Oberhausen. Anwohnern reicht das Verhalten einiger Passanten in der Innenstadt: Sie parken wild, sind auf Spielplätzen nachts laut, kümmern sich zu wenig.
Es meckern zwar viele Menschen in Oberhausen über den aktuellen Zustand der Marktstraße, aber es sind dann doch bedauerlicherweise nur relativ wenige Anwohner ins Gdanska gekommen, um sich beim neuen Diskussionstreff „Marktstraße im Wirtshaus“ des Rathauses über das künftige Schicksal der Oberhausener Innenstadt Gedanken zu machen - und ihre Wünsche zu äußern. Dabei bleiben die City-Bürger mit ihren Aussagen und Schilderungen am Mittwochabend sachlich, nehmen aber kein Blatt vor dem Mund.
Bisher liegen nur die groben Leitplanken der Umgestaltung der Marktstraße vor, die von Ende 2027 bis Ende 2031 über vier Jahre hinweg mit zweistelligen Millionen-Summen an Förderung vom Land umgesetzt werden sollen. Danach wird die Marktstraße gedrittelt: Der obere Teil wird zum grünen Wasser-Paradies mit Brunnen, Bäumen, Büschen - und einer schmalen Einbahnstraße für Autos. Die Geschäfte werden auf den mittleren Teil konzentriert, das Pflaster begradigt und geglättet, ein paar Bäume in die Fußgängerzone gegraben, Hängelampen statt Laternenmasten installiert.
Der untere Teil am Altmarkt soll entsiegelt und begrünt, die Aufenthaltsqualität mit Restaurants, Cafés und Kultur erhöht, der Angstraum der Unterführung Alleestraße mit Lichtspielen beseitigt werden. Mit neuen Bänken und sauberen Toiletten auf der gesamten Marktstraße will man erreichen, dass die Passanten nicht mehr „möglichst schnell durch die Straßenflucht eilen“ (Oberhausens Stadterneuerer Uwe Wilzewski), sondern hier gerne verweilen.
Wenn Bürger also mutmaßen, auf unsere Ideen hört doch sowieso niemand, dann versichert Marcus Romanos an diesem Abend: „Nein, das stimmt nicht. Wir steigen erst im nächsten Jahr in die Detailplanung ein, wir hören auf die Wünsche, Anregungen und Tipps der Bürger und nehmen diese in unsere Planungsüberlegungen auf. Denn bisher steht nur das grobe Konzept für die Marktstraße.“ Romanos muss das wissen, er ist der Fachbereichsleiter Stadterneuerung im Oberhausener Rathaus - und verantwortet neben dem Projekt Brückenschlag in Alt-Oberhausen auch die Sterkrader Runderneuerung der Bahnhofstraße.
Bis zum ersten Spatenstich auf der Marktstraße dauert es noch drei Jahre
So sollen die Anwohner beispielsweise wie die Sterkrader in den vergangenen Wochen aus mehreren Mobiliar-Typen wählen, welche Bank, welchen Tisch, welche Lampe sie künftig auf der Marktstraße sehen möchten - und in welcher Farbe.
Doch an diesem Abend, immerhin dauert es bis zum ersten Spatenstich noch drei Jahre, wollen die Bürger gar nicht über die Art der Steine, über Baum-Konzepte oder die Zahl der Cafés und Geschäfte diskutieren, sondern über das Verhalten der Innenstadt-Bewohner. In der City leben immerhin Menschen aus 140 Staaten, ist der Anteil von Zuwanderern deutlich höher als im Oberhausener Norden - und ist der Bezug von staatlichen Geldern aus den Bürgergeld-Töpfen besonders hoch.
„Wenn ich die Marktstraße entlang laufe, höre ich Sprachen aus allen möglichen Ländern, aber kaum noch Deutsch“, sagt eine Bürgerin. „Diese Bewohner der City sind aber gar nicht hier, sie scheinen sich nicht zu interessieren für die Zukunft der Marktstraße. Dabei sollten wir gerade auch diese Menschen einbeziehen und nach ihren Vorstellungen fragen.“
Denn das Verhalten einiger City-Bewohner geht den alteingesessenen Oberhausenern mächtig auf den Senkel. „Da stehen auf der oberen Marktstraße 50 bis 60 Autos, obwohl dort nur zehn Parkbuchten eingezeichnet sind. Doch da hält sich niemand dran - und das Ordnungsamt ist hier nicht zu sehen“, erzählt ein Bewohner, der seit Jahrzehnten in der City wohnt.
Eine Nachbarin der Innenstadt schämt sich mittlerweile, ihren Besuch über die Marktstraße zu führen. „Wir sind an zwei Männern vorbeispaziert, die ihren dampfenden Tee vor einem Restaurant tranken und direkt vor ihnen liegt eine tote Ratte auf dem Boden. Doch niemand fühlte sich verantwortlich, die Ratte wegzunehmen.“ Andere hätten eben ein anderes Verständnis dafür, was als schlimm, ekelig oder laut eingestuft wird.
Denn auch das ist ein altes Problem: Der große Kinderspielplatz am Traditionscafé Bauer wird von Gruppen, nicht nur von Kindern, im Sommer bis tief in die Nacht genutzt - lautstark, schimpfen einige Anwohner. Und deshalb haben die Stadtplaner überlegt, in der künftigen Marktstraße nur noch kleine Spielpunkte einzurichten - und den großen Spielplatz am Supermarkt Netto dem Erdboden gleichzumachen.
Nun, die anwesenden Bürger fanden es eigentlich keine richtige Lösung, wenn ein Spielplatz weggenommen werden soll, nur weil einige keine Rücksicht auf schlafende Anwohner nehmen wollen. Ganz so weit weg von dieser Meinung scheinen die Stadterneuerer nicht zu sein, denn zu den von vielen Menschen gewünschten Bänken sagte Uwe Wilzewski: „Früher hat man die Bänke einfach entfernt, weil diese missbräuchlich von einigen wenigen genutzt wurden. Doch wir können nicht alle Bürger bestrafen, nur weil sich einige nicht benehmen können.“ Deshalb plant man die Zukunft der Marktstraße wieder mit schönen Bänken und Hochbeeten, auf denen man am Rand sitzen kann.
Doch am Ende sei zu befürchten, so die Bürger im Gdanska-Saal, dass die Hochbeete vermüllt und die Bänke zerstört werden. „Wie schaffen wir es denn, dass die City-Bewohner wieder einen sozialen Zusammenhalt verspüren, dass sich das Verhalten ändert?“, fragt ein Anwohner. Dies sei unabdingbar, wenn man wirklich eine Zukunft der City haben will.
Der Bochumer Micha Fedrowitz, Stadtteilmanager für die Oberhausener City, hat in gut einem Jahr seiner Arbeit auf der Marktstraße in vielen Gesprächen erfahren, dass es weniger um schöne Steine geht. „Immer wieder spielen weiche Faktoren, das soziale Verhalten, die entscheidende Rolle bei vielen.“
Stadterneuerer Uwe Wilzewski weiß dies nur zu gut, verströmt aber Hoffnung durch einen Effekt, den er durch seine jahrelange Arbeit in Lirich kennt, etwa durch das Projekt City West, oder an der Brücktorstraße erlebt hat: „Wenn man den öffentlichen Raum neu gestaltet, dann bedeutet das eine höhere Wertschätzung der Stadt gegenüber den Bewohnern. Nach der Neugestaltung der Brücktorstraße, die immer schmuddelig aussah, wurde dort plötzlich von den Anwohnern der Bürgersteig gefegt. Die Wertschätzung bekommt man also zurück.“
Und auch Bezirksbürgermeister Dominik Stenkamp zeigt sich optimistisch: „Bei einer wertvollen Umgestaltung der Marktstraße besteht eine große Chance, dass sich dann hier auch mehr gute Geschäfte und Gaststätten ansiedeln.“
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