Berlin. Außenminister Frank-Walter Steinmeier verlangt vom Iran, die Vorwürfe der Wahlfälschung umgehend aufzuklären. Weiter kritisiert er das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte bei den andauernden Demonstrationen im Iran. Medien beklagen massive Einschränkungen bei der Berichterstattung.
Die Europäische Union und die Bundesregierung haben sich angesichts der Berichte über Manipulationen bei der iranischen Präsidentschaftswahl und den gewaltsamen Ausschreitungen nach der Bekanntgabe des Endergebnisses sehr besorgt gezeigt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ordnete die Einbestellung des iranischen Botschafters an. Die Vorwürfe der Wahlfälschung müssten rückhaltlos aufgeklärt werden, forderte er. Die Proteste im Iran hielten unterdessen weiter an.
Steinmeier kritisierte das inakzeptable und «brutale Vorgehen» von Sicherheitskräften gegen Demonstranten. Dies werde auf das Schärfste verurteilt. «Wir schauen im Augenblick mit großer Sorge nach Teheran», sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in einem ZDF-Interview für das «heute journal». Es sei außerdem «nicht hinzunehmen, dass westlichen, auch deutschen Journalisten, nicht erlaubt wird, ihre Hotelzimmer zu verlassen und von ihrem Recht auf Berichterstattung Gebrauch zu machen».
Journalisten in Bedrängnis
Iranische Sicherheitskräfte hatten nach der Wahl die Arbeit ausländischer Berichterstatter behindert. Die Milizen hätten die von Präsident Mahmud Ahmadinedschad geäußerte Kritik an den «übertriebenen» Berichten über Ausschreitungen und Demonstrationen zum Anlass genommen, noch härter gegen Journalisten vorzugehen, berichtete ARD-Korrespondent Peter Mezger im Bayerischen Fernsehen. In seinem Büro sei ein «schwerbewaffneter Trupp von sechs Mann bewaffnet mit Knüppeln und Elektroschockgeräten» erschienen. Sie hätten einen Mitarbeiter Mezgers mitgenommen.
ARD und ZDF hatten am Sonntag in einem Schreiben an den iranischen Botschafter in Deutschland gegen «massive» Einschränkungen bei der Berichterstattung über die Präsidentenwahl protestiert.
Antrag auf Demonstration abgelehnt
Das iranische Innenministerium hat den Antrag des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir-Hossein Mussawi auf eine Demonstration gegen den Ausgang der Wahl am Montag in Teheran abgelehnt. Wie ein Ministeriumssprecher mitteilte, wurde jeder Protestmarsch und jede Versammlung untersagt. Anhänger Mussawis teilten unterdessen mit, dies schließe nicht aus, dass Gruppen von Demonstranten sich an verschiedenen Stellen der Hauptstadt sammeln könnten. Ursprünglich war ein friedlicher Marsch vom Enkelab- bis zum Asadi-Platz vorgesehen.
Mussawi hatte den Wächterrat am Sonntag aufgefordert, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom Freitag wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten für nicht gültig zu erklären. Schon vorher hatte der gemäßigte Konservative von einer «gefährlichen Inszenierung» eines Siegs des bisherigen ultrakonservativen Amtsinhabers Mahmud Ahmadinedschad gesprochen. In Teheran war die Polizei am Sonntag den zweiten Tag in Folge gewaltsam gegen Mussawi-Anhänger vorgegangen. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen.
In Teheran war es nach der Wahl vom Freitag zu den schwersten Unruhen seit zehn Jahren gekommen. Die Gegner des zum Sieger erklärten Amtsinhabers Mahmud Ahmadinedschad lieferten sich am Sonntag in Teheran den zweiten Tag in Folge Straßenschlachten mit der Polizei. Die Bereitschaftspolizei setzte Schlagstöcke und Tränengas gegen die Menge ein. Die Regierung ließ vorübergehend das Mobilfunknetz abschalten. Internet-Angebote, die den Reformkandidaten Mir Hossein Mussawi unterstützten, waren nicht zugänglich. Rund 170 Personen wurden nach Polizeiangaben festgenommen, darunter auch mehrere führende Reformer.
"Tod dem Diktator"
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Am Sonntagabend griff die Opposition zu einem hochsymbolischen Protestmittel. Tausende Anhänger Mussawis schrien nach Sonnenuntergang in der ganzen Hauptstadt von Balkonen und Dächern «Tod dem Diktator». Damit erinnerten die Oppositionsanhänger an die Zeit vor der Islamischen Revolution 1979, als die Menschen auf Geheiß von Ayatollah Ruhollah Chomeini «Allahu Akbar» (Gott ist groß) von den Dächern schrien. Dieser Protest einte die Menschen gegen die Monarchie des Schahs, der schon bald ins Exil flüchtete.
Mussawi forderte eine Annullierung der Wahl. Dies sei der einzige Weg, das öffentliche Vertrauen wiederherzustellen, erklärte der Reformpolitiker auf einer seiner Wahlkampfseiten im Internet. Der 67-jährige ehemalige Ministerpräsident rief seine Anhänger auf, ihren Protest fortzusetzen. In der Öffentlichkeit wurde Mussawi seit einer Pressekonferenz kurz nach Schließung der Wahllokale nicht gesehen.
Ahmdindschad bestreitet Wahlbetrug
Ahmadinedschad wies Vorwürfe des Wahlbetrugs zurück. Er bezeichnete die Proteste als «nicht wichtig» und verglich sie mit der Reaktion enttäuschter Fans nach einem Fußballspiel. «Manche dachten, sie würden gewinnen und dann sind sie ärgerlich geworden.»
Nach der Bekanntgabe des amtlichen Ergebnisses, wonach Ahmadinedschad einen Erdrutschsieg errungen hatte, brachen am Samstag gewaltsame Proteste aus. Busse und Autos gingen in Flammen auf, Reifen und Mülltonnen wurden in Brand gesteckt.
Polenz fordert direkte Verhandlungen
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), warnt nach der Wiederwahl des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad davor, das Dialogangebot der USA und der EU an das Regime in Teheran zu verwässern oder aufzugeben.
In der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Montagausgabe) forderte der CDU-Außenpolitiker: «Washington muss mit Teheran direkte Verhandlungen aufnehmen.» Polenz äußerte die Befürchtung, dass die Befürworter im Westen von Gesprächen ohne Vorbedingungen, wie sie US-Präsident Barack Obama vorgeschlagen hat, nun unter Druck geraten könnten. Die aufkeimende Forderung «Mit jemanden wie Ahmadinedschad darf man nicht reden» halte er aber für unberechtigt, da sie «die Funktion des Präsidenten überbewertet».
Die Iraner «durften bei dieser arrangierten und nicht demokratischen Wahl keineswegs über den mächtigsten Mann im Land abstimmen, denn dies ist der geistige Führer Ayatollah Ali Chamenei. Vor allem in der Außen-, Sicherheits- und Atompolitik hat Chamenei das Sagen und nicht der gewählte Präsident, wer auch immer das ist», betonte Polenz. «Wir sollten daher nicht auf einzelne Personen wie Ahmadinedschad unser Augenmerk legen, sondern uns daran orientieren, ob sich das iranische System substanziell in Fragen wie der Nuklearpolitik ändert.» Der Westen sollte am «umfassenden Angebot der Zusammenarbeit" mit Teheran im wirtschaftlichen, kulturellen und energiepolitischen Bereich festhalten, forderte Polenz.