Berlin. Die vom künftigen SPD-Chef Sigmar Gabriel angekündigte Reformdebatte stößt in der Partei auf Zustimmung. Lob gibt es vom konservativen Seeheimer Kreis. Mit Spannung erwartet wird der Parteitag im November. Dort wird es hochgehen, allerdings wird es wohl nur der Anfang der Debatte sein.

Die vom künftigen SPD-Chef Sigmar Gabriel angekündigte Reformdebatte stößt in der Partei auf Zustimmung. Der konservative Seeheimer Kreis in der SPD nannte es am Freitag richtig, die Parteistrukturen zu überprüfen und die parteiinterne Kommunikation zu hinterfragen. Seeheimer-Sprecher Klaas Hübner sagte im Deutschlandradio: «Es macht uns schon Sorgen, dass wir gerade auch in der Vergangenheit in den Kommunen sehr, sehr stark verloren haben.» Das zeige, «wir haben offensichtlich nicht mehr diese Bindung an unsere Wähler, die wir früher gehabt haben». Deshalb sei es jetzt richtig, wenn Gabriel «wertfrei und ideologiefrei» eine Reformdebatte anstoße.

Gabriel spreche eine klare Sprache und könne provozieren, sagte Hübner. «Ich glaube, dass es eine ganz erfrischende Art ist, die er dort hat und insofern kann ich mir gut vorstellen, dass er ein guter Parteivorsitzender für uns ist.» Hübner verteidigte die innerparteilich viel kritisierte Agenda 2010 und lehnte eine Abkehr von den Reformen ab. Zugleich sagte er mit Blick darauf, dass die SPD-Führung in der Vergangenheit parteiintern stark für die Agenda geworben habe: «Das kann man sich in Oppositionszeiten nicht erlauben.»

Mit Ursachen für schlechtes Wahlergebnis auseinandersetzen

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte im WDR, die Partei werde sich intensiv mit den Ursachen für das schlechte Wahlergebnis auseinandersetzen. Der Parteitag Mitte November in Dresden werde nur der Beginn der Auseinandersetzung sein. «Woran wir arbeiten müssen, ist die Schärfung des sozialdemokratischen Profils», sagte Steinmeier. Er sei mit Gabriel täglich im Gespräch. Zugleich bekräftigte er, dass er Gabriels Äußerungen zum «katastrophalen Zustand» der SPD für «nicht spektakulär» halte. Natürlich sei es auch notwendig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. «Aber es besteht kein Grund, sich von diesen elf Jahren Regierungsarbeit zu distanzieren», betonte Steinmeier.

Reaktionen aus NRW

Am Donnerstag hatten bereits NRW-SPD-Politiker den Gabriel-Brief an die Parteimitglieder begrüßt. Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Bochum-Hamme, Rudolf Malzahn, sagte: «Es ist schon mal positiv, dass sich ein führender Genosse direkt an uns wendet und nicht arrogant auftritt wie Graf Rotz», sagte Malzahn in Bochum. Gabriel werde jedoch an «Taten gemessen». Die SPD müsse künftig «eine ganz andere Politik machen im Interesse der kleinen Leute».

In dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur ddp vorliegt, spricht Gabriel von einem «katastrophalen Zustand» der SPD und rechnet indirekt mit dem bisherigen SPD-Parteivorsitzenden Franz Müntefering ab. Nötig sei nun eine «ruhige und ehrliche Analyse der letzten elf Regierungsjahre, des Zustands der Parteiorganisation in den letzten 20 Jahren (!) und auch eine Aufarbeitung des Wahlkampfes», so Gabriel. Malzahn gehörte zu den Empfängern des Gabriel-Briefs.

"Ehrlicher Zustandsbericht"

Malzahn hatte im vergangenen Jahr ein Parteiordnungsverfahren gegen den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement angestrengt. Clement hatte vor der hessischen Landtagswahl 2008 indirekt zur Nichtwahl der SPD aufgerufen. Der frühere NRW-Ministerpräsident trat dann im November vergangenen Jahres aus der SPD aus, nachdem die Bundesschiedskommission wegen seiner Äußerungen eine Rüge gegen ihn verhängt hatte.

Auch der Vorsitzende der NRW-SPD-Landesgruppe im Bundestag, Axel Schäfer, lobte den Gabriel-Brief. «Das ist ein ehrlicher Zustandsbericht», sagte Schäfer. Die Partei müsse mit Blick auf den Bundesparteitag Mitte November «Selbstkritik mit Selbstbewusstsein» verbinden. Gabriels Brief unterscheide sich «wohltuend» von den jüngsten Äußerungen Münteferings, fügte der Abgeordnete hinzu. Der scheidende SPD-Vorsitzende hatte in einem «Zeit»-Interview Linke-Chef Oskar Lafontaine die Verantwortung für das Debakel der SPD bei der Bundestagswahl am 27. September zugewiesen. Öffentliche Selbstkritik hatte Müntefering ausdrücklich abgelehnt. (afp/ddp)