Berlin. Mit der Harmonie ist's vorbei. Union und FDP streiten über den Umbau der Sozialsysteme. Die Liberalen wollen Hartz IV abschaffen, CDU und CSU sind strikt dagegen. "Wir halten vom Bürgergeld gar nichts", sagt CDU-Generalsekretär Pofalla. Auch NRW-Ministerpräsident Rüttgers schaltet sich ein.

Bereits zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen ist zwischen Union und FDP ein Streit um den Umbau der Sozialsysteme entbrannt. Während die Liberalen die Abschaffung von Hartz IV und statt dessen die Einführung eines Bürgergeldes forderten, lehnten CDU und CSU dies am Dienstag strikt ab. Einen Tag nach dem offiziellen Auftakt der Koalitionsverhandlungen nahmen in der Hauptstadt die Arbeitgruppen ihre Arbeit auf. Die Gespräche sollen möglicherweise schon am 18. Oktober beendet sein.

Zum Thema Bürgergeld sagte der FDP-Politiker Hermann Otto Solms, seine Partei wolle «Hartz IV durch ein leistungsfreundlicheres und arbeitsplatzschaffendes Bürgergeld ersetzen». Die Einführung eines Bürgergelds hätte nach den Plänen der FDP zur Folge, dass alle steuerfinanzierten Sozialleistungen zusammengefasst werden. Dazu zählt die Partei das Arbeitslosengeld II einschließlich der Leistungen für Wohnen und Heizung, das Sozialgeld, die Grundsicherung im Alter, die Sozialhilfe, der Kinderzuschlag und das Wohngeld.

Pofalla: "Wir halten von der Bürgergeld-Idee gar nichts"

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wies die Forderung nach einem Bürgergeld umgehend zurück. «Um es deutlich zu sagen: Wir halten von der Bürgergeld-Idee gar nichts, weil wir der festen Überzeugung sind, dass das System, das jetzt geschaffen worden ist, natürlich ausgebaut werden muss und dass Fehler behoben werden müssen», sagte er auf N24. Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer erteilte dem Ansinnen im ZDF-Morgenmagazin eine klare Absage.

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte am Dienstag mit Blick auf die Forderungen der FDP nach Abschaffung von Hartz IV: «Da braucht sich keiner Sorgen zu machen. Da ist allenfalls der Versuch auf der Tagesordnung, massive Gerechtigkeitslücken zu beseitigen.»

Nachgebessert werden müsse etwa in der Frage des Schonvermögens bei Hartz-IV-Empfängern, sagte Rüttgers. Wenn Leute, die für das Alter vorgesorgt hätte, plötzlich genauso dastünden wie die, die alles durchgebracht hätten, werde dies von den Menschen nicht als gerecht empfunden. Nordrhein-Westfalen werde sich in den Koalitionsverhandlungen als Garant der sozialen Gerechtigkeit verstehen, versprach Rüttgers, der Landtagswahlen im Mai nächsten Jahres entgegensieht.

"Alle staatlichen Ausgaben gehören auf den Prüfstand"

Die FDP will in den Koalitionsverhandlungen mit der Union außerdem deutliche Einsparungen im Bundeshaushalt erreichen. «Auch die CDU wird sehr schnell erkennen, dass der einzige Weg aus der Krise über eine Steuerreform und eine intelligente Ausgabenprüfung führt», sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Otto Fricke, laut «Bild»-Zeitung.

Unterstützung kam vom Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans-Heinrich Driftmann. «Nur eiserne Haushaltsdisziplin ermöglicht die notwendigen Reformen, die wir für Wachstum und Beschäftigung jetzt brauchen», sagte er. «Alle staatlichen Ausgaben gehören auf den Prüfstand.»

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Dennis Snower, warnte die neue Bundesregierung vor strikten Ausgabenkürzungen. «Derzeit ist ein Sparkurs nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft», sagte Snower der «Rheinischen Post». Es bestehe die Gefahr, dass ein zu rigider Sparkurs die noch immer schwache Konjunktur abwürge.

Zehn Arbeitsgruppen

Union und FDP haben zehn Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich um die Details für den neuen Koalitionsvertrag kümmern sollen. Beide Seiten hatten sich am Montagabend zuversichtlich gezeigt, dass eine zügige Einigung möglich ist.

Bisher sind die Gespräche bis zum 18. Oktober terminiert. Die Kabinettsvereidigung könnte bereits in der konstituierenden Sitzung des Bundestags noch vor Ende des Monats erfolgen. Bundeskanzlerin Angela Merkel will spätestens bis zum 9. November, dem 20. Jahrestag des Mauerfalls, fertig werden. (ap)