs gewesen.
Die US-Publizistin Susan Neiman kritisierte, die Moderatoren hätten zu wenige Politikfelder angesprochen. Bildung und Kultur seien völlig außen vor gelassen worden. «Umwelt war auch ganz am Rande», sagte die Amerikanerin.