Essen. Gleiche Ziele, verschiedene Wege: FDP und SPD sehen sich als Vorreiter beim Umweltschutz. Ein Streitgespräch zwischen zwei jungen Bundestagsabgeordneten aus dem Ruhrgebiet: Frank Schwabe (SPD) und Michael Kauch (FDP) über Atomenergie, saubere Kohle und Klimaschutz.
Die Bundestagswahl am 27. September ist eine Richtungswahl, sagen zwei junge Bundestagsabgeordnete aus dem Ruhrgebiet. Die WAZ lud sie zum Streitgespräch: Frank Schwabe (SPD) und Michael Kauch (FDP) über Atomenergie, saubere Kohle und die Frage, ob Klimaschutz nur mit Zwang funktioniert.
Brauchen wir neue Kohlekraftwerke?
Kauch: Ja, für eine bestimmte Zeit. Es gibt zwei Wege, um die Kohle sauberer zu machen. Da sind zum einen hocheffiziente Kraftwerke mit einem Wirkungsgrad von über 50 Prozent, so wie in Datteln geplant. Und da ist die Abscheidung und unterirdische Einlagerung von Kohlendioxid, die so genannte CCS-Technologie. Wenn wir die Braunkohle, die wir in NRW noch haben, weiter nutzen wollen, dann geht es nur mit CCS.
Schwabe: Dem Klimaschutz ist das egal, ob Kohle aus dem Ruhrgebiet, Venezuela, Australien verbrannt wird. Ich finde es aber für die Region nicht egal. Ich glaube, dass wir eine gute Technologie haben, die viele Arbeitsplätze sichert und ich finde, dass wir die Subventionen weiter akzeptieren müssen. Deswegen bin ich für den Fortbestand des Steinkohlebergbaus in Deutschland über das Jahr 2018 hinaus.
Wird CCS die Kohle zukunftsfähig machen?
Schwabe: Wenn CCS nicht funktioniert, dann werden wir angesichts der Klimaschutzziele schneller aus der Kohle aussteigen müssen, möglicherweise zu höheren Preisen.
Kauch: Es ist aber nicht staatliche Aufgabe, zu entscheiden, ob die CCS-Technik eingesetzt wird oder nicht. Die Politik muss den rechtlichen Rahmen setzen. Die Kraftwerke aber bauen nicht wir, sondern die Unternehmen.
Wie wird sich der Handel mit den Abgasrechten, der Emissionshandel, auswirken?
Kauch: Wer jetzt ein Kohlekraftwerk baut, sollte sich darauf einrichten, dass die Anforderungen durch den Emissionshandel nicht sinken. Klar ist auch, dass die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien ins Netz Vorrang hat und ungedeckelt bleibt. Deswegen muss sich der Betreiber überlegen: Wird mein Kraftwerk auch in 30 Jahren noch Strom verkaufen können, oder ist da schlicht kein Platz mehr im Netz?
Wie sehen Ihre Parteien die Zukunft der Atomenergie?
Schwabe: Ich sage: 2050 möchte ich die komplette Stromversorgung über erneuerbare Energien gewährleisten. Die SPD will raus aus der Atomenergie, so schnell wie es geht. Vereinbart ist der Ausstieg bis 2020, 2021, Wenn die Atomwirtschaft das aufkündigt, kann man auch einmal darüber reden, ob es nicht noch schneller gehen kann, angesichts der Pannen.
Kauch: Die FDP ist gegen den Bau neuer Atomkraftwerke. Atomenergie hat Restrisiken und produziert Müll. Deshalb sagen wir: Wir brauchen sie für eine Zeit, aber wir wollen sie nicht für immer. Das FDP-Präsidium hat beschlossen: Nicht bei jedem Kraftwerk soll die Laufzeit verlängert werden. Diejenigen, die sich als besonders störanfällig erwiesen haben, sollen möglicherweise noch schneller abgeschaltet werden. Zweitens werden die Laufzeiten nur verlängert, wenn die Energieversorger sich verpflichten, einen erheblichen Teil der Gewinne in die Erforschung neuer Technologien zu investieren.
Schwabe: Da ist die FDP wenigstens schon mal weiter als die Union. Die Frage ist nur, wer sich bei einer schwarz-gelben Koalition durchsetzt. Ich sage, dass es am 27. September um eine Weichenstellung geht. Sollten die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängert werden, wirkt das wie ein Stoppzeichen für erneuerbare Energien. Jeder Tag, an dem ein Atomkraftwerk läuft, beschert den Energieversorgern einen Gewinn von einer Million Euro. Darum geht es. Davon wird der Verbraucher am Ende nichts sehen.
Kauch: Wenn wir daran festhalten, weiter Strom aus erneuerbaren Energien unbegrenzt und mit Vorrang einzuspeichern, wird sich das am Ende marktwirtschaftlich lösen. Braunkohle- oder Atomkraftwerke werden ihren Strom nicht mehr verkauft bekommen. Die Betreiber von Atomkraftwerken müssen wissen, dass der Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien aus Sicht der FDP nicht zur Diskussion steht.
Klimaschutz – lieber freiwillig oder eher mit Zwang?
Schwabe: Die Frage ist, ob Deutschland im Klimaschutz eine Vorreiterrolle spielen soll oder nicht. Im Wahlprogramm der Sozialdemokraten steht das Ziel: 80 bis 95 Prozent weniger CO2 bis zur Mitte des Jahrhunderts. Das ist keine Gefährdung der Wirtschaft, sondern eine Riesenchance, den Umbau zu beschleunigen. Diese Ziele sollen in einem Klimaschutzgesetz festgeschrieben werden. Der Staat muss kontrollieren, ob die Maßnahmen, mit denen die Klimaziele erreicht werden, auch wirklich greifen.
Kauch: Nein, das Klima- und Energiepaket schreibt über den Emissionshandel bereits die Ziele für Strom und Industrie rechtsverbindlich fest. Hier gibt es überhaupt keinen Handlungsbedarf.