Berlin. In einem angenehmen TV-Dreikampf machen Guido Westerwelle, Oskar Lafontaine und Jürgen Trittin klar, dass es jenseits der großen Koalition noch Lösungsansätze gibt, die auf unterschiedlichen ordnungspolitischen Grundsätzen beruhen. Das macht allerdings die Koalitionsfrage nicht einfacher.

Während die beiden Kanzlerkandidaten Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier bei ihrem sogenannten TV-Duell es dem Zuschauer mitunter schwer machten, politische Konturen zu erkennen, verdeutlichten die drei Spitzenkräfte der Oppositionsparteien bei ihrem Schlagabtausch am Montagabend sehr rasch und sehr klar die Unterschiede ihrer Positionen.

Verschiedene Menschenbilder

Vor allem Guido Westerwelle und Oskar Lafontaine machten an etlichen Punkten ihre gegensätzlichen Menschenbilder deutlich, die ihren politischen Forderungen zugrunde liegen: Der Liberale setzt auf weniger Staat, eine Stärkung der mittelständischen Industrie und des Handwerks, Steuerentlastung und Deregulierung – dem Grundsatz folgend, nach dem es den Menschen dann gut geht, wenn die Wirtschaft sich frei entfalten kann und für Beschäftigung sorgt. Der Chef der Linken, Lafontaine, wiederum setzt auf den starken Staat, der das schaffen soll: Er will den öffentlichen Dienst stark ausbauen – etwa durch die Schaffung neuer Stellen im Bildungssektor und bei der Polizei, er will die Banken unter staatliche Kontrolle bringen, die Managergehälter per Verordnung begrenzen, generelle Mindestlöhne von über acht Euro.

Am stärksten kamen die Gegensätze bei der Debatte um die Steuerpolitik zum Ausdruck: Westerwelle etwa kritisierte, die jetzige Regierung habe die Steuerlast in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert - und investiere zuviel in „Quatsch“: Die Abwrackprämie habe fünf Milliarden Euro verbrannt, ohne dass dadurch langfristig Jobs in Deutschland gesichert worden seien (ein Punkt, bei dem ihm Trittin zustimmte). Überhaupt, so merkte Westerwelle durchaus nachvollziehbar an, verfalle der Staat, der sich in wirtschaftliche Abläufe einmischt, allzu gerne dem Drang, sterbende Branchen künstlich am Leben zu erhalten - was den Prozess künstlich verlängert und notwendige Umstrukturierungen ausbremst. Als Beispiel nannte er unter anderem die Kohleförderung. Stattdessen solle man die Steuern vereinfachen und senken – vor allem für mittelständische Unternehmen und für Ausgaben des täglichen Bedarfs. Dafür müsse die Mehrwertsteuer an diesen Punkten verringert werden. Dadurch werde auch für ärmere Menschen das Leben erschwinglicher.

Die Reichen schröpfen

Dagegen forderte Lafontaine eine ziemlich rigorose Besteuerung der Reichen. Wobei reich an dieser Stelle relativ ist: Ab einem zu versteuernden Einkommen von 65.000 Euro würde nach dieser Kalkulation der 53-prozentige Spitzensteuersatz greifen. Zudem hätte die Linke gerne eine Sonderabgabe von den 800.000 Menschen in Deutschland, die über mehr als eine Million Euro an Privatvermögen besitzen. Da sich in deren Händen etwa 23 Prozent des Gesamtvermögens befinden, treffe hier das Prinzip der starken Schultern zu, die ihren Teil an der Finanzkrise zu tragen hätten.

Mit dem Duo Lafontaine-Westerwelle war der größte politische Abstand des Abends definiert. Dazwischen befand sich der Grüne Trittin – wobei dessen politischen und emotionalen Überschneidungen mit dem linken Nachbarn mehr als einmal deutlich wurden an diesem Abend: Reichensteuer? Ja gerne, nur beim Spitzensteuersatz sind die Grünen ein bisschen vorsichtiger (45 Prozent ab 80.000 Euro pro Jahr). Mindestlöhne? Ja: Wenn die Tarifbindung weiter bröckelt wie jetzt, seien diese unumgänglich, betonten Trittin und Lafontaine unisono. Beschränkung von Managergehältern? Ist mit den Grünen auch verhandelbar – allerdings auf Umwegen: Sie wollen die Anrechnung der Gehälter auf die Betriebskosten auf 500.000 Euro jährlich beschränken. Es darf mehr gezahlt werden, es wird aber schwerer, diese Kosten steuerlich wegzurechnen.

Gemeinsame Positionen

Bei allen Unterschieden. Auch gemeinsame Positionen fanden die Kombattanten – und durchaus keine unwichtigen: Die Rente mit 67 wollen alle drei abschaffen: Lafontaine rigoros, die Grünen wünschen sich eine Grundrente ab 33 Lebensarbeitsjahren, die FDP will flexiblere Modelle: Wer will, dürfe bis 70 arbeiten, für jene, die mit 60 Jahren aussteigen wollen aus dem Berufsalltag, müsse es weitgehende Zuverdienstregelungen geben. Für Bildung und Familie wollen alle drei Parteien mehr ausgeben: Für die Finanzierung boten die Grünen konkret an, den Solidarzuschlag dafür umzuwidmen, beziehungsweise das Ehegattensplitting. Lafontaine und Westerwelle blieben bei der Finanzierungsfrage an dieser Stelle eher unkonkret. Und auch bei den Schonvermögen für Hartz IV-Empfänger zeigten sich alle drei einmütig: Die müssten deutlich rauf.

Fazit: Die drei Oppositionspolitiker haben in der Argumentation deutlich und im Ton angenehm moderat wieder daran erinnert, dass es jenseits der großen Koalition Lösungsansätze gibt, die auf klaren ordnungspolitischen Grundsätzen basieren. Die sind in der Opposition selbstverständlich immer leichter zu definieren als für eine Regierung, die unter Sachzwängen handeln muss. Dennoch machten die drei klar, warum eine große Koalition mit ihrem Hang zum ständigen Konsens dem Pluralismus schadet.

Fraglich ist, was die parlamentarische Mengenlehre nach dem Wahlabend für Farbenspiele zulässt. Klar ist: Westerwelle will Schwarz-Gelb und lehnt Jamaika ab. Trittin wiederum tendiert an dem Abend inhaltlich zumindest zu einer rot-rot-grünen Konstellation, schloss aber nach mehrmaligem Nachfragen auch Schwarz-Grün nicht aus. Und Lafontaine – gab den Outlaw und zu verstehen, dass er zu allen Schandtaten bereit sei. Er wartet ab, dass die Wähler ihm die SPD zutreiben.