Witten. Seit einem Jahr ist Lars König (CDU) Bürgermeister von Witten. Welche Bilanz der Politiker zieht und wie sich sein Leben verändert hat.
Mehr als ein Jahr ist seit dem Sensationssieg von Lars König (CDU) bei der letzten Bürgermeisterwahl in Witten vergangen. Seit dem 1. November 2020 steht nach Jahrzehnten unter SPD-Führung erstmals ein Christdemokrat an der Spitze der Ruhrstadt. Über sein erstes Jahr im Amt, Herausforderungen und Veränderungen sprach der 50-Jährige mit Redakteurin Stephanie Heske.
Wie haben Sie die vergangenen zwölf Monate erlebt?
Es war in vielerlei Hinsicht ein besonderes Jahr. Ich bin ja mitten in der Pandemie gestartet. Das hat zum Beispiel das Kennenlernen der Mitarbeiter erschwert– einfach, weil viele von ihnen noch im Homeoffice waren. Von Dezember bis März saß auch meine Tochter in der Zeit der Schulschließung jeden Tag bei mir im Büro am Schreibtisch. Das hat so manches Gespräch aufgelockert.
Dann folgte im Februar der harte Wintereinbruch, im Juli dann das katastrophale Hochwasser und nun ganz aktuell die Cyber-Attacke. Die Rahmenbedingungen waren schwierig, aber ich habe gute Dezernenten an der Seite, ein gutes Team. Nur so kann es funktionieren.
Sie saßen viele Jahre im Rat, waren stellvertretender Bürgermeister. Ist das Amt denn so, wie sie es sich vorgestellt haben?
Bürgermeister zu sein ist sehr herausfordernd, es umfasst sehr viele Themen. Aber man kommt auch mit sehr vielen Menschen in Kontakt und das bereichert. Ich mag Menschen. Man vernetzt, verknüpft. Das macht Spaß, ist aber auch fordernd – sowohl zeitlich als auch nervlich.
Wie ist das denn mit der Vereinbarkeit in Ihrem Amt? Stöhnt Ihre Familie schon, weil sie Sie nicht mehr zu Gesicht bekommt?
Nein. Ich war schon immer sehr aktiv und viel unterwegs. Meine Tochter und Lebensgefährtin kennen mich als vielbeschäftigten Menschen. Meine Tochter kommt auch jeden Mittag nach der Schule vorbei, sie geht da ganz unbekümmert mit um. Und sie begleitet mich auch gerne auf Veranstaltungen. Ich persönlich finde es aber schade, wenn ich es mehrere Abende hintereinander nicht rechtzeitig nach Hause schaffe, um etwa noch gemeinsam zu lesen.
Können Sie noch einkaufen gehen ohne angesprochen zu werden?
Ich bewege mich frei in der Stadt. Und werde dabei oft angesprochen. Da kann es um persönliche Probleme gehen, manche wollen auch eine Anregung loswerden, andere nur ihren Frust. Und oft werde ich nach einem gemeinsamen Selfie gefragt. Wann immer es möglich ist, nehme ich mir die Zeit. Ich kann aus solchen Gesprächen eigentlich immer irgendetwas mitnehmen, vielleicht sogar eine neue Perspektive.
Welche Bilanz Ihrer bisherigen Tätigkeit ziehen Sie für sich?
Wir sind in der Kultur des Miteinanders und der Kommunikation vorangekommen. Sowohl innerhalb der Verwaltung, als auch zu den Fraktionen im Rat. Jeder Mitarbeiter im Rathaus soll wissen und spüren, dass er in seiner Funktion wichtig ist. Aber auch der Austausch mit den Bürgern liegt mir am Herzen, da pflege ich einen engen Austausch. Ich sehe das so: Ich bin einer von 98.000. Wir sitzen hier nicht im Elfenbeinturm. Mein grundlegender Ansatz ist es, mich als Bürgermeister nicht zu wichtig zu nehmen, sondern im Dialog zu sein. Meine Aufgabe ist es zuzuhören und zu gestalten, was die Menschen für wichtig halten.
Welche eigenen Akzente möchten Sie als Bürgermeister setzen?
Wir müssen aus dem, was bereits gemeinsam geplant und beschlossen wurde, das Beste herausholen und umsetzen. Das mag unspektakulär klingen, ist aber seriös. Manchmal ist es schwierig auszuhalten, dass es Beschlüsse gibt, die die Arbeit für die nächsten Jahre binden. Da kann man gar nicht so viele Akzente setzen. Mir sind aber generell keine Leuchtturm-Projekte wichtig, sondern dass das Wir-Gefühl in der Stadt vorankommt.
Vor allem die Pandemie hat ein riesiges Loch in die Stadtkasse gerissen. Was bedeutet das für anstehende Projekte?
Die Corona-Kosten werden wir über die nächsten 50 Jahre abschreiben müssen. Wir müssen jetzt gemeinsam definieren, was wichtig ist und was warten muss. Intensiv besprechen müssen wir zum Beispiel das Schulsanierungsprogramm, das ja noch bis 2028 läuft. Auch die Explosion der Baukosten wird sich da auf unseren Gestaltungsspielraum auswirken. Wir müssen uns darauf beschränken, den Bestand zu sichern und vernünftige Umstände zu bieten. Die beschlossenen Straßensanierungen wie etwa an der Sprockhöveler Straße werden aber definitiv kommen.
Sie haben auch ein besseres Baustellenmanagement versprochen. Bei der Sanierung der Johannisstraße gab es jetzt aber immer wieder Ärger bei Anwohnern und Geschäftsleuten, die sich zudem schlecht informiert fühlen. Was läuft da schief?
Beim Thema Verkehr hören wir viele Klagen über den Zustand der Straßen. Wenn wir sanieren, gibt es Beschwerden über die Sperrungen. Auch ich bewege mich ja durch die Stadt und fluche, wenn ich irgendwo im Stau stehe. Aber wir sollten vorausschauen: Wenn die Maßnahme abgeschlossen ist, werden wir den Zustand haben, den sich alle wünschen. Wir kommen voran, das ist wichtig. Im Übrigen gab es im Mai eine Anwohner-Informationsveranstaltung für die Johannisstraße. Die Sperrung jetzt sollte niemanden überrascht haben. Künftig sollen zusätzlich Handzettel die Anlieger informieren.
Gab es bislang konkrete Veränderungen im Baudezernat?
Ja, zum einen sind zehn zusätzliche Stellen im Haushalt 2022 vorgesehen. Die Personaldecke wird gestärkt, um Projekte verlässlich begleiten zu können. Die Baustelle Pferdebachstraße wird schon jetzt baubetrieblich durch einen externen Berater begleitet. Es gab zuvor jahrzehntelang keine großen Bauprojekte in der Stadt – da muss nun das entsprechende Fachpersonal aufgebaut werden.
Wo hakt es beim Radverkehrskonzept? Der Pop-up-Radweg an der Dortmunder Straße kann ja nur ein Anfang sein...
Als nächstes wird die Gefahrenstelle an der Ruhrstraße entschärft. Das geht aber nicht mit Klein-Klein, sondern das ist eine umfangreiche Maßnahme. Wir brauchen keinen Aktionismus. Auch hier gilt: Geld kann nur einmal ausgegeben werden. Wir haben das Radverkehrskonzept mit Priorisierungen. Aber wir haben auch immer wieder aktuelle Beschlüsse, zum Beispiel werden wir die Wittener Straße zwischen Steinenhaus und Kämpenstraße beleuchten.
Gibt es ein Wittener Thema, das Ihnen den Schlaf raubt?
Nein. Zum Glück nicht. Aber ich habe schon immer einen sehr guten Schlaf gehabt, dafür bin ich dankbar. Ich konnte schon immer gut abschalten.
Wichtige Projekte im letzten Jahr abgeschlossen
Einige wichtige Projekte konnte die Stadt im vergangenen Jahr abschließen. König: „Wir sind gerade an vielen Stellen dabei, unsere Infrastruktur zu modernisieren. Die ESW hat zum Beispiel in der Annenstraße den Kanal erneuert. Auch der naturwissenschaftliche Trakt an der Hardensteinschule ist nun hochmodern. Schwimmbad, Umkleiden und OGS-Räume an der Hüllbergschule sind saniert.“
Zudem verweist der Bürgermeister auf den Südflügel des Rathauses, dessen Sanierung fast abgeschlossen ist. Ein Großteil der Mitarbeitenden ist bereits umgezogen. „Das Innenstadtbüro mitten@witten ist gestartet und sammelt Ideen, wie wir unsere Innenstadt entwickeln können. Nicht zuletzt hat sich die Stadt Witten eine Nachhaltigkeitsstrategie gegeben“, zieht König Bilanz.