Mülheim. 2009 terrorisieren Michalski und Heckhoff NRW. Schon 18 Jahre zuvor war einer der beiden in eine dramatische Geiselnahme in Mülheim involviert.

Einen Rollentausch zwischen Polizei und Kriminellen hielt am 14. Februar 1991 Mülheim und die angrenzenden Städte im Atem. Dieses mal nahm nicht die Polizei einen Straftäter fest, sondern ein Schwerkrimineller brachte zwei Mülheimer Kriminalbeamte im Präsidium an der Von-Bock-Straße in seine Gewalt.

Aber ganz von vorne: Am 17. Januar hatte ein unbekannter Täter die Sparkassen-Filiale in Styrum mit einer Maschinenpistole überfallen. Zunächst hatte er morgens die Putzfrau abgefangen, die vor Filialöffnung die Räume reinigen wollte. Danach passte er nach und nach die gesamte Belegschaft ab und presste seinen Opfern 330.000 Mark aus dem Tresor ab. Er sperrte alle in eine Kammer der Filiale ein und flüchtete unerkannt. Schon wenig später gingen zu dem Fall Hinweise ein und eine der Spuren führte zu dem polizeibekannten Verbrecher Michael Heckhoff, einem Mülheimer, der ursprünglich in Dümpten seine Wurzeln hatte. Heckhoff wohnte zu dieser Zeit im CVJM-Heim an der Teinerstraße.

Mit dieser Information ausgestattet brachen am 14. Februar eine Kriminalbeamtin und ein -beamter des Polizeipräsidiums an der Von-Bock-Straße auf, um Heckhoff festzunehmen. Man wusste zu dieser Zeit seinen Aufenthaltsort. Treffer! Wenig später betraten die Kriminalbeamten dann auch tatsächlich das Präsidium. Bei ihnen, an den Händen gefesselt, der 32-jährige Heckhoff. Die Ermittler führten den Straftäter in ein Büro und nahmen ihm die Handfesseln ab, um ihn zu vernehmen.

In diesem Moment bekam die Sache Dramatik: Heckhoff war von den Beamten bei seiner Festnahme nicht ausreichend durchsucht worden. Als er aufgefordert wurde, seine Taschen im Büro auszuleeren, zog er plötzlich eine Pistole aus der Tasche. Er zwang den 40-jährigen Polizisten, ihm seine Dienstwaffe zu übergeben, und hielt der 35 Jahre alten Beamtin seine Waffe an den Kopf. Die Polizisten befanden sich jetzt in seiner Gewalt.

„Die Frau ist tot, wenn sich einer dem Wagen nähert“

Das Ganze spielte sich kurz nach 16 Uhr ab, nachdem der größte Teil der Kripo schon in den Feierabend gegangen war. Es gelang Heckhoff, mit seinen Opfern das Präsidium zu verlassen und den Zivilwagen, einen Opel Ascona, zu besteigen, mit dem er gerade noch zur Wache transportiert worden war. Der Schwerverbrecher dirigierte den Wagen mit den Geiseln Richtung Essen. Als er bemerkte, dass er von zwei Streifenwagen verfolgt wurde, machte er über Funk an die Einsatzleitstelle eine harte Ansage: „Die Frau ist tot, wenn sich einer dem Wagen nähert.“ Dabei riss er den Kopf der Frau an den Haaren nach hinten und hielt ihr eine Pistole an den Hals.

Ein Zeitungsbericht vom 20. Februar 1991 arbeitet die dramatischen Ereignisse um den Überfall auf die Sparkassen-Filiale in Mülheim-Styrum noch einmal auf.
Ein Zeitungsbericht vom 20. Februar 1991 arbeitet die dramatischen Ereignisse um den Überfall auf die Sparkassen-Filiale in Mülheim-Styrum noch einmal auf.

Die Fahrt mit dem Dienstwagen endet in der Tiefgarage unter dem Kennedyplatz in der Stadtmitte. Heckhoff befahl dem Kriminalbeamten noch, das Funkgerät des Wagens zu zerstören. Dann flüchtete er zu Fuß mit seiner weiblichen Geisel in unbekannter Richtung. Die Beamtin hatte er mit einer Handfessel an sich gekettet.

Mülheimer Schwerverbrecher flieht mit Geisel nach Essen-Rüttenscheid

Der nächste Akt des Stücks führte nach Essen-Rüttenscheid. Heckhoff hatte in der Stadtmitte in der Nähe eines Möbelhauses einen Autofahrer gezwungen, ihn und die Beamtin nach Rüttenscheid in die Cäcilienstraße zu fahren. Dort hatte er nach späteren Erkenntnissen wohl einen Komplizen, möglicherweise seinen eigenen Bruder, treffen wollen. Kurz darauf tauchten Heckhoff und seine unfreiwillige Begleitung in einer Wohnung in der Ernastraße in Rüttenscheid auf.

Unter unbekannten Umständen fiel in der Wohnung ein Schuss. Danach verlor sich die Spur des Gangsters und seiner Geisel erst einmal wieder. Im Laufe der weiteren Flucht wurde ein Taxifahrer mit seinem Fahrzeug als Geisel genommen. Heckhoff beordert den Mann – die Polizistin war inzwischen in den Kofferraum des Taxis eingesperrt worden – nach Dortmund. Der Mülheimer verließ dort schließlich den Wagen, nicht ohne sich noch das Portemonnaie des Chauffeurs mit 500 Mark zu schnappen, und flüchtete mit unbekanntem Ziel. Als er endlich weg war, befreite der Taxifahrer die Polizeibeamtin aus ihrem engen Verlies. Alle Geiseln waren nun frei.

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Zwischenzeitlich waren auch das Zimmer Heckhoffs im CVJM-Heim sowie ein Schließfach am Hauptbahnhof, das ihm zugeordnet werden konnte, durchsucht worden. In dem Fach lag eine Maschinenpistole. Bei ihr handelte es sich aber offensichtlich nicht um dasselbe Modell wie bei dem Überfall auf die Styrumer Sparkasse. Das Heim wurde in den Tagen darauf von Zeitungsreportern, Rundfunk- und Fernsehteams förmlich gestürmt. Alle wollen von der Heimleitung wissen, wie sie ihren verbrecherischen Bewohner wahrgenommen hatten. CVJM-Sekretär Karl-Heinz Gutzler enttäuschte die Journalisten: „Er war sauber und ordentlich. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen.“

Heckhoff, der wie vom Erdboden verschwunden schien, stellte sich schließlich nach einer Woche der Polizei. Er ließ sich in der Wohnung seiner Schwester Michaela an der Hermann-Holthoff-Straße in Dümpten festnehmen. Ein Sozialarbeiter der Justizvollzugsanstalt Werl, zu dem Heckhoff Kontakt gehalten hatte, hatte ihn zur Aufgabe überredet.

Michael Heckhoff: Große Bewunderung für Hans-Jürgen Rösner

Repro der Ausgabe vom 21. Februar 1991: Michael Heckhoff streitet seine Tatbeteiligung am Bankraub ab. Mutter und Schwester nehmen ihn ebenfalls in Schutz.
Repro der Ausgabe vom 21. Februar 1991: Michael Heckhoff streitet seine Tatbeteiligung am Bankraub ab. Mutter und Schwester nehmen ihn ebenfalls in Schutz. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Vor wie auch nach der Geiselnahme im Präsidium machte Heckhoff durch schwere Kriminalität von sich reden. So hatte er vor der Tat mit kurzen Unterbrechungen ein Drittel seines Lebens, insgesamt elf Jahre, im Gefängnis gesessen. In der Haft hatte er auch den Geiselgangster und Mörder von Gladbeck, Hans-Jürgen Rösner, kennengelernt, dem er große Bewunderung entgegenbrachte.

18 Jahre nach der Entführung der Kriminalbeamten, im November 2009, hielt Heckhoff schließlich noch einmal ganz Nordrhein-Westfalen in Atem, als er zusammen mit einem schwerkriminellen Mitinsassen aus der JVA Aachen ausbrach und über mehrere Tage hinweg eine ganze Serie von Geiselnahmen hinlegte. Auch dabei führte ihn sein Weg in seine Heimatstadt Mülheim. In diesen Tagen gehörten Polizeibeamte mit Maschinenpistolen in Mülheim zum Straßenbild, die Stadt war in Angst. Zwei Schwerstverbrecher waren unterwegs. Heckhoff wurde am 29. November in Mülheim festgenommen. Seinen Komplizen erwischte es zwei Tage später in Schermbeck im Kreis Wesel.

Von 65 Lebensjahren mehr als 45 hinter Gittern

Mülheim wird der brandgefährliche Heckhoff, der von 65 Jahren mittlerweile mehr als 45 hinter Gittern verbracht hat, vermutlich nie mehr wiedersehen. Er sitzt lebenslänglich, Sicherungsverwahrung inklusive, ein. Seine letzten Worte im Prozess „Ich will nicht im Knast verrecken!“

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