Dresden. Er galt als harter Hund - auch gegen sich selbst: Franz Müntefeing hat einen langen Weg in der SPD zurückgelegt. Er hat der SPD und der Politik seinen Stempel aufgedrückt. Vor allem die Rente mit 67 geht auf seine Kappe: Die hat er durchgesetzt, aber zuwenig erklärt.

Der Herr duscht gern kalt. Er zählt bis zehn, erst dann mischt er warmes Wasser dazu. So ist Franz Müntefering: hart gegen sich selbst, hart auch gegen andere. "Nur die Harten kommen in den Garten", pflegte er gern zu sagen. Nun verlässt der SPD-Chef die große Bühne.

Er kommt etwas früher in die Fossiliensammlung der SPD, als ihm lieb sein kann. Er hat viele Verdienste. Er hat aber einen klassischen Fehler begangen: Auch "Münte", wie sie ihn in der SPD nennen, hat den richtigen Zeitpunkt für seinen Absprung verpasst. Spätestens seit Juni, seit der Europawahl, wusste er, wem die Stunde geschlagen hatte - und war ratlos. Wenn er erzählt, seine Partei sei für die Wähler "aus der Mode" geraten, dann wirkt der Vorsitzende erst recht wie aus der Zeit gefallen.

Strittiges hat er nur mit sich ausgemacht

Viele nennen Müntefering einen "autoritären Knochen". Er selbst kann darüber nur lachen. So empfindet er sich nicht selbst. Wahr ist allerdings, dass der wortkarge Sauerländer das bisschen Diskussion meist mit sich selbst ausgemacht hat. Wenn Gerhard Schröder der Basta-Kanzler war, dann hat Franz Müntefering in der SPD zumindest das Prinzip "Vogel, friss oder stirb" durchgesetzt. Die umstrittenen Reformen hat er zu wenig erklärt. Die Folgen. Ein kollektives Missverständnis: Er bedrängte die Partei - und sie wiederum verdrängte "Agenda 2010" und "Rente mit 67".

Frei von Heuchelei ist er nicht: Im Umgang mit Vorgänger Kurt Beck galt das Faustrecht, das Müntefering sonst gern geißelt. Die Vorabsprachen in den verschiedenen SPD-Flügeln kritisiert er. Aber dass manche ein Doppelleben führten, lag auch daran, dass offene Kritik in der Müntefering-Ära schwer fiel.

Bis Mitte der 90er Jahre war der Mann nur in der NRW-SPD ein Machtfaktor. In Bonn war er als Abgeordneter ein Leisetreter. Das änderte sich, als er 1995 Manager und später Parteichef der SPD wurde. Er hatte großen Anteil an den Wahlerfolgen 1998 und 2002 sowie 2005 am Zustandekommen der großen Koalition. Müntefering hat einen weiten Weg zurückgelegt und immer an sich gearbeitet. Er ist der Prototyp eines Autodidakten - und ein typischer Spätzunder.

Seine beste Zeit erlebte er an der Seite Schröders - als sein Korrektiv. Müntefering "konnte Partei", anders als der Kanzler. Als Verkehrsminister der rot-grünen Regierung hat er kaum Weichen gestellt, als Sozial- und Arbeitsminister der großen Koalition umso mehr. Wenn es ein Projekt gibt, das man mit seinem Namen verdient, ist es die vermaledeite Rente mit 67. Bis heute ist Müntefering davon überzeugt. Sein größer Fehler fällt auch in die Zeit der großen Koalition: Er hat Angela Merkel unterschätzt und die SPD-Schlagkraft überschätzt.

Nun wird er mehr Zeit fürs Private mit seiner jungen Lebenspartnerin haben. Seit Monaten wird ihm allerdings auch Interesse an den Vorsitz der Friedrich-Ebert-Stiftung nachgesagt - als Altersposten. Allerdings hat er im früheren Verteidigungsminister Peter Struck einen Konkurrenten, der - gelernt ist gelernt -, diese Rolle generalstabsmäßig anpeilt. Dem Bundestag bleibt Franz Müntefering freilich mindestens vier weitere Jahre erhalten.