Dresden. In seiner Abschiedsrede ersparte sich der scheidende SPD-Chef eine scharfe Selbstkritik - aber auch die Rechthaberei. Die Niederlage seiner Partei wird sozialisiert, und er richtete den Blick nach vorn. Damit gibt er dem Parteitag die Richtung vor. Dafür erntete er minutenlangen Beifall.

Aufatmen bei der SPD: In seiner Abschiedsrede richtete der scheidende Vorsitzende Franz Müntefering den Blick nach vorn. "Die Idee stimmt", rief er gestern den 480 Delegierten des SPD-Parteitages in Dresden zu. Die SPD habe Ausdauer. "Wir kommen wieder", machte er ihnen Mut. Auf Rechthaberei verzichtete er. Selbstkritik übte er, aber bitte: in der Wir-Form. Mit dem Auftritt - nachdenklich, erklärend, rücksichtsvoll - gab der Parteichef den Ton vor. Die Reizvokabeln - "Rente mit 67" und die "Agenda 2010" - mied er und ging auf die Themen betont sachlich ein; über weite Strecken redete er allerdings um den heißen Brei herum. Die erwartete oder befürchtete Abrechnung mit der Partei blieb aus. Die Delegierten blieben "Münte" den Respekt nicht schuldig. Die meisten erhoben sich von ihren Sitzen und applaudierten ihm minutenlang.

Kein Feindbild - aber uninteressant

Die Dimension der Niederlage vom 27. September, so "Münte", sei erschreckend. "Wir waren kein Feindbild. Aber wir waren nicht interessant." Die SPD sei für zu viele Wähler eine Partei "von gestern" gewesen, "aus der Mode." Für die Aufsteiger nicht sexy genug, für die Absteiger keine sichere Bank. Müntefering ist sich nicht ganz sicher, ob es nur an der SPD lag oder ob die Volksparteien generell aus der Zeit gefallen sind. Für ihn ist es "eine offene Frage." Über die nächste Generation, die im folgt, verlor er kein persönliches Wort. Aber er gab den Genossen auf den Weg, bei der Analyse der Wahlniederlage den allzu einfachen Erklärungsmustern, "dem kleinen Karo", Neid und Missgunst zu widerstehen. Bis Sonntag will die SPD sich eine neue Führung wählen und den Anstoß für die Aufarbeitung der Wahlpleite geben. Nächstes Jahr wollen die Genossen Bilanz und Konsequenzen ziehen.