Berlin. Was bleibt in Erinnerung von diesem Fernsehduell? Vor allem gähnende Langeweile: Da sollten sich zwei attackieren, die diese Disziplin nicht beherrschen - und nicht beherrschen wollen. Für den Zuschauer brachte das als Großereignis inszenierte Format kaum Erkenntnisgewinn.

Er kam von unten aus dem Umfragetief, sie von oben. Er musste angreifen, sie nur parieren. Sie wollte die Emotionen möglichst lau temperieren, er musste sie in Wallung bringen. Soweit die Versuchsanordnung vor dem öffentlichsten Arbeitsgespräch aller Zeiten zwischen einer Kanzlerin und einem Vizekanzler, pardon: zwischen Amtsinhaberin und Möchteamthaber. Nach 90 Minuten zwischen höflichster Provokation und verdruckster Liebeserklärung ist zu bilanzieren: Alles anders gekommen. Na und?

Wie ein in die Jahre gekommenes Ehepaar

Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier wirkten über weite Strecken dieses überflüssigen Fernseh-Duellchens wie ein in die Jahre gekommenes Ehepaar, das sich ganz ordentlich arrangiert hat und es noch ein paar Jahre miteinander aushalten könnte. Aber beim Therapeuten - sprich den vier Moderatoren - so tun muss, als habe man dauernd mordsmäßig Zoff. Geht gar nicht. Aus dieser Konstellation Honig zu saugen für den Zuschauer, sprich: Verklarung statt Verklärung politischer Absichten zu erzielen, war schon zur Halbzeit vergebene Liebesmüh. Kaum eine Frage, auf die wirklich präzise geantwortet worden wäre. Ein anderes Wort dafür: Arbeitsverweigerung!

Merkel farblos, Steinmeier detail-verliebt

Der Rest ist schnell erzählt: Merkel-Sätze glänzen mittlerweile matt durch sprachliche Schlichtheit. Diese Frau will keine mediale Großcharmeurin mehr werden. Aber ihre Rolle, beständig unkonkret auf alles zu antworten und nichts wirklich zu sagen, die hat sie wahrlich verinnerlicht. Steinmeier-Sätze dagegen atmen, abseits seltener Ausbrüche von Schlagfertigkeit, noch immer die Detailhuberei des gediegenen Fachpolitikers. Ansonsten alles wie erwartet: wenig Show, wenig Emotionen, kaum verbale Rempeleien, kein Flirt mit den Kameras. Gähn.

Hat das TV-Duell Merkel/Steinmeier die Zuschauer unterhalten? Geht so. Hat die Sendung jenen politische Wahlmotive geliefert, die noch nicht wissen, ob und wie sie am 27. September abstimmen werden? Wohl kaum. Steinmeier war deutlich weniger schlecht, als manche vorsichtshalber befürchtet hatten. Merkel war längst nicht so stark und souverän, wie man es sich von einer Regierungschefin wünschen würde. Endergebnis: wurscht! Nur: Wenn es zwei Sieger gibt, und davon werden uns die Parteilager ab heute überzeugen wollen, kann derjenige, der seit langer Zeit schon in den Umfragen hinten liegt, am Ende wohl kaum gewinnen. Für den aufgeklärten, fernseherprobten Staatsbürger bewies der gestrige Abend endgültig: TV-Duelle dieses Formats sind nicht das behauptete politische Großereignis, das den Ausgang von Bundestagswahlen beeinflusst. Es sind Fernsehsendungen, langweilig wie andere auch. Nicht weniger, nicht mehr.