Mülheim. Wieder wird aller Voraussicht nach ein Stück Mülheim verloren gehen. Das Stammhaus Müller Flora soll nicht mehr zu retten sein. Die Gründe.
Rien ne va plus – nichts geht mehr. Zu diesem Schluss kommt selbst der oberste Hüter der Mülheimer Denkmäler: Das Stammhaus Müller Flora sei nicht mehr zu retten, zumindest nicht in der Form, dass das traditionsreiche Gasthaus an der Dohne 74 seinen Denkmalwert behalte. Vollkommen marode, abrissreif, so das Urteil von Axel Booß, dem Leiter der Unteren Denkmalbehörde.
Im Planungsausschuss präsentierte Booß nun, was Sachverständige in einem umfangreichen Gutachten festgestellt hätten. Sie waren im Auftrag der Eigentümer tätig. Pheroh aus Neuss hatte das Grundstück mit aufgegebenem „Hotel am Ruhrufer“ und Stammhaus Müller Flora vor einigen Jahren von Golfplatz- und Hotelbetreiber Ralf Schmitz erworben, um dort neu zu bauen.
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Mülheims Denkmalbörde: Investor hat sofort Notmaßnahmen ergriffen
Hochwertige Seniorenwohnungen waren geplant, das alte Stammhaus sollte integriert und mit neuer Gastronomie wachgeküsst werden. In den vergangenen Jahren war das Projekt ins Stocken geraten, dem Vernehmen nach mindestens wegen der extrem gestiegenen Baukosten, die insbesondere Bauprojekte mit Tiefgarage unwirtschaftlich erschienen ließen. Investor Pheroh selbst äußert sich schon länger nicht mehr. Anfragen liefen ins Nirwana.
In Sachen Denkmalschutz attestierte Behörden-Chef Booß dem Investor jetzt aber größtmögliches Engagement. Pheroh habe, als erste Schäden entdeckt worden seien, „sofort Notmaßnahmen ergriffen“. Man habe dem angeschlagenen Dach und den Decken die Last genommen, die sie zu tragen gehabt hätten, habe den Dachstuhl zusätzlich gesichert. Dachziegel sind schon länger abgetragen. An der fachgerechten Abdeckung mit Plane hatte zuletzt aber der Mülheimer Architekt Klaus Ruppin Zweifel geäußert. Er ist sachkundiger Bürger im Planungsausschuss. Noch im November hatte Booß dies auch als mögliche Ursache für den Verfall benannt. Jetzt war keine Rede mehr davon.

„Es ist versäumt worden, die Kunststoff-Verspannung mit dem Traufbereich zu verbinden“, hatte Ruppin bemängelt, dass so seit unbestimmter Zeit wohl Wasser eindringen könne. Der Architekt hatte den Abriss des Denkmals schon prophezeit, bevor Booß nun die bittere Nachricht verkündete.
Stammhaus Müller Flora in Mülheim: 2020 sollen Schäden nicht sichtbar gewesen sein
Tragkonstruktion und Dach: „Das Schadensbild ist derart groß, dass das Gebäude kaum zu halten ist“, sagte Booß in der Runde mit der Planungspolitik. Er präsentierte dabei zunächst Bilder, die den Zustand im Inneren des Gebäudes zum Zeitpunkt der Übernahme durch Pheroh im Jahr 2020 dokumentieren. „Man sieht eigentlich keine Schäden“, stellte Booß dazu fest.
Die bautechnischen Untersuchungen nach ersten Feuchtigkeitschäden, die aufgetaucht seien, hätten schließlich aber ein komplett anderes Bild gezeigt, präsentierte Booß nun auch Bilder vom Dachstuhl und von offengelegten Wänden, die zur Überraschung der Denkmalschützer offenbarten, dass schon die Denkmalbeschreibung aus dem Jahr 1989 fehlerhaft ist: War da noch von einem Backsteinbau die Rede, so ist nun ein Fachwerkbau in Teilen freigelegt.
Gutachter stellen massive Schäden im Mülheimer Denkmal fest
Die Beprobung des Holzfachwerks habe offenbart, dass ein Großteil des tragenden Fachwerks und der Deckenbalken nicht mehr zu halten seien. Eine dicke Überraschung habe es zudem auf dem Dachstuhl gegeben, so Booß. Der hölzerne Rähm (der obere horizontale Balken im Fachwerk, der auf den Ständern ruht und eine eminent wichtige Funktion für die Statik hat) sei komplett durchtrennt, die Sparren hingen in der Luft.
Noch ein großes Übel: Beim Neubau des Hotels war auf der Hinterseite des Stammhauses Müller Flora offensichtlich einfach die Kalksandsteinwand des Neubaus an die Außenwand des Denkmals gesetzt worden. Ein Schutz dazwischen: Fehlanzeige. Die Mülheimer Denkmalbehörde, die damals eine denkmalrechtliche Erlaubnis erteilt haben müsste für eine Baubeschreibung, hat entweder nicht genau hingeschaut - oder der damalige Bauherr hat an der Behörde vorbei anders bauen lassen als angezeigt.

Immense Schäden: Mülheims Denkmalbehörde gibt sich selbst überrascht
Eine solche Feststellung traf Denkmalamts-Leiter Booß in der Sitzung aber nicht. Auch aktuelle Schuldzuweisungen an seine Denkmalbehörde, die Architekt Ruppin noch einmal äußerte, wies er entschieden zurück. Das Schadensbild habe sich 2020 so nicht gezeigt, es sei erst bei den „umfassenden Untersuchungen“ des neuen Eigentümers zutage getreten. „Natürlich ist es nie das Ziel, dass ein Denkmal so ein großes Schadensbild aufweist. Das hätten wir nie zugelassen“, drückte er aus, selbst überrascht worden zu sein.
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
Als das Stammhaus Ende der 1980er Jahre unter Denkmalschutz gestellt worden sei, habe der Denkmalschutz noch in seinen Kinderschuhen gesteckt. Es habe keine umfangreiche Dokumentation gegeben, meist sei nur per Inaugenscheinnahme eines Gebäudes von außen über einen Denkmalwert befunden worden.
Architekt äußert Kritik an Mülheims Denkmalbehörde
Es bleibe die traurige Nachricht, dass von der erhaltenswerten Denkmalsubstanz „90 Prozent komplett geschädigt“ seien. Das bedeute, dass das Stammhaus in Abstimmung mit der Oberen Denkmalbehörde beim Landschaftsverband aus der Denkmalliste zu streichen sei.
Architekt Ruppin zeigte sich bestürzt - und bestärkt in seiner Kritik an einer mutmaßlich schlechten Sicherung des Daches vor eindringender Feuchtigkeit. Er sei sprachlos, dass die Verwaltung erst so spät mit dieser Information an den Ratsausschuss herangetreten sei. In der Zwischenzeit seien über das Denkmal „viele Stürme drübergegangen“, eine Rettung wäre früher vielleicht noch möglich gewesen.
Investor Pheroh soll Nachbau des Stammhauses Müller Flora angeboten haben
„Dass das Gebäude nicht gehalten werden kann, halte ich schlichtweg für falsch“, so Ruppin. Der Investor habe einfach das Interesse, das Denkmal „so kaputtzuschreiben, dass er den ganzen Bereich räumen kann“. Der Umgang Mülheims mit seinen Denkmälern sei „bemerkenswert“. Es sei einfach eine Frage der Mittel, die man bereit sei, zur Sanierung aufzubringen, zog er einen Vergleich mit dem Tersteegenhaus. Booß entgegnete, dass am Tersteegenhaus in der Altstadt eben nicht 90 Prozent der Substanz völlig marode gewesen seien.

Investor Pheroh hat laut Booß in Aussicht gestellt, das alte Stammhaus als Nachbildung im Stahlbetonbau als Teil seines Neubauprojektes zu belassen. CDU und Grüne äußerten sich ablehnend. Die Entwürfe seien ohnehin „furchtbar“ gewesen, die Anbindung vom Denkmal an die Neubauten „gezwungen“, so Brigitte Erd (Grüne). Es sei vielleicht besser, den Investor nun aufzufordern, mit seinen Planungen noch mal neu an den Start zu gehen.
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