Neviges. In Tönisheide ist der Andrang seit Jahrzehnten riesig, auch die Kleinsten machen eifrig mit. Doch die Zukunft des Martinsfestes ist ungewiss.

Dichtes Gedränge auf dem Schulhof der Grundschule in Velbert-Tönisheide, ein Vater kommt angehetzt und stellt noch schnell auf den letzten Drücker einen selbstgemachten Kuchen auf das Buffet, der Posaunenchor Tönisheide bringt sich in Stellung. Schon kommen die ersten Kita-Kinder um die Ecke, stolz und ein bisschen aufgeregt tragen sie ihre Laterne vor sich her, manchen halten sich an den Händen fest. Die „Großen“, also die Schulkinder schließen sich an, Eltern winken, manche haben schon die heiße Suppe im Visier. St. Martin in Tönisheide, das ist viel mehr als ein bunter Laternenumzug für die Kinder, das ist liebevoll gepflegte Tradition, seit Jahrzehnten eine Institution „im Dorf“. Doch die steht auf der Kippe: Es ist fraglich, ob St. Martin auch 2025 durch Tönisheide reitet und seinen Mantel teilt.

Nach dem Martinzug in Tönisheide folgt die Mantelteilung, der die Kinder gebannt zuschauen.
Nach dem Martinzug in Tönisheide folgt die Mantelteilung, der die Kinder gebannt zuschauen. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

Mit einem aufrüttelnden Flyer machte der Bürgerverein Tönisheide, der den Martinszug seit den 50er-Jahren im Vorfeld organisiert und in Zusammenarbeit mit der Gemeinschaftsgrundschule Tönisheide auf die Beine stellt, auf die alarmierende Lage aufmerksam: Der Flyer zeigt einen lustig aussehenden St. Marin samt Pferd, darunter die Frage: „Hat Ihnen und Ihren Kindern der Tönisheider St. Martinszug gefallen? Dann möchten wir Sie bitten, umzublättern und noch etwas weiterzulesen.“ Und dann prangt dort in fetten Buchstaben ein Satz, bei dem einem fast der Weckmann im Hals stecken bleibt: „Sie sollten wissen, dass der diesjährige Martinszug eventuell der letzte dieser Art ist!“ Wenn es nämlich, im schlimmsten Fall, den Bürgerverein Tönisheide im nächsten Jahr nicht mehr gibt.

Velberter Verein braucht einen neuen Vorstand

Ja, die Lage sei ernst, so hatte die Vorsitzende Monika Hülsiepen bereits Anfang es Jahres betont. Denn es sei definitiv, dass sich der komplette Vorstand im März 2025 aus Altersgründen nicht noch einmal zur Wahl stellen werde. Neben der engagierten Tönisheiderin, seit 50 Jahren Mitglied und fast seit 30 Jahren Vorsitzende, werden auch der zweite Vorsitzende Stefan Azwanger, der langjährige Kassierer Kurt Hörter und Geschäftsführer Herbert Leonhardt nicht mehr kandidieren. Eine Nachfolge dieses seit Jahrzehnten gut eingespielten Teams ist bisher nicht in Sicht. Und ohne Vorstand kein Verein, ohne Verein kein St. Martinszug. Jedenfalls nicht so, wie ihn die Tönisheider kennen und lieben.

Verein trifft sich am 3. Dezember

Bei Interesse: Die nächste Vorstandssitzung des Bürgervereins ist am Dienstag, 3. Dezember, 19.30 Uhr im evangelischen Gemeindehaus, Kuhlendahler Straße 34. Dort kann man sich unverbindlich informieren.

Auch die Vorsitzende Monika Hülsiepen hilft bei Fragen weiter unter 02053 80632 oder 0151 54870753. Kontaktaufnahme per Mail: vorstand@bv-toenisheide.de

Viel Papierkram muss im Vorfeld erledigt werden

Denn es sind nicht nur der viele Papierkram und die Telefonate, die der Bürgerverein und eben federführend Monika Hülsiepen Wochen vorher erledigt. Es geht nicht nur um den Schriftverkehr mit dem Ordnungsamt, das den kleinen Zug, der einmal um die Schule führt, genehmigen muss. Da wird auch die Feuerwehr mit ins Boot geholt, die das Martinsfeuer entzündet, das Deutsche Rote Kreuz ist ebenso involviert, und natürlich muss man möglichst früh St. Martin samt Pferd buchen, die Konkurrenz im Umfeld ist schließlich groß.

Kein St. Martin ohne Weckmänner

Nicht zuletzt sorgt der Bürgerverein auch dafür, dass genügend Weckmänner vorhanden sind. Die werden zum Teil erst in den Klassen der Grundschule verteilt, zum Teil später beim Martinszug per Gutschein verkauft: Auch dafür muss man jemanden finden, das alles muss organisiert werden und scheint selbstverständlich, wenn es so reibungslos klappt wie am Montagabend. Der Verein wünscht sich nichts mehr, als diese Tradition weiterzuführen, aber dazu braucht es jetzt neue Leute, die Zeit investieren, Verantwortung übernehmen, bereit sind für einen Vorstandsposten.

Der Bettler harrte tapfer im Regen aus

Denn wer bei letzten Martinszug dabei war, der mag sich das einfach nicht vorstellen: Tönisheide ohne „rabimmel, rabammel, rabumm“. So klein dieser Zug ist, so stimmungsvoll war er auch in diesem Jahr. Einfach schön, wenn der Posaunenchor loslegt, alle mit großen Augen verfolgen, wie St. Martin langsam auf den Bettler zureitet. Der kam wie immer aus den Reihen des CVJM Tönisheide, „Bettler“ Konstantin Weisenmüller harrte auch noch im strömenden Regen aus, als er sich längst den roten Mantel umgelegt hatte. Haflinger Sadi ließ das lodernde Martinsfeuer völlig kalt, das Pferd erledigte ebenso perfekt seinen Job wie „St. Martina“ Sonja Faßbender.

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Bei Kindern und auch Eltern war die Freude riesig, in dem Gewusel ein vertrautes Gesicht zu entdecken: „Hallo, Frau Emersleben“, heftiges Winken, die langjährige Schulleiterin, seit dem Sommer in Pension, schaute auch vorbei und konnte ganz beruhigt sein: Ihr Nachfolger, Schulleiter Andreas Micke, hatte alles bestens im Griff. Die Kinder waren selig, die „Großen“ trafen sich bei heißem Punsch, Gemüsesuppe oder selbstgebackenem Kuchen, Tönisheide traf sich zu St. Martin. Jammerschade, wenn es das letzte Mal gewesen wäre.