Mülheim. Thyssenkrupp, Ford und Co.: Absehbar tausende Arbeitsplätze verliert Deutschland in der Wirtschaftskrise. Doch Mülheim trotzt dem Trend.

Im Jahresdurschnitt sind die Arbeitslosenzahlen in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr um 5,6 Prozent gestiegen, in einzelnen Regionen wie dem Münsterland, Ostwestfalen-Lippe oder Westfalen-Lippe gar um 9,3 bis 10,1 Prozent. Wenn auch nicht so stark, so hat auch das Ruhrgebiet Federn gelassen. Eine Ausnahme: Mülheim.

Der deutschen Rezession zum Trotz hat der Standort Mülheim ein gutes Jahr 2024 am Arbeitsmarkt hingelegt. Diese Bilanz ziehen einvernehmlich die Chefs der Agentur für Arbeit, Jürgen Koch, und des städtischen Jobcenters, Oliever Vrabec. Mülheim entwickelte sich gegen den Trend, die Arbeitslosigkeit verringerte sich: im Jahresschnitt um 0,7 Prozent auf 7054 betroffene Personen. Die Zahl der Unterbeschäftigten sank gar um 2,2 Prozent auf 9682.

Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs in Mülheim stieg auch im Jahr 2024

Zu den „Unterbeschäftigten“ zählen neben den offiziell als arbeitslos registrierten Menschen etwa auch Personen in Eingliederungs- und Weiterbildungsmaßnahmen, in Ein-Euro-Jobs oder Menschen ohne regulären Job, deren Betreuung die Arbeitsverwaltung in Hände Dritter gegeben hat, was laut Statistik-Definition den „hübschen“ Nebeneffekt für den Staat hat, dass diese Menschen nicht regulär als Arbeitslose gelten. Was aber natürlich nichts daran ändert, dass ihre berufliche Situation prekär ist. So bleibt die Unterbeschäftigten-Quote das Maß aller Dinge, um den Arbeitsmarkt zu bewerten: Deren Quote liegt bei 10,7 Prozent. Heißt: Mehr als jede zehnte erwerbsfähige Person in Mülheim hat keinen regulären Job am ersten Arbeitsmarkt.

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Da aber auch diese Quote in Mülheim gegen den überörtlichen Trend gesunken ist, haben Arbeitsagentur und Jobcenter allen Grund zur Freude. Der Standort Mülheim zeigte sich 2024 krisenfest. Mehr noch: Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg erneut, auf nun 63.038 Menschen. Den größten Anteil daran hat die Handelsbranche - 16,4 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Mülheim verdienen hier ihren Lebensunterhalt. Insbesondere der Stellenzuwachs bei Aldi Süd dürfte hier positiven Niederschlag gefunden haben. Aldi Süd hat für sein in Saarn firmierendes internationales Geschäft weiter Stellen geschaffen, auch Einheiten nach Mülheim gezogen.

Metall-, Elektro- und Stahlindustrie: Nicht mehr die Nummer 1 in Mülheim

Der Handel hat der örtlichen Metall-, Elektro- und Stahlindustrie den Rang abgelaufen. Aber auch wenn hier mit Stand März 2024 keine 10.000 Menschen mehr beschäftigt waren, ist die Industrie in Mülheim mit einem Stellenanteil von 15 Prozent immer noch ein gewichtiges Standbein. Weitere Hiobsbotschaften nach dem Aus der Vallourec-Produktion blieben aus.

„Überraschend gute Nachrichten trotz des rezessiven Marktes“, findet Agentur-Chef Koch. Für Mülheim stellt er fest, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch bei Lücken in den Auftragsbüchern Fachkräfte hielten - mit Blick darauf, dass einmal freigesetztes Personal später, wenn Aufträge wieder Einstellungen nötig machten, aufgrund des Fachkräftemangels nicht so leicht zu finden sei. Wermutstropfen: Festzustellen sei auf der anderen Seite schon, dass der Arbeitsmarkt aktuell nicht mehr so aufnahmebereit sei.

SGB II: Auch hier hat Mülheim Erfolge zu berichten

Für 2024 aber stellt Oliever Vrabec für das städtische Jobcenter zufrieden fest, dass auch seine Klientel profitiert hat vom Mülheimer Trend. Und das sogar stark, zieht man die Statistik zugrunde: Die Zahl der offiziell als arbeitslos registrierten SGBII-Bezieher sank um 6,1, die Zahl der Langzeitarbeitslosen darunter gar um 7,6 Prozent.

Oliever Vrabec, Leiter des Jobcenters in Mülheim.
Oliever Vrabec, Leiter des Jobcenters in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Insgesamt waren in Mülheim im August 2024 (neuere Zahlen gibt es noch nicht) rund zwei Prozent weniger Haushalte auf Leistungen des SGB II angewiesen; freilich waren es weiterhin 9520 an der Zahl. Dabei ist es seit März 2022 etwa gelungen, die Vermittlung geflüchteter Menschen aus der Ukraine in Jobs deutlich zu steigern. Rund zehn Prozent der erwerbsfähigen Menschen aus der Ukraine, die ihren Lebensmittelpunkt aufgrund des Krieges nach Mülheim verlegt haben, sind mittlerweile sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Mülheims Jobcenter zündet den Jobturbo: Selbst Langzeitarbeitslose profitierten

Insgesamt sei es gelungen, mit dem „Jobturbo“ des Bundes und der folgenden Vermittlungsoffensive des Landes die Zahl der Vermittlungen in Job zu steigern, sagt Vrabec. Eine Ursache dafür sieht der Chef des Jobcenters darin, dass seine Behörde durch die Überwindung eklatanter Personalengpässe der Vergangenheit nun deutlich intensiver Menschen beraten und unterstützen könne. In Mülheims Etatentwurf für 2025 ist eine weitere Personalverstärkung vorgesehen. Komme sie, so Vrabec, helfe sie, das Minus bei den Eingliederungstiteln zu kompensieren. Ohnehin helfe der intensive Kontakt zu den Probanden häufig mehr als irgendeine zusätzliche Maßnahme.

Noch mal zurück zum Trendbrecher Mülheim. Agentur-Chef Jürgen sieht den Wirtschaftsstandort solide aufgestellt und präsentiert zum Beleg einige Strukturdaten, bei denen die Stadt einen Vergleich auch mit dem großen Nachbarn Essen nicht scheuen muss: So liegt Mülheim etwa beim Bruttoarbeitsentgelt, bei der Beschäftigungsquote, bei Schulabgängern ohne Abschluss oder bei der Betreuungsquote für Kinder unter sechs Jahren besser als Essen.

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