Berlin. In einem persönlichen Brief soll die frühere Spitzenkandidatin der hessischen Sozialdemokraten ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den Bundesvorstand der Partei erklärt haben - verbunden mit scharfer Kritik an der Führungsspitze. Einen Rückzug aus der Politik schloss sie aus.
Die frühere hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti zieht sich Medienberichten zufolge aus dem Bundesvorstand ihrer Partei zurück. Sie werde auf dem SPD-Parteitag im November in Dresden nicht zur Wiederwahl antreten, berichteten der Hessische Rundfunk und stern.de am Donnerstag unter Berufung auf einen persönlichen Brief Ypsilantis. Sie griff die Parteispitze demnach darin scharf an.
In ihrem Brief schreibt Ypsilanti laut der Online-Ausgabe des Magazins "Stern", es müsse für die Partei in erster Linie um die geistige Herausforderung gehen, neue Zustimmung zu erhalten. "Die bloße Auswechselung der jeweiligen Parteiführung ist kein Ersatz dafür." Dass sich die SPD-Führung trotz des "Tiefschlags in der Bundestagswahl" zunächst auf Personalfragen fixiert habe, "zeigt erneut in hohem Maße das analytische Defizit".
"Systematisch diskreditiert worden"
Die ehemalige hessische Spitzenkandidatin beklagte auch mangelnde Unterstützung für ihren am Widerstand aus den eigenen Reihen gescheiterten Versuch, eine von den Linken tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden.
Die hessische SPD und insbesondere sie selbst seien "systematisch" von denen diskreditiert worden, die mit "inhaltlichen Wortbrüchen" wie bei Teilen der Agenda 2010 zum Identitätsverlust der SPD und in der Folge zu hunderttausenden Parteiaustritten und serienmäßigen Niederlagen beigetragen hätten, zitierte stern.de aus dem Brief. Die Verantwortlichen hätten keine Konsequenzen daraus gezogen, so Ypsilanti. Sie hätten die moderne Form der Verantwortungsübernahme vorgezogen, "nämlich in einem Führungsamt zu bleiben oder nahtlos ein neues anzustreben".
Ypsilanti versicherte laut HR und stern.de in dem Brief zugleich, ihr Verzicht auf eine erneute Kandidatur sei kein Rückzug aus der Politik. Auf mittlere Sicht schließe sie eine erneute Bewerbung für Vorstandsämter nicht aus. (afp)