Teheran. Der Druck auf Irans Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad wächst. Hunderttausende gingen in Teheran auf die Straße, um seinem Rivalen Mir Hossein Mussawi zuzujubeln. Die Sicherheitskräfte reagierten mit Gewalt. Mindestens ein Demonstrant soll im Kugelhagel ums Leben gekommen sein.
Mehrere hunderttausend Anhänger des iranischen Reformkandidaten Mir Hossein Mussawi haben am Montag in Teheran trotz eines Demonstrationsverbots gegen das amtliche Ergebnis der Präsidentenwahl vom Freitag protestiert. In seinem ersten öffentlichen Auftritt seit der Wahl wandte sich der offiziell unterlegene Mussawi auf dem Asadi-Platz an die Menschenmenge, die sich über mehr als neun Kilometer erstreckte. Die offiziellen Sicherheitskräfte hielten sich zurück, dennoch wurde ein Demonstrant von Schüssen getötet.
Als sich die Menge nach Einbruch der Dunkelheit aufzulösen begann, versuchte eine Gruppe Demonstranten, das Gebäude einer mit den Revolutionsgarden in Verbindung stehenden Freiwilligenmiliz am Rand des Platzes in Brand zu stecken und zu stürmen. Daraufhin gaben Personen in dem Gebäude Schüsse auf die Demonstranten ab. Nach Angaben eines AP-Fotografen wurde ein Mensch getötet, mehrere weitere wurden schwer verletzt.
Chamenei ordnet Prüfung des Wahlergebnisses an
Das geistliche Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Chamenei ordnete unterdessen eine amtliche Überprüfung des Wahlergebnisses an. Eine ähnliche Überprüfung von Ahmadinedschads Wahlsieg 2005 durch den konservativen Wächterrat verlief ohne offizielles Ergebnis. Beobachter vermuten, dass Chamenei versuchen könnte, Zeit zu gewinnen, und auf ein Abflauen der Proteste hofft.
Zuvor hatte Mussawi eine Annullierung der Wahl gefordert. Auf einer seiner Wahlkampfseiten im Internet hieß es, dies sei der einzige Weg, das öffentliche Vertrauen in die Staatsorgane wiederherzustellen. Nachdem die Wahlkommission dem Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad einen Erdrutschsieg bei der Präsidentenwahl vom Freitag bescheinigt hatte, war es zu den schwersten Unruhen seit einem Jahrzehnt gekommen. Die Behörden waren deshalb darum bemüht, weitere Proteste im Keim zu ersticken. Ahmadinedschad verschob kurzfristig eine für Montag geplante Reise nach Russland.
Unbestätigter Bericht über Todesopfer in Schiras
Über Nacht war es in Teheran sowie in anderen iranischen Städten zu neuen Ausschreitungen gekommen. Auf einer von Mussawis Webseiten hieß es, in Schiras sei ein Student bei Zusammenstößen mit Milizionären in Zivilkleidung ums Leben gekommen. Eine unabhängige Bestätigung lag zunächst nicht vor. In Teheran stürmte die Polizei unterstützt von Milizionären den Campus der größten Universität und nahm Dutzende Demonstranten fest.
Rund 3.000 Stundenten versammelten sich auf den Dächern ihrer Wohnheime und schrien «Tod dem Diktator». Diesem Ruf schlossen sich tausende Menschen von Balkonen und Dächern in der ganzen Hauptstadt an. Damit erinnerte die Opposition symbolträchtig an die Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979, als die Bewohner auf Geheiß von Ayatollah Chomeini «Allahu Akbar» (Gott ist groß) von den Dächern riefen.
Bundesregierung und EU besorgt über Eskalation
Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die Verhaftungswellen bei den jüngsten Demonstrationen. Sie forderte am Montag in Berlin überdies eine «transparente Überprüfung» der Wahl. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ordnete die Einbestellung des iranischen Botschafters an. Er verurteilte das «brutale Vorgehen von Sicherheitskräften» gegen Demonstranten und ausländische Journalisten. Die französische Regierung bestellte ebenfalls den iranischen Botschafter ein. Die EU forderte eine umfassende Untersuchung der Manipulationsvorwürfe und der Gewalt nach der iranischen Präsidentschaftswahl. Auch das US-Außenministerium äußerte sich «zutiefst besorgt». UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die iranische Führung auf, bei der Überprüfung der Wahl den «echten Willen» des Volks zu respektieren. (ap)