Mülheim. Bezahlbare Wohnungen für Singles, Senioren, Familien: Für wen ist die Suche in Mülheim besonders schwierig? Gutachter haben den Markt untersucht.
Wie viele Neubau-Wohnungen braucht Mülheim? In welcher Größe? Für welches Klientel, in welchen Preisklassen? All diese Fragen sind noch unbeantwortet, aber von Gewicht für die Stadtentwicklung, insbesondere auch für die Planung von Großprojekten wie etwa der Parkstadt auf ehemaligem Tengelmann-Terrain. Antworten verspricht Bau- und Planungsdezernent Felix Blasch noch für dieses Jahr.
Das entsprechende „Handlungskonzept Wohnen“ soll im Entwurf Ende September in einer Sitzung des „Bündnisses für Wohnen“ erstmals vorgestellt und diskutiert werden, so Blasch. So sollen die Wohnungswirtschaft und die Sozialverbände noch die Möglichkeit haben, ihre Expertise einzubringen. Danach soll das Konzept veröffentlicht und in den politischen Gremien beraten werden. „Ich gehe aktuell davon aus, dass wir die Sitzungsfolge November/Dezember erwischen“, sagt Blasch. Zuletzt hatte es ein solches Konzept 2012 gegeben.
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Insbesondere die Migration ließ Mülheims Einwohnerzahl zuletzt steigen
Bislang hatte es nur einen Zwischenbericht der von der Stadt mit der Konzepterstellung beauftragten Gesellschaften Inwis Forschung & Beratung sowie Neitzel Consultants gegeben - wiederum in nicht öffentlich tagender Runde des Bündnisses für Wohnen. Hierbei haben diese ein paar Entwicklungen herausgestellt, wie eine Präsentation zeigt, die dieser Redaktion vorliegt.
So hat Mülheim seit 2013 vier Prozent beziehungsweise 6900 Einwohner hinzugewonnen. Das liegt im Landestrend, der Zuwachs ist aber höher als in den direkten Nachbarstädten. Insbesondere die Zuwanderung von Geflüchteten machen die Gutachter dafür verantwortlich. Gegebenenfalls wirke aber auch die 2016 eröffnete Hochschule Ruhr West anziehend.
„Überdurchschnittlich viele Familien“ auf dem Mülheimer Wohnungsmarkt
Überdurchschnittliche Wanderungsgewinne seit 2018 sehen Inwis und Mitstreiter mit Verweis auf Landesdaten insbesondere bei Haushalten im mittleren Alter (30 bis 50 Jahre), auch Minderjährigen sowie 25- bis 30-Jährigen. „Überdurchschnittlich viele Familien“ seien am Wohnungsmarkt zu befriedigen. Insbesondere im Vergleich zu anderen kleinen Großstädten, aber auch zum Landestrend sei der Zuwachs in der Altersgruppe derjenigen, die ihren ersten eigenen Haushalt gründen, derweil gering (Zuwachs unter einem Prozent).
Gar Wanderungsverluste verzeichnete Mülheim bei den sogenannten Best Agern (50 bis 65 Jahre) und bei Senioren ab 65. Die These, die noch zu bestätigen wäre: Ist das allein schon ein Anhaltspunkt dafür, dass die älteren Generationen in Mülheim nicht die Wohnqualitäten finden, die sie wünschen?
In Mülheim entstanden in den letzten zehn Jahren mehr Wohnungen als anderswo
Weiterhin sehen die Wohnungsmarktexperten positive Rahmenbedingungen für Wohnbauprojekte in Mülheim. Das machen sie an einer vergleichsweise geringen Arbeitslosenquote und hohen Kaufkraft fest oder am Einwohnerzuwachs. Durch all dies hebe sich Mülheim von anderen, strukturschwächeren Städten in der Region ab. Auch profitiere Mülheim vom wachsenden Arbeitsmarkt im nahen Düsseldorf.
Dass Investoren dies durchaus schon in der Vergangenheit auf dem Schirm hatten, zeigt etwa, dass in Mülheim im Vergleich zum Durchschnitt der anderen Ruhrgebietsstädte in den vergangenen zehn Jahren mehr Neubauten entstanden seien, im Schnitt 328 Wohneinheiten im Jahr. Die aktuell schwierigen Marktbedingungen (hohe Baupreise, Zinsen) bremsen allerdings stark; auch Eigentum konnten sich zuletzt immer weniger Menschen leisten. Ein einfaches Marktgesetz: Sind die Preise hoch, sinkt die Nachfrage.
Gutachter stellen für Mülheim hohe Mietpreissteigerungen heraus
Solide sei die Nachfrage nach Mietwohnungen, sowohl im Altbestand der Vor- und Nachkriegsbauten als auch bei „modernen Wohnqualitäten zu bezahlbaren Preisen“, heißt es nach der Auswertung von Daten bei Immobilienscout24 für die Jahre ab 2015. Hier sei allerdings eine starke Mietpreissteigerung von fünf Prozent jährlich festzustellen und für das vergangene Jahr eine durchschnittlich verlangte Quadratmetermiete von rund 9 Euro. Das ist ein Niveau wie in Essen, in direkter Nachbarschaft sei nur Ratingen noch teurer.
Mit Sorge blicken die Gutachter auf die Entwicklung bei preisgünstigen Wohnungen. Bis zum Jahr 2035 drohe der Stadt ein Verlust von 1200 Preisbindungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau. Auch wenn die Drohszenarien anderswo noch viel gewaltiger daherkommen, wird es für die Stadt darauf ankommen, dass der Staat durch verstärkte Neubau- und Modernisierungsförderung gegensteuert. Ohne dies würden in gut zehn Jahren keine 3500 preisgebundenen Wohnungen mehr in Mülheim am Markt sein. Heute sind es noch rund 4500.
Gespannt sein dürfen Bürgerinnen und Bürger, Politikerinnen und Politiker, auch Investoren nun darauf, welche Ergebnisse die Gutachter bei ihrer Analyse herausarbeiten zur Frage, welchen Wohnungsbedarf Mülheim aktuell und in Zukunft in den verschiedenen Segmenten haben wird. Versprochen sind gar quartiersscharfe Aussagen und Handlungsempfehlungen, die in der Stadtentwicklung zum Tragen kommen sollen. Sie sollen der Politik etwa auch Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage geben, welchen Wohnraum die Parkstadt auf dem ehemaligen Tengelmann-Areal oder andere Neubau-Quartiere vorhalten sollten.
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