Witten. Mit medizinischen Verbrechen der Nazis haben sich Wittener Studenten beschäftigt. Dafür reisten sie ins ehemalige Konzentrationslager Auschwitz.
Henning Jesper, Medizinstudent im neunten Semester, hat an einer Exkursion nach Auschwitz teilgenommen. Für ihn war es besonders verstörend, wie viele Erkenntnisse in der heutigen Medizin durch grausame Versuche der Nationalsozialisten zustande gekommen seien. Beispielsweise im Bereich der Sterilisation. „Wir haben Block 10 in Auschwitz besichtigt, der eigentlich nicht zugänglich ist. Hier wurden die grausamen Zwangsoperationen durchgeführt.“, sagt der 27-Jährige.

Wittener starben in Auschwitz
Andrea Witowski, Medizinstudentin und Mitorganisatorin des Curriculums „Ärztliche Bewusstseinsbildung und Ethik“, war schon zweimal in dem ehemaligen Konzentrationslager. „Aber beim ersten Mal habe ich mich weniger intensiv damit auseinandergesetzt. Dieses Mal wollte ich auch etwas von und nach Witten mitnehmen.“ Vor der Reise nach Polen stieß sie durch Zufall auf einen der Stolpersteine, die in Witten liegen und an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.
Auf einer der Messingplatten stand der Name Fritz Rosenbaum, der 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Der Name brannte sich in Andreas Gedächtnis ein. „In Auschwitz sah ich ihn dann auf einer der Gedenktafeln neben vielen hundert anderen Namen stehen“, so die 25-Jährige. Was sie dann gefühlt habe? „Dass Auschwitz nicht so weit weg ist, wie wir immer denken. Wittener sind in Auschwitz umgebracht worden. Sie liefen hier durch diese Straßen, so wie wir heute.“
Gerade deswegen ist es der Studentin so wichtig, die gewonnenen Erkenntnisse mit anderen Wittenern zu teilen. Dazu diente eine Präsentation am Freitag (1.11.) unter dem Titel „Lehren von Auschwitz“ mit Fotos, Informationstafeln und individuell angefertigten Plakaten. Dabei ging es gar nicht nur um Medizin. „Denn die Medizin ist nicht losgelöst von all den anderen grausamen, gesellschaftlichen Ereignissen, an die wir uns nach wie vor erinnern müssen“, sagt Andrea Witowski.

Ärzte in Machenschaften der Nazis verstrickt
„Diese Erkenntnisse, die wir bis jetzt gesammelt haben, sollten nicht wieder verloren gehen. Deswegen haben wir die Ausstellung konzipiert“, sagt Diethard Tauschel. Er leitet das Integrative Begleitstudium Antroposophische Medizin (IBAM) an der Uni Witten/Herdecke und hat das auf drei Jahre angelegte Curriculum mit Psychologe Peter Selg organisiert. Selg lehrt medizinische Antrophologie und Ethik. Die Exkursion war der erste Teil.
Gerade für angehende Ärzte und Psychologen sei es wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, sagt Tauschel. „Denn es gibt keine andere Berufsgruppe, die so sehr in die Machenschaften der NSDAP verstrickt war wie Ärzte. Deswegen ist es wichtig, in der Gegenwart Verantwortung zu übernehmen, damit so etwas nicht mehr passiert.“