Hamburg. Während SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel versucht, Stimmung gegen die Atompläne der CDU zu machen, hält CDU-Forschungsministerin Annette Schavan offenbar brisante Informationen zurück. In einer ihr vorliegenden Studie werden unter anderem Neubauten von Atomkraftwerken empfohlen.
Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) hält laut einem Zeitungsbericht seit zwölf Wochen ein brisantes Gutachten zur Atomenergie unter Verschluss, das sie selbst in Auftrag gegeben hat. Nach Angaben der «Financial Times Deutschland» regen in der Studie rund hundert Forscher unter anderem den Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland an. Außerdem werben sie dafür, an anderen Standorten als Gorleben nach atomaren Endlagern zu suchen. Schavan seien die Atom-Empfehlungen offenbar zu heikel. Obwohl sie die Studie mit dem Titel «Konzept für ein integriertes Energieforschungsprogramm für Deutschland» bereits im Juni erhalten habe, solle diese erst im Oktober vorgestellt werden - nach der Bundestagswahl.
In der Studie plädieren die Forscher laut «FTD» ziemlich unverhohlen für neue Meiler: «Abhängig von politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen könnte sich Deutschland aber in der Zukunft wieder an der Entwicklung und dem Bau von neuen Kernkraftwerken beteiligen, um einen erheblichen Teil des Energiebedarfs mit Kernenergie zu decken.» Trotz unbestreitbarer Risiken biete die Kernkraft «eine kostengünstige und konsensfähige Grundlast-Stromversorgung ohne CO2-Ausstoß».
Alternative wäre in Schavans politischer Heimat
In der Endlagerfrage erklären die Autoren des Gutachtens: «Für ein Endlager in Tongestein liegen umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse aus Frankreich, Belgien und der Schweiz vor.» Unerwähnt bleibt im Gutachten allerdings eine Tatsache, die Schavans geringes Interesse an dieser Alternative erklären könnte: Die meisten Tonformationen liegen in Baden-Württemberg - Schavans politischer Heimat. Schavan hatte sich wiederholt für den Salzstock Gorleben als Endlager ausgesprochen.
Die Forschungsministerin will SPD und Grünen mit der Studie offenbar keine weitere Munition liefern. Die Union tritt wie die FDP für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken ein. Jedoch wirbt sie im Wahlkampf nicht offensiv dafür. Mit Kernkraft lassen sich kaum Wählerstimmen gewinnen. Seit Monaten versucht vor allem SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel, Stimmung gegen die Atompläne von Schwarz-Gelb zu machen.
In einem Brief an die Autoren der Studie schreibt das Präsidiumsmitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech), Ortwin Renn, eine Kurzfassung des Konzepts sei «am 24. Juni 2009 an Frau Schavan übergeben worden». Neben Acatech waren drei weitere deutsche Wissenschaftsorganisationen beteiligt. «Allerdings haben sich die Präsidien der Akademien und das Bundesforschungsministerium darauf verständigt, das Konzept erst nach der Bundestagswahl der Öffentlichkeit vorzustellen, da sonst die Gefahr bestände, dass es im Wahlkampf untergeht oder zerredet wird», heißt es in dem Brief, der der «FTD» ebenso wie Teile des Gutachtens vorliegt. Das Ministerium wollte sich laut «FTD» zum Inhalt der Studie nicht äußern. (afp)