Witten. Nur knapp 92.000 Menschen leben derzeit noch in Witten, geht es nach dem neuesten Zensus. Die Stadtverwaltung hält dagegen.
Eines steht fest: Immer weniger Menschen leben in Witten. Waren es Ende 2006 noch knapp über 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner - und Witten damit Großstadt - zeigt der Trend seitdem nach unten. Und geht es nach den neuesten Zahlen des Statistischen Landesamtes, die am Dienstag (25.6.) veröffentlicht wurden, ist die Bevölkerung in der Ruhrstadt sogar sehr stark zurückgegangen: auf 91.758 Männer, Frauen und Kinder. Doch an den Zahlen des Zensus 2022 (Stichtag 15.5.) gibt es Kritik.
Denn das Wittener Melderegister verzeichnete zum fast selben Zeitpunkt 98.178 Einwohnerinnen und Einwohner – ein Unterschied von rund 6400 Menschen. „Das Ergebnis erstaunt“, sagt deshalb auch Ralph Hiltrop, Leiter der städtischen Statistikstelle. Er ist sich aber auch sicher, dass seine Zahlen stimmen. „Wir haben ein sehr gut geführtes Meldewesen. Deshalb gehen wir davon aus, dass Witten nicht – und insbesondere nicht in dem Maße – geschrumpft ist“, betont Hiltrop.
Geflüchtete aus der Ukraine nicht mitgezählt
Doch woher kommt dann dieser eklatante Sprung in den Zahlen? Ein kleiner Teil der Lösung dürften die Geflüchteten aus der Ukraine sein. Die Datenerhebung für den Zensus 22 fand kurz nach dem russischen Überfall auf das Nachbarland statt. „Die davon ausgelöste Flüchtlingswelle ist nicht in die Auswertung eingeflossen“, so Hiltrop. Aktuell leben allerdings nur rund 1000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Witten.
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Eine weitere mögliche Fehlerquelle liegt in der Erhebung der Daten. IT.NRW habe die Zahl der Menschen, die in Witten leben, mit komplexen Methoden errechnet, so der städtische Statistik-Chef. „Der Fehler muss irgendwo in der Erhebungsmethodik liegen“, ist er sicher.
Zensus speist sich aus Verwaltungsregistern und Stichproben
Beim Zensus, auch Volkszählung genannt, wird etwa erfasst, wo und wie die Bevölkerung wohnt und arbeitet. Seit 2011 sollen alle EU-Staaten alle zehn Jahre eine solche Bestandsaufnahme durchführen. Wegen der Corona-Pandemie war die eigentlich für 2021 geplante zweite Runde ein Jahr nach hinten verschoben worden.
Früher mussten Bürgerinnen und Bürger bei einer Bevölkerungszählung Fragebögen ausfüllen. Doch seit 2011 setzt man in der BRD auf eine andere Methode: Es werden in erster Linie Daten aus Verwaltungsregistern genutzt, sodass die Mehrheit der Bevölkerung nicht persönlich Auskunft erteilen muss. Ergänzt wurde das durch eine Stichprobe. Auch eine Gebäude- und Wohnungszählung wurde durchgeführt.
Schon beim ersten Zensus unterschiedliche Ergebnisse
Schon beim ersten Zensus 2011 hatte es Probleme gegeben. Auch damals wichen die Zahlen voneinander ab, Witten selbst zählte rund 2000 Einwohner mehr als das Statistische Landesamt. Die Stadt reichte daraufhin Klage ein.
Die Arbeiten für den Zensus 22 waren im EN-Kreis von Problemen überschattet. 1100 Haushalte in Witten sollten Auskunft gegeben, kreisweit waren es 4521. Doch eine nicht genauer benannte Zahl dieser stichprobenartig ausgewählten Hausbesuche scheiterte. Auch die anschließende Übermittlung der Daten an IT.NRW verlief nicht reibungslos. Das Computer-Programm, das dabei zum Einsatz kam, habe einige Tücken und Schwächen, hieß es damals aus der Kreisverwaltung.
Trend eindeutig: Witten wird immer kleiner
Die Differenz zwischen der Einwohnerzahl, die Stadt und IT NRW ausgeben, stehe nun „erstmal im Raum“, so Hiltrop. Ob etwas daraus folge, und wenn ja, was, müsse nun erst geprüft werden. So werden etwa Ausgleichszahlungen wie der Länderfinanzausgleich oder der kommunale Finanzausgleich sowie EU-Fördermittel pro Kopf berechnet. Die Kommunen sollen aber erst im September im Detail durch IT NRW „informiert und beteiligt“ werden.
Doch egal, ob nun aktuell knapp 92.000 oder über 98.000 Menschen in Witten leben, der Trend ist klar - und zeigt nach unten. Mitte 2023 hat die Stadt mit Blick auf Geburten, Sterbefälle sowie Zu- und Abwanderungen errechnet, wie es voraussichtlich weitergeht: 2030 sollen demnach nur noch 96.317 Menschen in Witten wohnen, 2035 dann nur noch 94.803 Einwohner und 2040 schließlich wird die Zahl auf 93.192 schrumpfen. Damit würden aber in 16 Jahren immer noch mehr Menschen in der Ruhrstadt leben, als es laut Zensus aktuell sein sollen.
So viele Singlehaushalte gibt es in Witten
Auch wenn Witten mehr Einwohner hat, als es der neue Zensus 22 darlegt, können die Ergebnisse der Volkszählung dennoch interessante Einblicke liefern:
So sind für Witten etwa 47.813 Haushalte erfasst. Dabei machen die Ein-Personen-Haushalte mit 23.200 fast genau die Hälfte aus. In rund 11.800 Wohnungen leben Paare ohne Kinder, in 8400 Haushalten lebt eine Familie mit Kindern. In 3200 Wohnungen leben Alleinerziehende. Wohngemeinschaften gibt es laut Zensus insgesamt 1176 in der Ruhrstadt.
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