Mülheim. Ein anrührendes Fest in Mülheims Schloß Broich holte alte Menschen an Heiligabend aus der Isolation. „GeMHeinsam statt einsaMH“ hieß das Motto.
Was am Heiligen Abend mit ganz viel privatem Engagement und Unterstützung der Stadt Mülheim im Schloß Broich geboten wurde, war sicherlich das, was man gelebte Nächstenliebe nennt.
50 einsame ältere Menschen waren eingeladen, um ab 13 Uhr gemeinsam ein warmes Essen einzunehmen und ein paar schöne Stunden mit gut organisierter Unterhaltung zu verbringen. 50 Menschen, die sonst – alleine mit ihren Gedanken und Problemen – an diesem besonderen Abend zu Hause gesessen hätten.
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Ein halbes Jahr Vorbereitung auf einen besonderen Heiligabend in Mülheim
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Daniel Zschocke, städtischer Angestellter aus dem unmittelbaren Umfeld von Oberbürgermeister Marc Buchholz, und sein Freund Markus von der Heiden hatten schon vor längerer Zeit die Idee gehabt, ältere Menschen zumindest zu Weihnachten aus ihrer Einsamkeit zu holen und ihnen Gemeinschaft in einer schönen Umgebung zu ermöglichen.
Ein halbes Jahr hatten die Vorbereitungen in Anspruch genommen. Reichlich Geld- und Sachspenden wurden beiden gesammelt. „Die Spendenbereitschaft in Mülheim ist enorm“, lobt Zschocke. So konnte für die Feier und das Essen genügend Geld gesammelt werden, auch für Geschenkpakete reichte es. Die Stadt beteiligte sich unter anderem mit der kostenlosen Überlassung des Tecklenburger Saals im Schloss, einer großen, festlich geschmückten Räumlichkeit mit Gewölbedecke. Ein stilvoller Ort, wie man ihn sich für so eine Feier schöner kaum wünschen könnte. Und das Deutsche Rote Kreuz stellte einen Fahrdienst für die teilweise immobilen älteren Leute.
Mülheims Oberbürgermeister servierte die Getränke
Heiligabend im Schloß Broich
Nachdem die betagten Gäste Platz genommen hatten, wurden sie von einem großen Team ehrenamtlicher Helfer, die einen guten Teil ihres eigenen Feiertags für die Senioren hergaben, mit Getränken versorgt. Drei Damen eines Gospelchors nebst Keyboarder sorgten mit ihren kräftigen Stimmen und viel Schwung für gute Stimmung. Währenddessen war auch Stadtprominenz an der Versorgung der Gäste beteiligt. So sorgte etwa Mülheims OB - wenig staatstragend, dafür um so weihnachtlicher in einem knallroten Pullover mit Schneeflöckchen-Motiv - dafür, dass den Gästen die Getränke und auch die Gespräche nicht ausgingen.
Anfänglich war die Feier tatsächlich etwas ruhiger gestartet, mit zunehmendem Zeitablauf tauten die Eingeladenen aber auf, ließen sich von den Gospelsängerinnen mitreißen und sangen, klatschten und schunkelten zur Musik. Auch Zauberkünstler Lukas Jung, der von Tisch zu Tisch ging und fingerfertig sowie für das ungeübte Auge kaum nachvollziehbar Gegenstände wie etwa Münzen aus dem Nichts holte, sorgte für Staunen und manchen Lacher. Der von einem Gast geäußerte Wunsch, Jung möge doch vielleicht das Geld in seinem Portemonnaie vermehren, konnte oder wollte der Künstler aber nicht erfüllen, was der guten Laune jedoch keinen Abbruch tat.
Mülheims Hardrocker Andy Brings stimmte lieber kein Lied an
Mit Rockmusiker Andy Brings war ein weiteres bekanntes Gesicht unter den Saalhelfern. Ursprünglich waren die Veranstalter mit der Bitte um Weihnachtsmusik an ihn herangetreten. Das hatte der Hardrocker („Weihnachtsmusik von mir? Das wollt ihr nicht wirklich hören“), scherzhaft abgewiesen. Dafür war er sofort dabei, als es darum ging, sich an der Versorgung im Saal zu beteiligen.
Nachdem feine Kürbissuppe, Rouladen mit Klößen und Rotkohl und eine leckere Bratapfelcreme auf die Tische gebracht worden waren, ging es mit dem Programm, an dem die Gäste sichtlich Spaß hatten, bis 17 Uhr weiter.
Einsamkeit in Mülheim: Wenn die Familie weit entfernt wohnt
Nicht unbedeutend war die Frage, wer an diesem Heiligen Abend im Schloss zusammengekommen war. Warum waren die vielen Menschen nicht bei ihren Familien zu Hause? Warum gingen sie an diesem Tag auf eine Feier mit wildfremden Männern und Frauen? Einige Gespräche mit Beteiligten sorgten hier schnell für Klarheit. Das tragende Motiv war tatsächlich Einsamkeit.
So berichteten Waltraud und Walter Schäfer, ein altes Ehepaar von 90 und 93 Jahren, dass ihre einzige Tochter weit weg in Schleswig-Holstein lebe und aufgrund ihrer fortgeschrittenen Multiplen Sklerose nicht mehr reisefähig sei. Die älteren Herrschaften, die im vergangenen Jahr noch einen Besuch im Norden gemacht hatten, fühlten sich mittlerweile für so eine Reise aber selbst zu schwach und können auch die Hotelkosten während des Aufenthalts nicht mehr aufbringen.
Mann, Sohn und Tochter gestorben: Mülheimerin jetzt ganz alleine
Zwei Tische weiter saß Erika Beinert, die durch ihren Pflegedienst auf die Feier aufmerksam gemacht worden war. Die 82-Jährige hatte in den vergangenen Jahren den Tod ihres Mannes und ihrer beiden Kinder, eines Sohnes und einer Tochter, zu beklagen und ist nun alleine. Eine andere Frau wollte durch die Feier ein wenig vom Jahre zurückliegenden Suizid ihres Sohnes abgelenkt werden. Und eine 68-Jährige hatte vor sieben Jahren ihren einzigen Sohn bei einem Autounfall verloren: „Es schneidet wie ein Messer ins Herz. Einsamkeit kann körperlich weh tun.“
„Es schneidet wie ein Messer ins Herz. Einsamkeit kann körperlich weh tun“
Überall waren Schicksalsschläge und Lebenswege zu hören, die den Betroffenen geliebte Menschen und damit zum Teil auch ihre wichtigsten Sozialkontakte genommen hatte. Zumindest an diesem Nachmittag konnten die meisten aber sicher einmal vorübergehend aus ihrer Isolation entkommen und gute Gespräche führen. Das war den zahlreichen ehrenamtlichen Helfern und den vielen Spendern zu verdanken, die die Stunden in dem prachtvoll beleuchteten Rittersaal möglich gemacht hatten. Nach der Feier dürfte es für viele der Gäste wieder sehr still geworden sein.
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