Berlin. Die Liberalen pochen in den Koalitionsverhandlungen auf die Abschaffung von Hartz IV, heißt es in einem Medienbericht. Ersatz soll ein "leistungsfreundlicheres und arbeitsplatzschaffendes Bürgergeld" sein. Auch die Möglichkeit zur Online-Durchsuchung soll schon bald Vergangenheit sein.
Die FDP will in den Koalitionsverhandlungen mit der Union an ihrer Wahlkampf-Forderung nach Abschaffung von Hartz IV zugunsten eines Bürgergelds festhalten. Der als neuer Finanzminister gehandelte Hermann Otto Solms verwies in der «Welt» darauf, dass es auch in der Union Befürworter eines solchen Systemwechsels in der Sozialpolitik gebe. «Wir wollen Hartz IV durch ein leistungsfreundlicheres und arbeitsplatzschaffendes Bürgergeld ersetzen», bekräftigte Solms.
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Die Einführung eines Bürgergelds hätte nach den Plänen der FDP zur Folge, dass alle steuerfinanzierten Sozialleistungen zusammengefasst werden. Dazu zählt die Partei das Arbeitslosengeld II einschließlich der Leistungen für Wohnen und Heizung, das Sozialgeld, die Grundsicherung im Alter, die Sozialhilfe, der Kinderzuschlag und das Wohngeld.
«Die Leistungen werden beim Bürgergeld grundsätzlich pauschaliert gewährt und von einer einzigen Behörde, dem Finanzamt, verwaltet», heißt es im FDP-Wahlprogramm. Die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit solle mit dem Bürgergeld «stärker gefördert und anerkannt» werden als bisher. Bei Ablehnung einer zumutbaren Arbeit soll das Bürgergeld gekürzt werden.
Solms verspricht sich von der Reform weniger Bürokratie, eine geringere Missbrauchsquote sowie stärkere Anreize zur Arbeitsaufnahme. «Mit dem Bürgergeld können die Betroffenen ein jeweils höheres Nettoeinkommen erzielen», sagte er.
Liberale wollen Online-Durchsuchung abschaffen
Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn hat gefordert, dass im Rahmen der Koalitionsverhandlungen das Gesetz über die Kompetenzen des Bundeskriminalamts «zurückgedreht» wird. «Wir möchten das System wieder umdrehen. In letzter Zeit hat der Staat die Bürger unter Generalverdacht gestellt und in ihre Rechte eingegriffen, indem er sie abgehört oder ihre Computer ausgespäht hat. Wir wollen nicht, dass es Angriffe auf Privat-PC gibt«, sagte Hahn der »Frankfurter Rundschau«.
Verärgert reagierte der FDP-Politiker auf Ankündigungen aus der Union, bei derartigen Themen keine Zugeständnisse machen zu wollen. «Ich habe das Gefühl, dass die Kollegen der Union in den letzten Jahrzehnten keine Koalitionsverhandlungen mehr geführt haben. Sie können nur verlieren. Verhandlungen bedeuten, dass jeder auf dem Weg zum Kompromiss von seinen Positionen abgeben muss», sagte er.
Der FDP-Politiker Jörg-Uwe Hahn ist Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident von Hessen. In den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene gehört er der Arbeitsgruppe Innen und Recht an.
FDP setzt weiter auf Veränderungen im Gesundheitsfonds
Die FDP setzt nach der ersten Koalitions-Verhandlungsrunde von Union und Liberalen weiter auf Veränderungen im Gesundheitsfonds. «Wir suchen nach einem Weg, damit wir Wahlfreiheit bei Therapie und Arzt sowie Bezahlbarkeit des Gesundheitssystems wieder zusammenbringen», sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart dem ARD-«Nachtjournal» am Dienstagmorgen in Berlin. Der Gesundheitsfonds, wie ihn die große Koalition aufgelegt hat, sei dazu nicht geeignet. «Jetzt geht es in den Arbeitsgruppen darum, eine bessere Lösung gemeinsam zu erarbeiten», fügte er hinzu.
Die erste Verhandlungsrunde habe in einer sehr offenen, entspannten und gleichzeit engagiert konzentrierten Atmosphäre stattgefunden. «Das zeigt, dass hier zwei Seiten zusammengekommen sind, die keinen kleinen gemeinsamen Nenner suchen, sondern die wirklich zu den großen Problemen unseres Landes auch große Lösugnen erarbeiten wollen», sagte Pinkwart.
Deutliche Einsparungen im Bundeshaushalt
Die FDP will in den Koalitionsverhandlungen mit der Union deutliche Einsparungen im Bundeshaushalt erreichen. «Auch die CDU wird sehr schnell erkennen, dass der einzige Weg aus der Krise über eine Steuerreform und eine intelligente Ausgabenprüfung führt», sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Otto Fricke, laut «Bild»-Zeitung. «Nur so werden Wachstum und Beschäftigung möglich und sichern langfristig unsere Finanzen.» Die Haushaltspolitik der Großen Koalition habe im Ergebnis «schwarze Löcher» und «rote Zahlen» gebracht.
Unterstützung kommt vom Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans-Heinrich Driftmann. «Nur eiserne Haushaltsdisziplin ermöglicht die notwendigen Reformen, die wir für Wachstum und Beschäftigung jetzt brauchen», sagte er. «Alle staatlichen Ausgaben gehören auf den Prüfstand.» Steuersenkungen und knappe Kassen seien kein Widerspruch.
Koalitionsverhandlungen werden auf Fachebene fortgesetzt
Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP werden heute mit den ersten Arbeitsgruppensitzungen fortgesetzt. Zehn Themenbereiche von der Steuer- bis zur Außenpolitik werden nun zunächst von den Fachleuten erörtert. Die nächste Spitzenrunde soll am Donnerstag stattfinden.
Nach der ersten Verhandlungsrunde hatten sich beide Seiten am Montagabend zuversichtlich gezeigt, dass eine zügige Einigung möglich ist. Bisher sind die Gespräche bis zum 18. Oktober terminiert. Die Kabinettsvereidigung könnte bereits in der konstituierenden Sitzung des Bundestags noch vor Ende des Monats erfolgen. Bundeskanzlerin Angela Merkel will spätestens bis zum 9. November, dem 20. Jahrestag des Mauerfalls, fertig werden. (ap/ddp)