Mülheim. Thyssenkrupp-Tochter Presta produziert in Saarn Lenkgetriebe. Die Belegschaft zittert ob der Sparpläne im Konzern. 300 Beschäftige bangen.

Seit klar ist, dass Thyssenkrupp umfassende Sparpläne umsetzen will, ist auch im Mülheimer Presta-Lenkungswerk „richtig Druck auf dem Kessel“, wie der Betriebsratsvorsitzende Fredy Biedermann sagt. Ohnehin arbeiteten die Angestellten dort seit Jahren jeden Tag mehr als eine halbe Stunde ohne Verdienst, verzichteten zudem auf Sonderzahlungen. Die Aussichten seien derzeit alles andere als rosig, nicht nur für die Stahlsparte des Konzerns, sondern eben auch für den Lenkgetriebe-Hersteller in Mülheim: Der wichtige Kunde Tesla rufe Aufträge nicht wie geplant ab, zudem solle die Produktion von 120.000 Lenkungen nach Ungarn abwandern. Die Begründung? „In Mülheim zu produzieren, ist zu teuer.“

Die Stimmung unter seinen Kollegen im Saarner Presta-Werk an der Straße Sommerfeld sei entsprechend mies, schildert der Betriebsratsvorsitzende Fredy Biedermann. Dass eigentlich jedes Unternehmen, das zum Mutterkonzern Thyssenkrupp gehöre - wie die Mülheimer Spezialisten für Lenkgetriebe - den Sparzwängen unterworfen sei, sei da ein schwacher Trost. Zumal die Belegschaft bereits seit einigen Jahren nach einem sogenannten abweichenden Tarifvertrag arbeite, der einst verhandelt worden war, um den Bestand des Unternehmens längerfristig zu sichern.

Mülheimer Presta-Betriebsrat: „Es gilt Einstellungsstopp, wir mussten Schichten zurückfahren“

Die Thyssenkrupp-Tochter Presta sitzt mit ihrem Mülheimer Werk im Gewerbegebiet an der Kölner Straße in Saarn.
Die Thyssenkrupp-Tochter Presta sitzt mit ihrem Mülheimer Werk im Gewerbegebiet an der Kölner Straße in Saarn. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Nicht unerhebliche finanzielle Einbußen waren damals bereits eingepreist: „Die Kollegen arbeiten jeden Tag 36 Minuten umsonst, verzichten zudem auf Weihnachts- und Urlaubsgeld.“ Und das angesichts der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. Biedermann wird deutlich: „Es kann auf Dauer nicht so weitergehen, dass die Leute nur abgeben und nichts dafür bekommen, und stattdessen noch mehr sparen müssen.“

Allein diese Einschränkungen hätten bereits zu Abwanderung von Personal geführt. „Wir verlieren gute Leute“, schildert der Betriebsratsvorsitzende, der weiß: „Die nehmen lieber einen längeren Fahrtweg auf sich, wenn sie woanders eine bessere Perspektive haben.“ Aktuell bildeten noch knapp 300 Beschäftige die Presta-Mannschaft in Saarn. Mehr werden sie vorerst wohl nicht mehr: „Es gilt ein Einstellungsstopp, dabei hatten wir zuvor für den Vier-Schicht-Betrieb eingestellt, als es gut lief.“ Diese Zeiten scheinen erstmal vorbei: „Ende des Jahres mussten wir wieder auf drei Schichten zurückfahren.“

Mutterkonzern spricht von stabiler Lage bei Presta in Mülheim

Fredy Biedermann, der Betriebsratsvorsitzende des Mülheimer Presta-Werkes.
Fredy Biedermann, der Betriebsratsvorsitzende des Mülheimer Presta-Werkes. © Fredy Biedermann | Fredy Biedermann

Der Mutterkonzern stellt die wirtschaftliche Situation des Mülheimer Unternehmens indes anders dar. Auf Nachfrage heißt es seitens der Pressestelle von Thyssenkrupp Automotive Technology: „Die Thyssenkrupp Presta Mülheim GmbH ist, wie die gesamte europäische Automobilzulieferindustrie, von der aktuell schwachen Nachfrage betroffen. Dennoch ist es uns gelungen, im vergangenen Jahr neue Kunden zu gewinnen und neue Aufträge zu generieren. Dank dieser positiven Entwicklungen ist die wirtschaftliche Situation des Unternehmens stabil.“

Doch laut Betriebsratsvorsitzendem Biedermann schlage ins Kontor, dass zum einen Stückzahlen für BMW und Mercedes stark zurückgegangen seien, etwa weil der Sprinter nicht mehr im vorherigen Umfang gebaut werde, und zum anderen Großkunde Tesla nicht in dem Umfang Aufträge abrufe, wie ursprünglich geplant. Dadurch habe der Umsatz fürs Mülheimer Werk um 30 Millionen nach unten korrigiert werden müssen. „Wir hoffen, dass die Stückzahl bei Tesla wieder anzieht.“ Bestätigen mag das die Pressestelle nicht, zu einzelnen Kundenbeziehungen oder spezifischen Aufträgen wolle man sich nicht äußern.

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Weitere Einbußen für das Mülheimer Werk seien bereits absehbar, so Fredy Biedermann: „Presta zieht ein Produktionsvolumen von 120.000 Stück bei uns ab und verlagert das ins Werk nach Ungarn, denn der Standort Mülheim ist denen zu teuer.“

Aktuelle Sparpläne von Thyssenkrupp schlagen sich auf Mülheimer Werk nieder

Die Thyssenkrupp Tochter Presta stellt in Mülheim-Saarn Lenkgetriebe für Fahrzeuge her. Durch die Sparzwänge des Mutterkonzerns sieht der Betriebsratsvorsitzende den Betrieb unter Druck. (Archivbild)
Die Thyssenkrupp Tochter Presta stellt in Mülheim-Saarn Lenkgetriebe für Fahrzeuge her. Durch die Sparzwänge des Mutterkonzerns sieht der Betriebsratsvorsitzende den Betrieb unter Druck. (Archivbild) © WAZ FotoPool | MÜLLER, Oliver

Fürs Mülheimer Lenkungswerk sei im Rahmen der aktuellen Sparpläne von Thyssenkrupp die Maßgabe ausgegeben worden, dass im abgelaufenen Jahr 1,4 Millionen Euro einzusparen gewesen seien. „Erreicht haben wir aber nur 900.000 Euro. Was da fehlt, ist für einen kleinen Standort wie uns nicht gerade wenig. Und in ´25/´26 sollen wir noch mehr sparen“, so Biedermann. Wie das gehen soll? „Der Arbeitgeber wird versuchen, Personal einzusparen, indem man Arbeiten auf mehrere Schultern verteilt“, mutmaßt der BR-Vorsitzende und mahnt: „Dadurch werden die Mitarbeiter nicht gesünder, sondern eher kränker.“

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Prognose für die Presta-Zukunft in Mülheim-Saarn fällt verhalten aus

Dass es Pläne gebe, bei Presta Personal abzubauen, weist die Pressestelle von Thyssenkrupp Automotive Technology auf Anfrage zurück und erklärt: „Veränderungen im Personalbestand erfolgen ausschließlich über normale Fluktuationen, wie zum Beispiel durch den Auslauf von befristeten Verträgen oder Leiharbeitsverhältnissen.“

Biedermanns Prognose für die Presta-Zukunft fällt verhalten aus: „Wir haben in diesem Jahr nur knapp 700.000 Lenkungen gebaut und sollen durch die Verlagerung nach Ungarn nochmal 120.000 verlieren, dabei kamen wir mit über 800.000 von einem hohen Ast.“

Die Automotiv-Sparte generell, die nach Aussage Biedermanns Thyssenkrupp-weit rund 30.000 Mitarbeiter habe, werde wohl schon in diesem Jahr Auswirkungen des auferlegten Sparzwangs zu spüren bekommen. Er selbst sei seit 25 Jahren bei Thyssenkrupp, habe also schon einige Spar-Runden miterlebt, sagt der Presta-Betriebsratsvorsitzende, doch: „So schlimm war es noch nie.“ Über allem stehe die Frage: Wird der Konzern überhaupt überleben?

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