Berlin. Die SPD formiert sich für die Opposition im Bundestag. Vier stellvertretende Fraktionsvorsitzende stehen an der Seite von Frank-Walter Steinmeier. Der Fraktionschef reagierte in Berlin auf die kritischen Äußerungen von Sigmar Gabriel. Künftig müsse mehr mit der Parteibasis diskutiert werden.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich für die parlamentarische Arbeit in der Opposition formiert. Zu Stellvertretern von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wurden in Berlin Generalsekretär Hubertus Heil (Wirtschaft/Arbeit), Bayerns Landeschef Florian Pronold (Verkehr), der amtierende Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (Innen) und die bisherige brandenburgische Gesundheitsministerin Dagmar Ziegler (Bildung/Familie) gewählt.
Forum
Diskutieren Sie mit anderen DerWesten-Lesern
Für die Außenpolitik wird der scheidende Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler zuständig sein. SPD-Fraktionsvize bleiben Elke Ferner (Gesundheit), Ulrich Kelber (Umwelt), Joachim Poß (Finanzen) und Angelica Schwall-Düren (Europa). Alle hätten eine "deutliche» Zustimmung" bekommen, hieß es aus der Fraktion.
Vor der Fraktionssitzung äußerte sich Steinmeier zurückhaltend über eine veröffentlichte E-Mail des designierten SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, in der dieser seiner Partei einen "katastrophalen Zustand" bescheinigte. Es gebe in der SPD einige "Baustellen", über die auf dem Dresdner Parteitag im November gesprochen werden müsse, sagte der Fraktionschef. Gabriels Brief an mehrere Genossen sei als Aufforderung zu verstehen, über das Verhältnis der Parteiführung zur Basis zu diskutieren. "Das wird so kommen", sagte Steinmeier. Die SPD müsse "Wege finden, die Mitglieder stärker einzubeziehen".
Gabriel fordert ehrliche Analyse
Gabriel hatte eine "ehrliche Analyse" der elf Regierungsjahre und des "Zustands der Parteiorganisation in den letzten 20 Jahren" verlangt. Die SPD sei zu einer Partei geworden, in der "Mitglieder meist zu Fördermitgliedern degradiert wurden: ohne jeden wirklichen Einfluss". Die Rente mit 67 oder auch die Mehrwertsteuererhöhung in der großen Koalition hätten "die Glaubwürdigkeit der SPD tief erschüttert", kritisierte Sigmar Gabriel, ohne den amtierenden Parteichef Franz Müntefering dafür ausdrücklich verantwortlich zu machen.
Der noch fungierende Bundesumweltminister forderte dem Bericht zufolge "eine richtige Strukturreform der SPD", mit der "wir vor allem wieder Meinungsbildung von unten nach oben schaffen (ohne politische Führung abzuschaffen)". In diesem Zusammenang stellte er Urabstimmungen "ab und an bei wichtigen Entscheidungen" in Aussicht. Weitere Vorschläge sollten auf dem Bundesparteitag Mitte November in Dresden vorgestellt werden, der ein "Startschuss" sein solle. Weiter hieß es in Gabriels Brief, die SPD sei "zu einer Partei geworden, in der die Mitglieder meist zu Förder-Mitgliedern degradiert wurden: ohne jeden wirklichen Einfluss".
Seiner Partei sagt Sigmar Gabriel einen langen, mühsamen Weg voraus und kritisierte, dass die SPD sich in den vergangenen Jahren "tief gespalten hat in Flügel". Weiter fügte er hinzu: "Wenn wir die SPD nicht endgültig zerstören wollen als Volkspartei, dann muss damit endlich Schluss sein." Zugleich stellte Gabriel seine Genossen darauf ein, dass die Erneuerung der Partei einige Zeit in Anspruch nehmen werde: "Die Früchte unserer Arbeit wird wohl eher die nach uns kommende Generation von Sozialdemokraten ernten."
Zustimmung aus Nordrhein-Westfalen
Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Bochum-Hamme, Rudolf Malzahn, hat das Papier von Sigmar Gabriel an die Parteibasis begrüßt. "Es ist schon mal positiv, dass sich ein führender Genosse direkt an uns wendet und nicht arrogant auftritt wie Graf Rotz", sagte Malzahn. Gabriel werde jedoch an "Taten gemessen". Die SPD müsse künftig "eine ganz andere Politik machen im Interesse der kleinen Leute".
Auch der Chef der NRW-SPD-Landesgruppe im Bundestag, Axel Schäfer, lobte den Gabriel-Brief: "Das ist ein ehrlicher Zustandsbericht." Die Partei müsse mit Blick auf den Bundesparteitag "Selbstkritik mit Selbstbewusstsein" verbinden. Gabriels Brief unterscheide sich "wohltuend" von den jüngsten Äußerungen Münteferings, fügte der Abgeordnete hinzu. Der scheidende SPD-Vorsitzende hatte in einem Interview den Vorsitzenden der Linken Oskar Lafontaine die Verantwortung für das Debakel der SPD bei der Bundestagswahl am 27. September zugewiesen. Öffentliche Selbstkritik hatte Müntefering ausdrücklich abgelehnt.
(ddp/afp)