Essen. Rudolf Dreßler, einst das soziale Gewissen der SPD, meldet sich zurück. Auf dem SPD-Zukunftskonvent in Oberhausen saß er in der ersten Reihe. Im WAZ-Gespräch rechnet Dreßler ab mit der für ihn so bitteren Ära Schröder, Müntefering und Steinmeier. Lob gibt's dagegen für Oskar Lafontaine.
Am Ende der Agenda-Politik steht für Alt-Sozialdemokrat Rudolf Dreßler eine verheerende SPD-Bilanz: "400 000 Mitglieder, sechs Ministerpräsidenten, tausende Mandate und über 10 Millionen Stimmen gingen verloren." Schröder, Clement und Steinmeier hätten aus der SPD eine Beliebigkeitspartei gemacht. "Über 100 Jahre hatte die SPD milieuübergreifend eine Identität; die SPD war unverwechselbar. Diese Identität hat Schröder der SPD genommen."
Immer wieder habe sich die Parteispitze den Liberalen und der CDU als mögliche Koalitionspartner angebiedert, urteilt Dreßler. "Stattdessen hat man lieber die Linke beschimpft, die nun die offenen SPD-Positionen besetzt. Das konnte nicht klappen."
Peinlicher Auftritt am Wahlabend
Geradezu peinlich erschien Dreßler der Auftritt von Steinmeier und Müntefering am Wahlabend. Die Botschaft der beiden war nur: "Wir haben alles richtig gemacht. Es gab überhaupt keine Selbstkritik. Dabei hatte die SPD gerade ihr schlechtestes Ergebnis seit 1893 eingefahren."
Dass Sigmar Gabriel und Andrea Nahles so schnell ihre Ansprüche auf die Parteiführung angemeldet hatten, war nach Einschätzung Dreßlers notwendig: "Es lag auf der Hand, dass Steinmeier erst den Fraktionsvorsitz und dann den Parteivorsitz wollte. Man musste sofort handeln und Steinmeier zum Verzicht auf den Vorsitz drängen."
Nun stehe die Partei vor einem Scherbenhaufen. "Es wird Jahre dauern, bis die SPD wieder zu alter Stärke findet", glaubt Dreßler. Der neue Vorstand brauche Zeit, um die enttäuschten Anhänger zurück zu gewinnen.
Lanze für Lafontaine
Dreßler bricht eine Lanze für seinen alten Weggefährten Oskar Lafontaine: "Ich habe den Kontakt nie abgebrochen. Oskar Lafontaine hat seine Positionen im Gegensatz zu Steinmeier und Schröder ncht verändert. Ich respektiere ihn. Er ist ein seriöser politischer Partner." Überhaupt dürfe man Verhandlungen mit der Linken nicht ausschließen. "Es geht nur um Inhalte. Und da sage ich: Man kann nicht die Linke ignorieren und mit der FDP reden."