Potsdam. Brandenburg könnte 20 Jahre nach dem Mauerfall erstmals eine rot-rote Regierung bekommen. Der SPD-Landesvorstand votierte am Montagabend mit neun Ja-Stimmen bei fünf Enthaltungen für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Linken.

An den Willkommensritualen hatte man es schon erkennen können: Zu den Sondierungsgesprächen auf der Suche nach einer neuen Koalition in Brandenburg hatte Ministerpräsident Matthias Platzeck Linken-Verhandlungsführerin Kerstin Kaiser stets herzlich umarmt. Für deren CDU-Pendant Johanna Wanka fiel die Begrüßung dagegen kühler aus. Am Ende der Gesprächsrunden steht nun fest, dass die optischen Signale nicht trogen. Das Land soll künftig Rot-Rot regiert werden.

Der SPD-Landesvorstand stimmte am Abend mit neun Ja-Stimmen und fünf Enthaltungen für Platzecks Empfehlung, Koalitionsverhandlungen mit den Linken aufzunehmen. Diese sollen am Donnerstag beginnen. «Wir haben festgestellt, das es breitere und größere Schnittmengen mit der Partei 'Die Linke' gibt», berichtete Platzeck aus den vier Sondierungsrunden. Zwanzig Jahre nach Ende der DDR sei es Zeit, auch die Nachfolger von SED und PDS in Verantwortung einzubinden: «Ich glaube, dass jede gewählte demokratische Partei ein potenzieller Koalitionspartner ist.»

Keine Thüringer Verhältnisse

Bald ein Team: die Linke-Fraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Foto: ap
Bald ein Team: die Linke-Fraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Foto: ap © AP

Bis zum 28. Oktober wollen sich beide Parteien nun auf einen Koalitionsvertrag einigen. Sollte dies gelingen, wäre Brandenburg nach Mecklenburg-Vorpommern und Berlin das dritte Bundesland, in dem die Linke an der Regierung beteiligt ist. «Ich hoffe sehr auf einen Politikwechsel», sagte Kaiser, die auch Linken-Fraktionsvorsitzende im Landtag ist. «Wir werden in den Koalitionsverhandlungen versuchen, viel von unserem Wahlprogramm umzusetzen.» Sie wünsche sich, dass soziale Aspekte trotz Wirtschaftskrise eine Rolle spielten.

Heftiger Streit wie in Thüringen ist bei der SPD wegen der Entscheidung für die Linke nicht zu erwarten. «Die Sondierungsgruppe der SPD hat einstimmig beschlossen, dass wir unserem kleinen Parteitag empfehlen werden, Koalitionsverhandlungen mit den Linken aufzunehmen», sagte Platzeck nach der letzten Sondierungsrunde.

Letztes Hindernis ausgeräumt

Am Vortag noch hatte die Linke ein letztes Hindernis dafür aus dem Weg geräumt: Kaiser erklärte, sie beharre nicht auf einem Ministeramt. An der SPD-Basis war kritisiert worden, dass sie als bekennende frühere Stasi-Zuträgerin ins Kabinett rücken könne. Auch als Fraktionschefin allerdings kann sie an jeder Kabinettssitzung teilnehmen.

«Wir haben eine ganze Reihe von Kompromissen gefunden», berichtete Kaiser aus den Sondierungsgesprächen. Und auch in den Programmen beider Parteien gebe es viele Übereinstimmungen, etwa in der Bildungspolitik. Platzeck nannte als einen der Gründe auch, die Mehrheit einer SPD-CDU-Koalition von fünf Stimmen im Landtag sei zu unsicher gewesen. Die Christdemokraten seien wegen interner Streitereien unzuverlässig.

Entzauberung der Linken

Derlei Befürchtungen hatte die CDU selbst während der Sondierungsgespräche genährt. In der sensibelsten Phase vor der dritten Runde verlangte die Landtagsfraktionsvorsitzende Saskia Funck, die künftige Regierung müsse bis zum Ende der Wahlperiode 2014 die Nettokreditaufnahme auf Null senken. CDU-Sondierungschefin Johanna Wanka war düpiert. Platzeck nannte die Forderung schlicht «unseriös», weil wegen der Wirtschaftskrise für die kommenden drei Jahre keine verlässlichen Prognosen abgegeben werden könnten.

Nachdem nun die Weichen für Rot-Rot gestellt sind, kritisierte CDU-Landeschefin Wanka die SPD-Entscheidung als menschlich enttäuschend. In den Sondierungsgesprächen mit der SPD habe es Kompromisse über alle Themen gegeben. «Es ist traurig und dramatisch, dass wir jetzt hier ein rot-rotes Experiment haben», sagte sie. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla erklärte, er könne dafür «nichts anderes als Empörung empfinden».

Mit der Entscheidung für die Linkspartei liegt Platzeck auf der neuen Linie seiner Bundespartei. Der designierte SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte sich bereits offen für rot-rote Bündnisse auf Bundesebene gezeigt. Platzeck versicherte allerdings mehrmals, dies spiele für ihn keine Rolle.

Eine andere Erwägung aber dürfte durchaus wichtig gewesen sein. Sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Berlin verlor die damalige PDS bei den ersten Wahlen nach ihrer Regierungsbeteiligungen zwischen sechs und acht Prozentpunkte. Eine Entzauberung der Linken wäre auch der Brandenburger SPD recht. (ap)