Mülheim. Der CVJM blickt auf eine lange, traditionsreiche Geschichte zurück. Was in 175 Jahren passiert ist: von den Anfängen bis zum heutigen Stand.
Er ist einer der ältesten Vereine der Stadt, der CVJM. Vor 175 Jahren wurde der Christliche Verein Junger Menschen als Evangelischer Männer- und Jünglingsverein aus der Taufe gehoben. Seinen heutigen Namen trägt der inzwischen von zwei Frauen, Jutta Tappe und Alina Gerdau, geführte Verein seit 1981. Heute mag man es kaum glauben, dass es bis 1972 dauerte, ehe der CVJM Frauen als Vereins- und Vorstandsmitglieder in seine Reihen aufnahm. 1848, das Gründungsjahr, war ein revolutionäres Jahr, in dem die Bürger erstmals nach Freiheit und nationaler Einheit verlangten. Es war aber auch die Zeit der voranschreitenden Industrialisierung und Urbanisierung.
Junge Männer kamen auf ihrer Suche nach Arbeit als Arbeiter und Handwerker in die Stadt. Oft kamen sie allein, ohne festen Halt und ohne Orientierung für ihr Leben. Vereinsamung und fehlende soziale Integration waren auch damals ein Thema. Hier setzten die CVJM-Gründer an. Sie gründeten nicht nur eine Sonntagsschule zur Vermittlung christlicher Werte, sondern errichteten an der Friedrichstraße 1860 ein erstes Vereinshaus, in dem wandernde und alleinstehende Arbeiter und Handwerker eine gute Unterkunft und eine gute Gemeinschaft fanden.
CVJM Mülheim: Arbeit hat immer zwei Seiten
Aus den Reihen des Vereins gingen auch sozialpolitische Initiativen zur Gründung des Evangelischen Krankenhauses und der Schmitts-Waisenstiftung aus. Die jungen evangelischen Männer in Mülheim wussten, wie der Gründer der katholischen Gesellenvereine, Adolph Kolping, dass die Sorge sowie Leib und Seele immer zwei Seiten derselben menschlichen Medaille sind.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erweiterte sich der Christliche Verein Junger Männer, diesen Namen führte er ab 1907, auf die Mülheimer Stadtteile und stellte mit Wilhelm Keienburg (1908) und Johannes Pieper (1925) erstmals hauptamtliche Mitarbeiter an. Infolge der Hyperinflation und der Weltwirtschaftskrise sah sich der CVJM Ende der 1920er Jahre gezwungen, sein großes Vereinshaus an der Friedrichstraße in ein Hotel umzubauen, das unter seinen neuen Eigentümern zum Handelshof wurde.
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Doch der Verein konnte in neuen Häusern an der Wertgasse, an der Vereins- und an der Kampstraße seine soziale und seelsorgerische Arbeit fortsetzen. Ab 1946 organisierte der CVJM erstmals auch Sommerfreizeiten für Jugendliche, zunächst am nahen Niederrhein. Seit 1962 lebt, lernt, arbeitet und feiert die CVJM-Familie in ihrem Vereinshaus an der Teinerstraße. „Es ist für uns ein Segen, dass wir Eigentümer des CVJM-Zentrums auf dem Kirchenhügel sind, so dass unsere Arbeit nicht immer wieder zur Disposition steht“, sagt der Sozial- und Religionspädagoge Michael Lingenberg, der seit 2019 als leitender Referent des CVJM organisatorisch den roten Faden der Mülheimer CVJM-Arbeit in Händen hält.
Mülheimer CVJM hat sich im Laufe der Zeit deutlich gewandelt
Bibelstunden, gemeinsame Freizeitgestaltung und aktivierende Persönlichkeitsbildung gehören heute wie damals ebenso zur DNA des CVJMs wie die Bereitstellung von Übergangswohnraum und die Sorge für das leibliche Wohl bedürftiger Menschen, etwa bei einer Heiligabendfeier mit und für Alleinstehende. Die CVJM Gründer wollten die jungen Männer einst vor den Gefahren der Großstadt schützen. Gemeinschaft und Sinn zu stiften ist zeitlos aktuell.
„Auch wir verstehen uns als ein Haus der offenen Türen, das als ein Teil der Stadt, etwas Gutes für die Stadtgesellschaft bewirken möchte“, unterstreicht Lingenberg. Das junge Menschen, auch jene, die die deutsche Sprache noch nicht beherrschen, im CVJM-Zentrum praktische Lebenshilfe bekommen, wenn es für sie zum Beispiel um die Erledigung der Hausaufgaben, das Schreiben einer Bewerbung oder das Ausfüllen eines Antrags für Hilfeleistungen geht, passt für Langenberg zum Kern des CVJM.
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Dabei ergeben sich immer wieder Veränderungen. So ist der 2008 vom CVJM eingerichtete Mittagstisch für Schüler durch die Einrichtung der Offenen Ganztagsgrundschule überflüssig geworden. Und während der Corona-Zeit musste auch die Gruppenarbeit im CVJM digitalisiert werden. „Unsere Bibelstunde gehörte zu den ersten Onlineveranstaltungen, so dass sie auch während der Pandemie kein einziges Mal ausfallen musste“, freut sich Lingenberg. Mit Blick auf die junge Generation stellt er fest: „Jugendliche wollen heute die Umgebung, in der sie leben, mitgestalten und wir verschaffen ihnen hier den Freiraum dafür.“
So hat sich mit hauptamtlicher Unterstützung im CVJM-Zentrum an der Teiner Straße ein Mädchentreff etabliert. Und die schon etwas länger existierende Gruppe „Next Generation“ verbindet zeitgemäß Musik, Gesang, gemeinsame Freizeitaktivitäten und den inspirierenden Blick in die Bibel miteinander. Der Kreis der CVJM-Geschichte schließt sich für Michael Lingenberg „auch damit, dass wir derzeit zusammen mit der Diakonie darüber nachdenken, unser Wohnheim für von Obdachlosigkeit bedrohte Männer in ein Studentenwohnheim umzuwandeln, weil das unserem personellen und inhaltlichem Profil vielleicht eher entspricht, als die professionelle Betreuung von Menschen.“
Derzeit wird die CVJM-Arbeit von 70 ehrenamtlich Mitarbeitenden getragen. Hinzukommen dreieinhalb Stellen für die offene Jugendarbeit, die von den Beiträgen der 200 Mülheimer CVJM-Mitglieder und durch Mittel der Stadt und des Landes finanziert werden.