Berlin. Innerhalb weniger Tage gab es zwei verheerende Flugzeugunglücke. Einige Menschen überlebten. Doch was sind die psychischen Folgen?

In den vergangenen Tagen erschütterten gleich zwei Flugzeugkatastrophen die Welt. In Südkorea überlebten von 181 Insassen tragischerweise nur zwei, als das Flugzeug bei der Landung von der Landebahn abkam, gegen einen Zaun prallte und in Flammen aufging. In Aserbaidschan verloren 38 Menschen bei einem Vorfall ihr Leben. Dort stürzte die Maschine aus bisher unbekannter Ursache ab, Russland wird hinter dem Absturz vermutet.

Diese tragischen Ereignisse rücken die emotionalen und psychischen Belastungen in den Fokus, mit denen Überlebende von Flugzeugkatastrophen oft jahrelang zu kämpfen haben – Belastungen, die häufig in einer posttraumatischen Belastungsstörung münden.

Flugzeugabsturz überlebt: Was ist eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)?

Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) handelt es sich laut der AOK um eine psychische Erkrankung, die im Anschluss an ein traumatisches oder bedrohliches Ereignis entstehen kann. Sie kann durch ein einmaliges Ereignis wie einen Autounfall oder sich wiederholende Erlebnisse wie Gewalterfahrungen oder sexuellen Missbrauch ausgelöst werden. Auch Zeugen eines traumatischen Vorfalls können PTBS entwickeln, selbst wenn sie nicht direkt betroffen sind.

Gedrückte Stimmung
Eine posttraumatische Belastungsstörung kann viele Facetten haben. Oft kapseln sich Betroffene von ihrem Umfeld ab. © DPA Images | Jonas Walzberg

Zu den häufigsten Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung gehören Albträume und sogenannte Flashbacks. Betroffene werden von Erinnerungen geplagt, die sie immer wieder in das belastende Ereignis zurückversetzen. Viele ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück, haben Schlafstörungen und empfinden eine ständige innere Anspannung. Manche Betroffene vermeiden konsequent alles, was sie an die traumatischen Erlebnisse erinnert – etwa bestimmte Orte, Geräusche, Gerüche oder Situationen.

Der Verlauf einer posttraumatischen Belastungsstörung und die Heilungschancen sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängen von zahlreichen Faktoren ab. Vielen Betroffenen hilft eine Kombination von Medikamenten und psychotherapeutischen Maßnahmen, um die belastenden Erinnerungen zu verarbeiten und ihre Lebensqualität zurückzugewinnen. Welche psychischen Auswirkungen die Flugzeugunglücke in Aserbaidschan und Südkorea auf die Überlebenden haben, ist heute noch nicht abzusehen.

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Was passiert mit Überlebenden einer Flugzeugkatastrophe?

Es gibt nur wenige wissenschaftliche Studien, die sich mit der Entstehung einer posttraumatischen Belastungsstörung bei Überlebenden von Flugzeugabstürzen befassen. Das liegt vor allem daran, dass bei solchen Katastrophen häufig alle Insassen ums Leben kommen. Dennoch gibt es immer wieder Überlebende, die mit den Folgen eines derart tragischen Ereignisses leben und lernen müssen, damit umzugehen.

In einer Studie aus dem Jahr 2015 untersuchte ein Forscherteam die Wahrscheinlichkeit einer PTBS und Depressionen bei den Überlebenden einer Flugzeugkatastrophe in den Niederlanden. Es wurden 121 erwachsene Überlebende zu ihren psychischen Symptomen befragt und die Ergebnisse in Bezug auf das Ausmaß ihrer körperlichen Verletzungen analysiert. Überraschenderweise zeigte die Studie, dass alle Überlebenden einem Risiko ausgesetzt waren, an PTBS oder Depression zu erkranken – unabhängig von der Schwere der erlittenen Verletzungen.

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In einer weiteren Studie, ebenfalls aus dem Jahr 2015, haben Wissenschaftler der Universität Uppsala in Stockholm die psychischen Symptome von etwa 100 Menschen analysiert, die eine Notlandung eines Flugzeugs überlebt hatten. In dieser Untersuchung zeigte sich, dass der Bildungsgrad und das Geschlecht eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von PTBS spielen können.

So gaben Frauen und Menschen mit geringer Bildung an, häufiger an schwerwiegenden Symptomen wie Zwangsgedanken oder Angstzuständen zu leiden. Laut den Wissenschaftlern könnte dies damit zusammenhängen, dass Menschen mit höherer Bildung meistens über mehr individuelle und soziale Ressourcen verfügen, die wie ein emotionaler Puffer wirken.

Zudem ergaben die Studienergebnisse, dass sich die Beschwerden in den ersten Monaten nach dem traumatischen Ereignis erheblich veränderten und im Verlauf der folgenden 19 Jahre schwächer oder vorhersehbarer wurden.

Auch Hinterbliebene können von PTBS betroffen sein

Nach dem Absturz der Maschine M17 in der Ukraine, bei dem 2014 alle 298 Insassen ums Leben kamen, untersuchte eine Studie aus dem Jahr 2017 die psychischen Folgen dieser Katastrophe für die Hinterbliebenen. Dabei zeigte sich, dass Betroffene neben PTBS, Depressionen und anhaltender Trauer auch ein Gefühl der „Unwirklichkeit“ verspürten. Der Verlust eines geliebten Menschen wurde oft verdrängt und als surreal bezeichnet, als hätte das Ereignis nicht stattgefunden.

Die Wissenschaftler betonen, dass die Aufarbeitung solcher traumatischen Verluste äußerst schwierig sein kann. Solche Ereignisse passen oft nicht zur eigenen Lebensrealität und lassen sich schwer in das eigene Leben einordnen. Bei Erinnerungen an das Geschehene erleben die Betroffenen immer wieder einen emotionalen Schock.

Der Weg zur Heilung: Ein Faktor ist von zentraler Bedeutung

Einer Studie aus dem Jahr 2013 zufolge gibt es bestimmte Faktoren, die die Bewältigung schwieriger Erfahrungen erleichtern können. So scheinen Menschen mit einem ausgeprägten Sinn für die Bedeutung des Lebens besser mit negativen Erfahrungen umgehen zu können. Sie sind oft in der Lage, belastende Situationen neu zu bewerten, ihre starken Emotionen zu regulieren und Resilienz zu entwickeln. Ähnliche Studien haben zudem gezeigt, dass ein starkes Gefühl von Lebenssinn auch das Risiko für Depressionen, Angst- und Stresszustände verringern kann.

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