Witten. 108 Stolpersteine in der Stadt erinnern an die Opfer des Holocaust. Wittenerinnen und Wittener haben sie nun gereinigt – auch als Mahnung.

In der ganzen Stadt haben sich an diesem 9. November anlässlich der Reichspogromnacht wieder Menschen aufgemacht, um die vor vielen Häusern verlegten Stolpersteine zu putzen. Die kleinen Messingtafeln des Künstlers Gunter Demnig erinnern an 108 Wittener Opfer des Nationalsozialismus und ihre schrecklichen Schicksale. In diesen Wochen mehr denn je.

Nachmittags trifft sich eine Gruppe am Berliner Platz. Einige sind schon ausgerüstet mit Putzeimern, Lappen und Handfegern. Ein paar Bürger gesellen sich dazu, wollen ebenfalls mithelfen. Christoph Ebner vom Arbeitskreis „Stolpersteine“ verteilt auf Wunsch Messingpaste und Kreppband zum Abkleben der Steine.

Wittenerin: Gedenken in diesem Jahr besonders wichtig

Nach der Reinigung haben die Wittenerinnen und Wittener weiße Rosen an die Stolpersteine gelegt.
Nach der Reinigung haben die Wittenerinnen und Wittener weiße Rosen an die Stolpersteine gelegt. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Udo Wichert (71) von der SPD Bommern, Quentin Blümel (13) vom Kinder- und Jugendparlament sowie Patricia Podolski bringen den Stolperstein an der Steinstraße auf Hochglanz. Er erinnert an Erich Reisig, der 1936 verhaftet wurde und 1943 starb. SPD-Politikerin Podolski ist Patin des Steins. „Es ist wichtig, die Erinnerung wachzuhalten“, sagt die 40-Jährige. „Das ist in jedem Jahr wichtig, aber jetzt müssen wir unser besonderes Augenmerk darauf richten“, sagt sie angesichts des Nahost-Konflikts und der jüngsten Anti-Israel-Demonstrationen.

„Wir müssen jetzt Farbe bekennen“, sagt auch Annemarie Karow (70), die in der Innenstadt wohnt. Ihr war es ein Bedürfnis, diesmal dabei zu sein. Der Sohn ihres Cousins sei mit einer Jüdin verheiratet. „Die wollten eigentlich ein ganzes Jahr nach Israel.“ Was daraus geworden ist, weiß sie nicht. Der Kontakt ist nicht so eng. Doch finde sie es erschreckend, wie weit verbreitet Antisemitismus noch in Deutschland sei. „Das wusste ich nicht.“ Sie selbst habe noch nie etwas davon mitbekommen. Trotzdem wird Annemarie Karow, gerade heute Abend, auch noch an der Gedenkfeier teilnehmen.

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Die Gruppe geht weiter. Um die Ecke sind drei weitere Steine ins Pflaster des Bürgersteigs eingelassen. Ludwig, Fritz und Elly Rosenbaum. Geflohen in den Tod, ermordet in Auschwitz, deportiert nach Riga. Vier junge Menschen der Grünen Jugend streifen sich Handschuhe über und schrubben eifrig die stark verschmutzte Oberfläche.

Eine von ihnen ist Franziska Klage (24). „Die letzten Wochen haben gezeigt, wie stark Antisemitismus in unserer Gesellschaft verankert ist. Heute ist ein Tag, der mahnt“, sagt die Sprecherin der Grünen Jugend in Witten.

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Verschiedene Klassen der Hardenstein- und der Holzkampschule sowie des Ruhr-Gymnasiums haben schon im Rahmen des Unterrichts Stolpersteine gereinigt. In Stockum war der SPD-Ortsverein in Aktion, ebenso in Rüdinghausen, im Marienviertel die Caritas, an der Franziskuskirche das Friedensforum und am Parkweg der Lions-Club Rebecca Hanf.

In der Innenstadt haben sie noch weiße Rosen neben die Stolpersteine gelegt. Sie werden verwelken. Doch die kleinen Messingplatten, sie mahnen dauerhaft.