Oberhausen. Wenn alles nach Plan läuft, sind die „zwei Kilometer Trostlosigkeit“ der Marktstraße im Jahr 2031 rundum saniert und zum Boulevard fein gemacht.
Als Ralph Hammerthaler vor knapp sieben Jahren als „Marktstraßenschreiber“ für das Literaturhaus in Oberhausen unterwegs war, würdigte sogar die teure Frankfurter Allgemeine Zeitung die, nun ja, Einkaufsmeile: als „zwei Kilometer Trostlosigkeit“. Dem harschen Urteil ist nicht nur der Romancier aus Berlin, sondern auch die Stadt inzwischen entgegengetreten: mit Plänen für eine umfassende Neugestaltung in zweistelliger Millionenhöhe, zu 90 Prozent gefördert von Land und Bund. Die erste Tranche ist nun bewilligt: 2,3 Millionen Euro sind alleine für die Planung vorgesehen.
Uwe Wilzewski vom Fachbereich Stadterneuerung referierte den aktuellen Stand des Großprojekts im Talentkolleg Ruhr (direkt neben dem Gdanska) vor Hausbesitzern und Kaufleuten entlang der „zwei Kilometer“. Rhetorisch geschickt nahm der Stadterneuerer einen konsternierten Ausruf gleich selbst vorweg: „Was? Vier Jahre?“ Von 2027 bis 2031 soll, wenn alles nach Plan läuft, an der Marktstraße gearbeitet werden - und zwar von Ost nach West. „Wir haben jetzt vom Land das Go!“ Dass nun die ersten Millionen für die Planungsschritte bewilligt seien, so Uwe Wilzewski, „heißt auch, dass es umgesetzt wird“.
Aktuell gehen drei Ausschreibungen auf den Markt: für die Gestaltung, für die Fachplanung und drittens für die zentrale Koordinierung durch ein externes Büro, das die wohl anspruchsvollste Aufgabe übernehmen soll: Exakt darauf zu achten, wann an welcher Stelle welche Arbeiten anstehen und welche Institutionen und Betroffene zu informieren sind. Die besorgte Frage aus dem Auditorium, ob Kosten womöglich auf die Hauseigentümer umgelegt würden, wusste CDU-Ratsherr Eugen Lenz zu beruhigen: „Nein, die Eigentümer zahlen nichts!“
Obere Marktstraße: Umfassende Renovierung des Phönix-Brunnens
Der größte Wandel steht der oberen Marktstraße (im Westen bis zur Kreuzung Düppelstraße) bevor, nämlich „die Entwicklung eines Boulevards“, wie Uwe Wilzewski erläuterte. Der Einzelhandel wird an diesem Abschnitt zurückgehen. „Es gibt Objekte, die dort schon seit sehr langer Zeit leerstehen.“ Dienstleister und Praxen könnten sie zumindest teilweise füllen. Für den Phönix-Brunnen mit der monumentalen Plastik von Otto Wesendonck kündigte der Stadterneuerer eine umfassende Renovierung an. Zudem soll „ein kleiner Wasserlauf“ das fürs Stadtklima wertvolle Nass bis zur Düppelstraße tragen, begleitet von einer dann doppelten Baumreihe: daher „Boulevard“. Der lärmige Spielplatz vor dem Discounter soll verschwinden - zur hörbaren Erleichterung einiger Anwesender.
Stattdessen? „Ein Stück Grün“, so Uwe Wilzewski - und zwar gestaltet wie vor dem Duisburger Opernhaus mit „aufgestockten Wiesen“ und einem kleinen Wasserspiel. Und der Spielplatz? Chancen sieht er auf dem langgestreckten Platz zwischen Düppel- und Gewerkschaftsstraße: Wenn dort ein Parkhaus die derzeit unsortiert parkenden Wagen aufnähme, bliebe genügend höherwertiger städtischer Raum „für einen Stadtteilpark“.
Mittlere Marktstraße: Neue Bäume im Zickzack
Ihre traditionelle Rolle als „Einkaufsmeile“ soll die mittlere Marktstraße (zwischen Düppel- und Paul-Reusch-Straße) behalten. „Auch wenn‘s schwierig ist“, plädiert der Stadterneuerer hier dafür, versetzt Bäume zu pflanzen. Weil die Straßenmitte „voller Leitungen“ stecke, lassen sich die Pflanzungen noch am besten im gestreckten Zickzack platzieren. Für den nötigen Raumgewinn sorgt hier der Austausch der Lichtermasten durch Hängeleuchten - in diesem Sinne ein Schritt zurück zu einem älteren Bild der Marktstraße.
Fast enthusiastisch beschreibt Uwe Wilzewski hier den Fortschritt durch ein abgefrästes, ganz eben verlegtes, aber wiederverwendetes Pflaster - „damit man beim Gehen ein gutes Gefühl hat“, denn: „In der Elsässer Straße läuft man viel ruhiger.“
„Multi Kulti“ an der unteren Marktstraße
Nur kurz und knapp kam die - in den ausliegenden Detailkarten als „Multi Kulti“ beschriebene - untere Marktstraße zum Zuge. Allerdings war der diesen Abschnitt prägende Altmarkt und seine neue Möblierung ja erst im Juni Thema einer Debatte im Talentkolleg. Für das Westend der Bald-nicht-mehr-„zwei Kilometer Trostlosigkeit“, nämlich die wahrlich triste Bahnunterführung zur Alleestraße, zeigte Uwe Wilzewski lediglich eine noch unverbindliche Skizze, wie Lichtkunst diesen Angstraum aufhellen könnte, dazu die tröstlichen Worte: „Hier sind viele Heinzelmännchen im Hintergrund tätig.“
Die „Marktstraße“ in zwölf Geschichten
Wer die Marktstraße lieber literarisch als planerisch betrachten möchte, der kann aus dem 90-Seiten-Büchlein „Marktstraße“ von Ralph Hammerthaler einigen Gewinn ziehen. Der Romancier und frühere SZ-Redakteur war 2017 als „Straßenschreiber“ in Oberhausen unterwegs, führte viele ausgiebige Gespräche - und brachte den Blick des Wahl-Berliners auf die kleine Großstadt mit.
2018 erschien die Reportage-Erzählung im Eigenverlag des Literaturhauses Oberhausen. Einige wenige Exemplare der zweiten Auflage sind noch für 10 Euro erhältlich. Online informiert literaturhaus-oberhausen.de