Mülheim. Ein Mülheimer Vermieter wartet seit Jahren vergeblich darauf, dass eine Familie ihre Wohnung räumt. Nun macht er ernst. Doch die Lage ist heikel.

Wann ist es gerechtfertigt, eine Familie ihrer Wohnung zu verweisen? Und wann muss Gnade vor Recht ergehen? Wie schwierig es ist, diese Frage zu beantworten, zeigt ein aktueller Fall aus Mülheim.

Am Dienstag, 12. November, soll Familie Köhler (Name von der Redaktion geändert) per Zwangsräumung ihrer Wohnung verwiesen werden.

Mülheimer Familie muss sehen, wo sie unterkommt

„Das Ordnungsamt hat von der Räumung Kenntnis erhalten. Ihre anderweitige Unterbringung ist nicht Sache des Gerichtsvollziehers“, steht auf dem Bogen mit dem Betreff „Zwangsvollstreckungssache“.

Der Hausrat der Familie wird laut Schreiben vier Wochen lang auf Kosten der Köhlers eingelagert. Alles, was danach nicht abgeholt wurde, wird vernichtet oder verwertet.

Konflikt mit dem Mülheimer Vermieter besteht schon lange

Familie Köhler liegt seit langem mit ihrem Mülheimer Vermieter über Kreuz, wie uns Manuela Köhler offen berichtet. „Ein Nachbar hat sogar Unterschriften gesammelt. Man will uns hier loswerden“, erzählt die 62-Jährige.

Immer wieder sei es zu Konflikten und auch gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen. Als Verleumdung und Lügen bezeichnet es Manuela Köhler. Gleichzeitig räumt sie Mietschulden ein. Deutlich wird: Die Verhältnisse sind zerrüttet.

Räumung der Mülheimer Wohnung wurde mehrfach aufgeschoben

Seit acht Jahren wohnt sie mit ihrem Mann und ihrer erwachsenen Tochter in dem Mehrfamilienhaus. Wie uns ihr Anwalt Marc Hessling mitteilt, steht seit etwa eineinhalb Jahren die Räumung zur Debatte.

„Es wurde damals eine Räumungsvereinbarung getroffen, die Räumung wurde seitdem mehrfach aufgeschoben.“

Mülheimer Vermieter hält an Räumung fest

Nun duldet der Vermieter keinen weiteren Aufschub. Auf Nachfrage teilt er unserer Redaktion mit: „Die Räumung wird am kommenden Dienstag stattfinden, sie wird polizeilich begleitet und das aus gutem Grund. Wir mussten eine Lösung im Sinne der Hausgemeinschaft finden, die nun leider so aussieht.“

Der Vermieter räumt im Gespräch aber auch ein, dass er kaum mit Verständnis in der Öffentlichkeit für diese Entscheidung rechnet. Denn es gibt eine weitere Seite der Geschichte.

Die größte Sorge der Mülheimerin gilt ihrem Mann

Ralf Köhler ist todkrank. Der 67-Jährige ist fortgeschritten an Lungenkrebs erkrankt, leidet unter Knochenmetastasen und ist schwer pflegebedürftig. Die Familie befindet sich in einer Ausnahmesituation. Bei der Schilderung der täglichen Pflege und der Sorge um ihren Mann bricht Manuela Köhler mehrfach in Tränen aus.

„Mir wurde gesagt, ich soll meinen Mann in ein Hospiz geben, aber das geht nicht mal eben. Da gibt es eine Warteliste“, sagt sie. Aber es ist nicht nur das. Sie will weiterhin mit ihrem Mann zusammenleben, hat die Hoffnung auf eine erfolgreiche Therapie nicht aufgegeben.

Amtsarzt bestätigt kritischen Zustand des Mülheimers

Manuela Köhler zeigt mehrere ärztliche Atteste, die den kritischen Zustand ihres Mannes bescheinigen. Darunter ist auch ein Gutachten des sozialpsychiatrischen Dienstes vom 5. November.

Darin schildert ein Amtsarzt, dass Ralf Köhler „weitgehend bettlägerig und nur kurzzeitig im Rollstuhl mobilisierbar“ ist. Ebenso heißt es. „Eine Zwangsräumung ohne eine neue Wohnung stellt daher eine gravierende Gesundheitsgefahr und eine unzumutbare Härte dar.“

Mülheimerin: Neue Wohnung war nicht zu finden

„Mir wird vorgeworfen, dass ich mich nicht genug um eine Wohnung gekümmert habe. Aber das ist nicht so leicht in meiner Situation. Die Pflege meines Mannes fordert Kraft, daneben brauchen wir eine behindertengerechte Wohnung und dann kommt noch ein Schufa-Eintrag dazu“, räumt Manuela Köhler offen ein.

Vieles kommt in diesem Fall zusammen, dennoch bleibt unter dem Strich eine Frage: Kann es trotz allem gerechtfertigt sein, einen Sterbenskranken der Wohnung zu verweisen?

Mülheimerin gibt trotz schlechter Aussichten nicht auf

„Hier stehen die Grundrechte der Familie den Rechten des Eigentümers gegenüber“, sagt der Anwalt. Er hat Rechtsmittel eingelegt, verweist auf die vorliegenden Atteste sowie den grundrechtlich garantierten Schutz von Leben und Gesundheit sowie Ehe und Familie. Gleichzeitig räumt er im Gespräch ein, dass nun mal seit langem ein vollstreckbarer Titel vorliege.

Fakt ist auch: Die Familie hat keine neue Wohnung. Wenn sie am Dienstag auf die Straße gesetzt wird, bleibt nur die Notschlafstelle oder eine sogenannte Übergangswohnung. „Undenkbar“, sagt Manuela Köhler, „wir müssen in der Nähe der Ärzte bleiben und behindertengerecht sind diese Wohnungen auch nicht.“

Manuela Köhler will noch nicht aufgeben. Gleichzeitig sagt sie: „Es ist unerträglich, ich kann nichts mehr essen. Ich habe große Angst.“

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