Berlin. Noch vor dem Start der Koalitionsverhandlungen für eine schwarz-gelbe Regierung kristallisieren sich die dringensten Themen heraus. So müssen die Hartz-IV-Behörden umgebaut werden. Zehntausende Mitarbeiter hängen hier seit Monaten in der Luft.

Essen. Was alles nicht geht, wurde von Union und FDP vor den Koalitionsverhandlungen ausgiebig erörtert. Was gehen muss, ist ein Umbau der Arbeitsverwaltung. Die Jobcenter für Langzeitarbeitslose sind verfassungswidrig und müssen neu geordnet werden. Auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit ihren 100 000 Mitarbeitern wüsste gern, wie es weitergeht. Denn sie ist das erklärte Feindbild der FDP.

Die Liberalen fordern immerhin ihre Auflösung. Die Behörde ist für sie so etwas wie der Archetyp einer Monster-Bürokratie. Für Generalsekretär Dirk Niebel ist die BA auch eine sehr persönliche Angelegenheit. Er ist freigestellter BA-Mitarbeiter und liegt seit 1994 mit seinem Dienstherrn im Dauerstreit. Damals musste Niebel im Bundestagswahlkampf unbezahlten Urlaub gegen seinen Willen nehmen.

Zu den wenigen Punkten, die Niebel für die Koalitionsverhandlungen gesetzt hat, gehört das Schleifen der BA. Aber: Niebel sprach zuletzt nur noch von „Neuordnung”, nicht mehr von Abschaffung der Behörde. Dafür hatte die Union wohl zu deutlich eine funktionierende Bundesagentur für „unverzichtbar” erklärt.

15.000 befristete Verträge

Unaufschiebbar ist der Umbau der Hartz-IV-Behörden, in denen sich BA und Städte gemeinsam um Langzeitarbeitslose und deren Familien kümmern – 6,5 Millionen Menschen. Diese Mischform hat das Verfassungsgericht kassiert und ihr als Verfallsdatum Ende 2010 aufgestempelt. Weil die Große Koalition trotz Einigung ihrer Experten keine Reform zustande brachte, läuft den Jobcentern die Zeit davon. Rund 15 000 ihrer Mitarbeiter haben Verträge, die bis 2010 befristet sind. Sie laufen bereits in Scharen davon. Den Jobcentern drohen mitten in der Krise Personalengpässe.

Deshalb meldete sich BA-Chef Frank-Jürgen Weise vor Beginn der Koalitionsverhandlungen sogar via Boulevard zu Wort, was sonst nicht seine Art ist. Ohne eine Neuregelung seien die Alg-II-Bescheide ab 2011 nicht mehr rechtsgültig, sagte er der „Bild”. Die BA brauche erheblichen Vorlauf: „Wir müssen noch in diesem Jahr wissen, wohin die Reise geht, um die Betreuung der Hartz-IV-Empfänger sicherzustellen.”

Die Verunsicherung in den Jobcentern ist riesig. Nach vier Jahren läuft es endlich einigermaßen: Die kommunalen Mitarbeiter bringen Erfahrung in Sachen Wohnkosten, Jugend- und Sozialhilfe mit, die BA-Mitarbeiter sind Profis für Geldfragen und Vermittlung. NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) und Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) wollten deshalb das Miteinander fortführen und dafür die Verfassung ändern. Das scheiterte am Widerstand der Unions-Fraktion.

Kräftig umkrempeln

Die FDP lehnt es ohnehin ab, die Verfassung einem misslungenen Gesetz anzupassen. Also läuft es darauf hinaus, dass Liberale und Union die Hartz-Behörden tatsächlich kräftig umkrempeln. Im Grunde sind sie sich einig, dass die Kommunen am besten für die Betreuung der Langzeitarbeitslosen geeignet sind.

Niedersachsens Arbeitsminister Philip Rösler (FDP) gab bereits den Rat, vorsorglich neue Räume zu suchen, um sich auf ein Ende der Mischverwaltung einzustellen. Auch er mahnte zur Eile, damit nicht noch mehr wertvolle Mitarbeiter das Weite suchen.

Doch auch ein Alleingang der Kommunen, den 69 Städte bereits proben, ginge kaum ohne Verfassungsänderung. Schließlich kommt das Geld für die Langzeitarbeitslosen zum Großteil vom Bund. Die Vermischung der Zuständigkeiten war der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe geschuldet. Und die stellt keine Partei in Frage.

Ihre ganz große Vision werden die Liberalen kaum mehr verfolgen: Die Ablösung von Hartz IV durch ein Bürgergeld. Das hätte in etwa die Höhe des jetzigen Arbeitslosengeldes II und der Wohn- und Heizkosten zusammen – und würde von den Finanzämtern ausgezahlt und verwaltet. Für den Moment wäre das wohl eine Behördenreform zuviel.