Berlin. Nadia Brönimann ließ sich zur Frau umoperieren. Nun will sie wieder Mann sein. Das Leben als Frau war für sie ein täglicher Alptraum.

Nadia Brönimann (55) wurde vor knapp 30 Jahren von Christian zu Nadia. Seitdem galt sie als die bekannteste Transfrau der Schweiz. Die Fernsehsender rissen sich um Interviews mit ihr. Und wie sie da saß, mit leuchtend rotem langen Haar, fantastisch geschminkt und von einer entspannten Freundlichkeit – da sah Nadia nicht nur aus wie ein Star, sondern vor allem so, als ob sie ihren Lebenstraum wahr gemacht hat: endlich Frau sein. Dafür hatte sie Hormontherapien und Operationen zur Geschlechtsangleichung hinter sich gebracht. Nadia, das war ihr großes Glück. Doch es war ein Trugschluss. Nadia merkte, dass sie nicht in diese Frauenrolle passt. Dieses Gefühl wurde immer mehr zu einer Qual, so dass sie jetzt wieder als Mann leben will.

Laut Statistischem Bundesamt gab es in Deutschland 2021 bundesweit 2598 Operationen zur Genitalumwandlung. 2007 waren es erst 419. Diese Zahlen geben laut Deutscher Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti) allerdings kein vollständiges Bild wieder. Es seien viel mehr Menschen betroffen, längst nicht alle ließen sich operieren. Weil Nadia Brönimann ihr Ziel konsequent verfolgt hat, galt sie schnell auch über die Schweizer Grenze hinweg als Ikone der Trans-Bewegung. Doch nun erntet sie harsche Kritik, sogar Hass wird ihr entgegengebracht, weil sie nun Chris und nicht mehr Nadia sein will. Sie muss es ertragen, dass man sie als Verräterin abstempelt.

Lange galten Sie als Vorbild. Nun werden Sie zunehmend zur Zielscheibe von Anfeindungen. Wer greift Sie an?

Nadia Brönimann: Von älteren Menschen bekomme ich durchaus Zuspruch. Anders sieht es bei jungen Leuten aus der Aktivistenszene aus. Von denen, die um die zwanzig sind, bekomme ich regelmäßig Hasspost. Die Vorwürfe gehen total unter die Gürtellinie.

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Was wirft man Ihnen vor?

Brönimann: Ich sei rechtsradikal. Oder eine Missgeburt, so etwas schreiben die mir. Oder dass sich Transmenschen meinetwegen das Leben nehmen. Solche Sachen werden im Internet geäußert. Sowas würden sie einem ja nicht ins Gesicht sagen.

Nadia Brönimann warnt vor Hormonbehandlung in der Pubertät

Sie haben sich 1998 einer Geschlechtsangleichung unterzogen. Per Hormontherapie und Operation. Jetzt aber würden Sie lieber wieder als Mann leben und schwenken in Ihrer Meinung komplett um: Sie fordern öffentlich, dass Hormone zur Geschlechtsangleichung nicht an Minderjährige verschrieben werden dürfen, medizinische Eingriffe schon gar nicht.

Brönimann: Ja, ich bin absolut dagegen. Die körperliche Unversehrtheit ist das höchste Gut. Die pubertäre Phase ist doch die Zeit, sich zu entwickeln und zu erforschen. Diese Reise medizinisch zu beeinflussen, bedeutet einen abrupten Stopp der natürlichen Entwicklung. Damit raubt man den Jugendlichen ihre Pubertät. Es gibt doch ständig Berichte über die schlimmen Nebenwirkungen der geschlechtsangleichenden Hormontherapie.

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Sie haben sich aber damals für den Weg aus Hormonen und Operation entschieden.

Brönimann: Ich bereue, was ich meinem Körper angetan habe. Dass ich nicht auf ihn gehört habe, sondern Raubbau mit ihm betrieben habe. Dabei hat er mir immer wieder Signale gegeben, dass er gestresst ist, dass er überfordert ist. Aber ich habe mich immer weiter operieren lassen. Und Hormone genommen. Das tut mir heute wahnsinnig leid. Das war einfach die falsche Haltung.

Sie wollen wieder als Mann leben. Mit allen Mitteln? Also erneut Hormone einnehmen und dann auch noch neue Operationen durchführen lassen?

Brönimann: Nein, so eine Prozedur würde ich meinem Körper nicht noch einmal zumuten. Ich gehe den Weg der sozialen Detransition, das heißt, ich ziehe einfach lockerer Pullover über. Und eventuell nehme ich dann ein paar Hormone. Wenn, dann aber nur sanft und langsam. Aber ich würde mich doch jetzt nie komplett weiblich umoperieren lassen. Dann hätte ich ja nichts gelernt. Ich sehe das so: Ich habe jetzt den Körper, den ich habe. Und ich habe eine wahnsinnige Dankbarkeit diesem Organismus gegenüber, dem ich so viel zugemutet habe, und der dennoch so gut funktioniert.

Nadia Broenimann 
Das Leben als Frau empfand Nadia Brönimann zunehmend als Qual. © Instagram | @nbroenimann

Warum wollen Sie keine Frau mehr sein?

Brönimann: Das Weibliche war für mich ein ganz enges Korsett. Ich spürte einfach, dass ich diese Frau nicht war, die ich nach so vielen Operationen und Behandlungen rein äußerlich geworden war. Ich war nicht diese Nadia, aber auch nicht der Christian von damals. Ich war irgendwo dazwischen. Aber ich stand natürlich unter dem Druck, dieses Weibliche perfekt zu präsentieren. Das war eine furchtbar anstrengende Maskerade.

Transfrau Nadia stellte sich ständig die Frage: Bin ich genug Frau?

Was hat Sie zu dieser Maskerade gezwungen?

Brönimann: Man wurde bei allem massiv gesellschaftlich kontrolliert. Wehe, die Stimme war etwas zu dunkel, oder es sprossen doch mal wieder ein paar Haare zu viel, dann wurde sofort geredet. Man muss richtig geschminkt sein, sich richtig kleiden, richtig performen. Dieser tagtägliche Druck wurde für mich unerträglich. Ich war wirklich am Ende. Immer wieder diese Qual, die in diese Fragen mündete: Bin ich genug Frau? Oder können sie mich doch wieder als Mann enttarnen?

Ich muss aber sagen, dass es sehr viele Transfrauen gibt, die mit beiden Beinen auf der Erde stehen. Für sie war es genau die richtige Entscheidung und der richtige Weg zu ihrem Ich. Aber das war es nicht für mich. Es war damals eine Flucht vor mir selbst.

Das klingt nach starken inneren Konflikten.

Brönimann: Während meiner Zeit als Nadia hatte ich sehr schlimme Phasen. Ich vernachlässigte mich, schminkte mich nicht, kämmte mich nicht. Irgendwann bekam ich auch noch Panikattacken. Wenn ich in den Spiegel schaute, dachte ich nur: Ich bin nicht diese Frau. Ich fragte mich, warum ich mich so gehen lasse. Ich war doch immer gepflegt und Fashion-bewusst. Aber ich konnte es nicht mehr. Und da habe ich sogar einen Suizidversuch unternommen.

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Und irgendwann dann haben Sie eine neue Kraft entwickelt und umgedacht.

Brönimann: Im vierten Jahr dann hatte ich endlich den Mut, mich wieder aus dem Bild herauszukatapultieren. Natürlich wusste ich, dass die Leute denken werden, ich bin verrückt oder spinne. Aber das war mir auf einmal egal.

Nadia Brönimann: Diese Rolle spielte die Frisur beim Outing

Wie hat Ihre Umwelt davon erfahren?

Brönimann: Durch meine Frisur! Das ist ja das Verrückte, durch die Frisur ist das Ganze ja erst wirklich öffentlich geworden. Durch die Frisur! Das muss man sich mal vorstellen! Dabei hatte ich doch längst Signale gesetzt. Immer wieder hatte ich auf Social Media das Thema Detransition angesprochen. Aber es hat keiner bei mir wahrgenommen. Und dann bin ich zum Frisör, habe gesagt: „Einen kurzen Pixie-Cut, bitte“, und als ich das gepostet hatte, war die Hölle los.

Lieben Sie eigentlich Frauen oder Männer?

Brönimann: Ich stehe auf Männer. Es mag verrückt klingen, aber ich war eigentlich ein schwuler Mann. Das wäre meine Identität gewesen. Aber so weit war ich damals nicht. Ich war gar nicht im falschen Körper. Hätte ich an meiner Seele gearbeitet, wäre die Transition nicht nötig gewesen.