Muan. Nach dem Flugzeugunglück ist die Trauer riesig. Noch wird über die Ursache gerätselt. Experten erklären, was passiert sein könnte.

Im Wartesaal des Flughafens Muan in Südkorea spielten sich am Sonntag furchtbare Szenen ab. „Mein Sohn, meine Schwiegertochter und mein Enkel waren alle im Flugzeug“, sagte die 64-jährige Choi Soon-ok gegenüber der südkoreanischen Tageszeitung „JoongAng Ilbo“. „Wie konnten sie auf diese Weise von uns gehen? Und nicht einfach eine, sondern alle drei?“ Es ist eine Frage, die sich so ähnlich sehr viele, vielleicht fast alle Menschen in Südkorea seit Sonntag stellen: Wie konnte diese Tragödie passieren?

Auch die Retter zeigten sich erschüttert: „Die Passagiere wurden aus dem Flugzeug geschleudert, nachdem es mit der Barriere kollidiert war, sodass die Überlebenschancen gering waren“, erklärte die Feuerwehr in Muan. Das Flugzeug wurde bei der Bruchlandung „fast vollständig zerstört“.

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Auf Fotos waren brennende Wrackteile und verkohlte Trümmer des zerstörten Flugzeugs sowie Löschfahrzeuge der Feuerwehr zu sehen. Feuerwehrleute suchten wenige Stunden nach dem Unglück lediglich noch nach Leichen. Suchtrupps bargen den Flugschreiber, der weitere Erkenntnisse liefern könnte.

Am Sonntagmorgen, um neun Uhr, stürzte eine Boeing-Maschine 737-800 der Billigfluglinie Jeju Air, aus Bangkok kommend, am Zielflughaben in Muan ab. Die Stadt, die sich 288 Kilometer südwestlich von der im Norden der Halbinsel gelegenen Hauptstadt Seoul befindet, wurde daraufhin zur Katastrophenzone erklärt.

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Am Abend südkoreanischer Zeit hieß es laut Medienberichten, dass von 181 Insassen nur zwei Menschen überlebt haben. Es soll sich um Crew-Mitglieder handeln. Eine gerettete Flugbegleiterin berichtete von Rauch, der aus der Turbine kam. Auch Augenzeugen am Boden sahen laut Yonhap Feuer an einer der Turbinen und hörten Knallgeräusche. Laut Experten handelt es sich um eines der schwersten Flugzeugunglücke seit Jahren. Bis auf zwei Thais waren die übrigen Mitreisenden aus Südkorea.

Experten zur Absturz-Ursache: Vogelschwarm ist nur eine der Erklärungen

Die Ursachen sind noch unklar, und es könnte Monate dauern, bis diese vollends bekannt sind. Wenige Minuten vorm Absturz warnte jedenfalls die Flugsicherung vor einem Vogelschwarm. Bei der missglückten Landung rutschte die Maschine über die Landebahn hinaus, kollidierte mit einer Wand. Allerdings haben Behörden auch schon erklärt, dass der Crash wohl mit Schäden in den Vorkehrungen für die Landung, wie etwa den Rädern, zusammenhänge.

Passagierflugzeug in Südkorea verunglückt
Bei der Landung am internationalen Flughafen von Muan in Südkorea ist ein Passagierflugzeug in Flammen aufgegangen. Nur zwei Menschen überlebten. © DPA Images | Uncredited

Erste Experteneinschätzungen deuten auf eine Kombination unglücklicher Umstände und Versagen hin. So erklärte Jeong Yun-sik, Professor für Luftfahrt an der Katholischen Kwandong-Universität gegenüber der Zeitung Chosun Ilbo: „Selbst wenn das Hydrauliksystem ausfällt, sollte es Hilfsvorrichtungen geben, aber deren Aktivierung dauert seine Zeit. Es dauerte weniger als drei bis vier Minuten, bis sich der Unfall ereignete, während die Aktivierung der Hilfsvorrichtung bis zu 15 Minuten dauern kann.“

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Zudem sagte Choi Gi-young, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik von der Inha-Universität: „Bei der Landung auf dem Rumpf hätte der Luftwiderstand durch die Nutzung der Flügel zum Abbremsen erhöht werden müssen, aber das ist auf den Aufnahmen nicht klar zu sehen.“ So deutet Choi die Lage: „Es scheint, dass es Probleme mit beiden Triebwerken gab, und wenn die Triebwerke nicht betriebsbereit sind, werden die Befehle des Piloten möglicherweise nicht vollständig übermittelt.“

Der US-Flugzeugbauer Boeing nahm laut Medienberichten nach dem Unfall Kontakt mit Jeju Air auf. Die südkoreanische Fluglinie veröffentlichte im Internet ein Entschuldigungsschreiben: „Wir entschuldigen uns zutiefst bei allen, die von dem Vorfall am Flughafen Muan betroffen sind.“ Das Unternehmen bedauere das entstandene Leid und werde alles daransetzen, das Unglück aufzuklären.

Warum die Flugzeugkatastrophe Südkorea jetzt besonders trifft

Die Katastrophe kommt für die Regierung zu einer besonders ungünstigen Unzeit. Denn seit einem knappen Monat erleidet Südkorea eine Staatskrise. Am 3. Dezember rief Yoon Suk-yeol, der mittlerweile seines Amtes enthoben wurde und vor einem Gerichtsprozess steht, das Kriegsrecht aus, wollte also offenbar eine Art Diktatur errichten. Im zuvor schon geteilten Parlament zeigt sich mittlerweile, dass das Land bis auf Weiteres unregierbar geworden ist.

Passagierflugzeug in Südkorea verunglückt
Ein nach einem Flugzeugabsturz gerettetes Opfer wird in ein Krankenhaus transportiert. © DPA Images | Cho Geun-young

So wurde letzten Freitag auch Yoons Nachfolger Han Duck-soo, der die Geschäfte des Präsidenten in einer Übergangsrolle übernommen hatte, durch das Parlament seines Amtes enthoben. Während der vorige Präsident Yoon Suk-yeol der konservativen People Power Party (PPP) angehört, hat im Parlament die liberale Oppositionsführerin Demokratische Partei (DP) die Mehrheit inne. Schon vor Yoons gescheiterter Kriegsrechtserklärung waren Kompromisse schwierig. Seitdem scheinen sie unmöglich.

Mit dem Flugzeugabsturz von Muan muss sich nun der neue Interimspräsident Choi Sang-mok federführend auseinandersetzen, der bis Freitag noch Finanzminister war. Die DP-geführte Opposition verkündete vergangene Woche, dass sie bereit sei, jederzeit auch den nächsten Interimspräsidenten aus dem Amt zu befördern. Ziel der DP ist es, die Staatskrise derart zu beheben, dass der Fall um Yoon geklärt und Neuwahlen eingeleitet werden.