Mülheim. Janine Weimer hat mehrfach sexualisierte Gewalt erfahren. Bürokratische Hürden erschweren der Mülheimerin die Bewältigung des Traumas.

Sie ist noch nicht einmal 30 Jahre alt und doch ist schon jetzt sicher, dass Janine Weimer aus Mülheim-Heißen wahrscheinlich nie das Leben leben wird, das sich die junge Sozialarbeiterin einmal erträumt hat. Mehrfach hat sie in den vergangenen Jahren sexualisierte Gewalt erfahren, zuletzt im Sommer 2021. Bis heute kämpft sie mit den psychischen und physischen Folgen – und nicht zuletzt mit Behörden und Bürokratie.

Die Gerichtsverfahren, ihre Suche nach einem Therapieplatz, um die diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) in den Griff zu bekommen, und die Tatsache, dass die Männer, die ihre Lebenspläne zerstört haben, mit Bewährungsstrafen davongekommen sind, haben Janine eines vor Augen geführt: „Man geht davon aus, dass Opferschutz in Deutschland großgeschrieben wird, aber das ist nicht so. Wir haben immer noch ein System gegen Opfer und für Täter.“

Auf jede nur erdenkliche Weise hat die 29-Jährige seit dem letzten Übergriff vor drei Jahren versucht, Hilfe zu bekommen. Sie hat sich an den Opferschutz gewandt, an eine Trauma-Ambulanz, hat Klinikaufenthalte hinter sich, geht zur ambulanten Therapie. Doch das System, sagt sie, „greift nicht, man fällt einfach durchs Netz“. Zu groß sei für sie - und für viele andere psychisch Erkrankte - die zusätzliche Überforderung durch die Bürokratie.

Anwältin und Weisser Ring rieten Mülheimerin von einer Therapie ab

Besonders hart trifft Janine etwa die Tatsache, dass ihr sowohl ihre Anwältin als auch die Opferschutz-Initiative Weisser Ring unmittelbar nach der Vergewaltigung 2021 von einer Traumatherapie abgeraten hatten, um ihre Glaubwürdigkeit vor Gericht nicht zu gefährden. Doch bis zum Prozess dauerte es zwei Jahre, die Janine weitgehend ohne Unterstützung durchstehen musste. „Heute weiß ich, dass das nicht richtig war. Hätte ich damals schon mit der Aufarbeitung begonnen, ginge es mir heute vielleicht besser.“

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„Man muss“, fasst es Janines Freundin Diana Steffens zusammen, „quasi betteln, um Hilfe zu bekommen, und das macht das Ganze noch so viel schlimmer“. Beide Frauen haben Soziale Arbeit studiert, sind also durchaus drin im Thema. „Doch zu wissen, was offiziell angeblich alles möglich wäre, wenn nur das Geld dafür da wäre, macht es nicht einfacher. Der Bedarf ist hoch, aber es gibt einfach nicht genug Psychotherapeuten mit Kassenzulassung.“

Janines Fall ist zudem kompliziert: Aufgrund der durchlebten Traumata hat sie eine Essstörung entwickelt – und findet deshalb keinen Therapieplatz in einer gesetzlichen PTBS-Klinik. Ihr Fazit klingt zynisch: „Zu viele gleichzeitige Erkrankungen überfordern offenbar das System.“ Für eine private Klinik ist die Diagnose dagegen scheinbar kein Problem. Doch dafür reicht das Geld der Mülheimerin nicht.

Nur noch ein ambulanter psychiatrischer Pflegedienst in Mülheim

Ein ambulanter psychiatrischer Pflegedienst (APP) wurde der 29-Jährigen nur für einen begrenzten Zeitraum bewilligt. Mittlerweile hat der damalige Träger die Maßnahme aus finanziellen Gründen komplett aus dem Angebot genommen. „Damit bleibt nur noch ein APP-Anbieter in Mülheim, aber der hat mich nicht genommen, weil ich zu instabil bin, obwohl die APP ja eigentlich genau dafür da ist.“ Jetzt bleibt ihr als Unterstützung nur das ambulant betreute Wohnen, das aber dem Bedarf nicht gerecht werden kann.

Aktuell versucht Janine, einen Pflegegrad und eine gesetzliche Post-Betreuung zu bekommen, damit ihr jemand bei der Behördenkommunikation hilft. Doch: „Der ganze Prozess, irgendwie Hilfe zu finden, ist so frustrierend. Und das Schlimme ist, dass ich einfach nicht abschließen kann mit dem Erfahrenen, weil es ständig neue Anträge gibt, weil ich ständig nachweisen muss, dass ich das Opfer bin und andere die Täter.“

Die Namensgleichheit mit unserer Autorin ist rein zufällig; es besteht keinerlei verwandtschaftliches Verhältnis.

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