Witten. Sie mussten frieren, weil ihr Vermieter die Rechnungen bei den Stadtwerken nicht bezahlte. Wie die Schulden beglichen werden sollen.
- Über zwei Wochen mussten Mieterinnen und Mieter bereits im vergangenen Jahr in einem Mehrfamilienhaus in Witten frieren.
- Die Stadtwerke hatten den Gaszähler ausgebaut, weil der Vermieter seine Rechnungen nicht zahlte.
- Das Problem: Der Vermieter reagiert nicht. Sollte der Eigentümer nicht antworten, könnte es im schlimmsten Fall dazu kommen, dass die Wohnungen für unbewohnbar erklärt werden müssten.
Über zwei Wochen lang mussten Mieterinnen und Mieter im Dezember in einem Mehrfamilienhaus in der Wittener Innenstadt frieren, darunter viele Kinder. Die Stadtwerke hatten den Gaszähler ausgebaut, weil der Vermieter des Gebäudes seine Rechnungen gegenüber dem Versorger schon lange nicht mehr bezahlt hatte. Auch das Wasser drohte abgedreht zu werden.
„In einer solchen Situation sind uns die Hände gebunden - und die Mieter müssen es ausbaden“, sagte Stadtwerkesprecher Matthias Kukla damals bedauernd. Nach Gesprächen mit dem Mieterverein, der einen Teil der Zahlungen aus einer zurückgehaltenen Miete begleichen wollte, baute der städtische Energieversorger den Zähler aber am Nikolaustag aus Kulanz wieder ein. Seitdem sind die Wohnungen der rund 23 Bewohnerinnen und Bewohner wieder warm. Auch das Wasser fließt weiterhin. Das Grundproblem bleibt aber ungelöst.
Wittener Eigentümer hat seit Anfang 2024 keine Gasrechnung mehr bezahlt
Das Gebäude an der Brückstraße 1-3 und der Crengeldanzstraße 38/38a gehört der „BEVO DE Alpha 3c GmbH“. Eine eigene Webseite hat die Firma nicht, ebenso wenig eine Telefonnummer. Es existiert nur eine Postanschrift in Düsseldorf. Für Knut Unger vom Mieterverein handelt es sich deshalb um eine „Briefkastenfirma“. Die ganze Eigentümerstruktur sei „völlig undurchsichtig“.
Lesen Sie auch
- Obdachlos in eisiger Kälte: In Witten schlafen Menschen auf der Straße
- Neues Medizinzentrum in Witten: Die ersten Mieter sind da
- Bogestra in Witten: Übernimmt das THW den Standort?
Und während die Mieten inklusive Nebenkosten an den Eigentümer gezahlt wurden, blieben die Stadtwerke Monat um Monat auf ihren Gas- und Wasserrechnungen sitzen. „Im ganzen Jahr 2024 haben wir keine Zahlung für Gas mehr erhalten“, so Kukla. Auch beim Wasser sei der Vermieter „stark in Verzug“. Auf wie viel sich die aufgelaufenen Rechnungen summieren, dazu dürfe man keine Auskunft geben. Auf Schreiben habe der Eigentümer nie geantwortet.
Offene Rechnungen - Stadt Witten erlässt Ordnungsverfügung
Auch die Stadt ist mit an Bord, sie ist für die Wohnungsaufsicht zuständig. Nach einem Vor-Ort-Besuch war klar, dass die Wohnungen ohne Heizung für unbewohnbar erklärt werden müssten. „Unsere Aufgabe ist es, für die Bürgerinnen und Bürger gesunde Wohnverhältnisse zu garantieren“, sagt David Ernesti, stellvertretender Leiter des Bauordnungsamtes.
Die Stadt hat deshalb im Dezember eine Ordnungsverfügung erlassen und den Besitzer darin unter Androhung von Zwangsgeld aufgefordert, die Mängel in seinem Gebäude zu beseitigen. Sprich, die ausstehenden Rechnungen zu bezahlen und so sicherzustellen, dass die Heizungen warm bleiben. Bislang hat die „BEVO DE Alpha 3c GmbH“ aber ihre Schulden bei den Stadtwerken nicht beglichen.
Stadt Witten kann Bewohner nicht unterbringen
Das Wohngebäude an der Crengeldanz- und Brückstraße stellt die Stadt vor eine besondere Herausforderung. Da wäre vor allem die relativ hohe Anzahl an Bewohnern. „Wären es nur drei oder vier Menschen gewesen, hätten wir sie problemlos anderweitig unterbringen können“, so Ernesti. Das gehöre zum normalen Geschäft dazu. Bei über 20 sieht das anders aus.
- Gas abgestellt: Mieter in Witten frieren in ihren Wohnungen
- Witten: „Unser Vermieter lässt uns frieren“
- Vonovias „Spionage“-Rauchmelder: So ist der Stand in Witten
Sonst könne er auch offensiver agieren, etwa, wenn der Vermieter nicht reagiert, die Nutzung der Wohnung untersagen. „Die Eigentümer reagieren sonst auch meist relativ schnell“, sagt der 41-Jährige. Innerhalb von 24 Stunden nach dem „bösen Brief“ sei die Sache meist schon erledigt. Nicht in diesem Fall.
Stadt und Stadtwerke im Austausch: Lösungsfindung gestaltet sich schwierig
Und nun? Sollte der Eigentümer nicht reagieren, könnte es im schlimmsten Fall dazu kommen, dass die Wohnungen für unbewohnbar erklärt werden müssten, erläutert Ernesti. Die Menschen müssten dann ausziehen. „Aber das wäre sehr schlecht, wir wollen ja im Wohle des Bürgers handeln.“ Das sieht man auch bei den Stadtwerken so.
Einfach den Gashahn wieder abdrehen wolle man nicht, sagt Prokurist Markus Borgiel. Man „halte die Situation momentan aus“. Doch die Summe, die man über die Monate verloren habe, fange durchaus an, weh zu tun. „Am allerliebsten wäre uns natürlich, wenn sich der Vermieter endlich melden würde - oder noch besser, er bezahlt die Rechnung.“ Bleibe es beim derzeitigen Stand der Dinge, wolle man versuchen, im Dialog mit Stadt und Mieterverein eine Lösung zu finden.
Mieterschützer: Stadt Witten ist in der Verantwortung
Mieterschützer Knut Unger sieht indes die Stadt in der Verantwortung. „Ich erwarte, dass man sich dort darum kümmert und die Situation nicht auf die Mieter abwälzt.“ Ihm schwebt eine Ersatzvornahme vor. Dabei würde die Stadt zunächst aus eigener Kasse die „Mängel“ an dem betroffenen Gebäude beseitigen, sprich die alten und neuen Rechnungen begleichen.
So etwas mache man zwar ab und an, sagt David Ernesti vom Bauordnungsamt. Dabei würde es sich aber um ganz anders gelagerte Fälle handeln, etwa eine vermüllte Feuerwehrzufahrt, die einmalig freigeräumt werden müsse. In dieser Größenordnung müsse die Entscheidung für oder gegen eine Übernahme der Kosten aber an anderer Stelle getroffen werden. Es sei eine gesamtstädtische Entscheidung. Sprich: Auch Politik und Verwaltung müssten mitziehen.
Mehr Nachrichten aus Witten lesen Sie hier.