Mülheim/Essen. Mülheims Stadtrat hat den Ausstiegsbeschluss schon einkassiert, Essen soll in Kürze folgen: Die Flughafen-Gegner sind erzürnt. Ihre Argumente.

Es hat einige Wochen gedauert, jetzt aber kommt sie laut und scharf daher: die Kritik des Netzwerkes „Mülheimer Bürger gegen Fluglärm“ gegen den zumindest schon in Mülheim gefassten Ratsbeschluss, den Flughafen doch für eine Zukunft über das Jahr 2034 fit zu machen.

Der Mülheimer Koalition aus CDU und Grünen wirft Netzwerk-Vertreter Waldemar Nowak vor, mit dem Ausstieg vom einstigen Ausstiegsbeschluss eine 180-Grad-Wende zu vollziehen, die eine Entwicklung zum „schwarz-grünen Privatjet-Flughafen“ möglich mache. „Damit geben sie grünes Licht für umweltschädlichen Luftverkehr über Mülheim“, so Nowak. Rüste man den Verkehrslandeplatz - wie geplant - mit einem GPS-gestützten Instrumentenlandesystem aus, werde Flugverkehr bei nahezu allen Wetterbedingungen möglich.

Netzwerk gegen einen massiven Ausbau des Flughafens Essen-Mülheim

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Insgesamt wendet sich das Netzwerk gegen einen massiven Ausbau, den es befürchtet, sollten neue Hangars und Gebäude entstehen, Rollwege sowie Start- und Landebahn erneuert werden, flugaffines Gewerbe ansiedeln oder Flugverkehr mit Düse oder mit Maschinen von bis zu 25 Tonnen Startgewicht möglich werden. Tatsächlich hatte Mülheims Stadtrat schon 2020 entschieden, dass erforderliche Genehmigungen eingeholt werden sollen, um auf den Raadter Höhen auch Starts und Landungen von kleinen Düsenflugzeugen zu ermöglichen.

Mit dem GPS-System hoffen Befürworter allerdings auf eine Lärmreduzierung, die Zahl der Flugbewegungen soll auf 60.000 im Jahr begrenzt werden laut erfolgreichem Begleitantrag von CDU und Grünen. Das Anti-Flughafen-Netzwerk sieht trotzdem weitere Umweltbelastungen - auch wegen der Pläne, den Flughafen als Drehkreuz mit Vertiport für Flugtaxis so auszurüsten, dass er eine Rolle spielen könnte als Drehscheibe für innovative E-Fliegerei zwischen regionalen Landeplätzen.

Flughafen-Gegner: „Andere Meinungen wurden weder geprüft noch berücksichtigt“

„Die Umweltbelastung sowie die schlechte Finanzlage der Stadt Mülheim verlieren die Fraktionen komplett aus den Augen“, kritisiert Nowak. Ein Dorn im Auge ist ihm auch das bisherige Verfahren zur Zukunftsplanung. Die Beschlüsse (in Essen soll ihn der Stadtrat nach den Ferien fassen) seien „hinter den Kulissen“ eingestielt worden, die Öffentlichkeitsbeteiligung unzureichend gewesen. „Andere Meinungen beziehungsweise Lösungen wurden weder geprüft noch berücksichtigt“, so Nowak wohl auch mit Blick auf den Netzwerk-Vorstoß für einen Mega-Solarpark anstelle des Flugbetriebs.

Waldemar Nowak vom Netzwerk „Mülheimer Bürger gegen Fluglärm“

„Die Umweltbelastung sowie die schlechte Finanzlage der Stadt Mülheim verlieren die Fraktionen komplett aus den Augen.“

Waldemar Nowak

Der Sprecher des Netzwerkes, dessen Mitgliederzahl seit Jahren unklar ist, kritisiert zudem, dass die politischen Mehrheiten der Betreiberstädte die Ausstiegsbeschlüsse von einst einkassieren (wollen), ohne überhaupt ansatzweise aufzuzeigen, welche finanziellen Auswirkungen damit verbunden sind. „Wirtschaftlich fehlen sowohl alle belastbaren Angaben über den Investitionsumfang als auch alle Angaben über die Bezahlung der Investitionen aus den Einnahmen des geplanten Flugbetriebes“, so Nowak. Er selbst rechnet mit mindestens 30 Millionen Euro Investitionskosten. Die Fraktionen von CDU und Grünen gingen so „eine uneinlösbare Wette auf die Zukunft ein und erzeugen ein Subventionsgrab ohne jegliche Begrenzung.“

Netzwerk-Sprecher: Geplante Betriebseinschränkungen reichen nicht aus

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Nowak befürchtet „Verlagerungen von Flugbewegungen vom Flughafen Düsseldorf nach Essen-Mülheim“, die von CDU und Grünen durchgesetzten Betriebseinschränkungen sind für ihn „juristisch mit der derzeitigen Betriebsgenehmigung nicht realisierbar, sodass definitiv mit einer deutlichen Steigerung von Flugbewegungen und mit mehr Lärm zu rechnen ist“.

Die Vergangenheit habe gezeigt, dass sich die Flughafengesellschaft mehrfach nicht an die Deckelung von Flugbewegungen gehalten habe. „Zur Reduzierung des Fluglärms fällt beiden Parteien nicht Besseres ein, als höhere Landeentgelte für laute Luftfahrzeuge zu fordern“, beklagt Nowak. „Auf die vor den letzten Kommunalwahlen von beiden Parteien angekündigten Lärmminderungsmaßnahmen warten wir noch heute.“

Flughafen-Beschlüsse laut Netzwerk auch ökologisch „eine Katastrophe“

Der Mülheimer Stadtteil Raadt grenzt direkt an den Flughafen an. Auch Essen-Haarzopf ist nicht weit entfernt.
Der Mülheimer Stadtteil Raadt grenzt direkt an den Flughafen an. Auch Essen-Haarzopf ist nicht weit entfernt. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey www.luftbild-blossey.de

Auch in ökologischer Hinsicht sei der Beschluss „eine Katastrophe“. Mit dem Flughafenausbau und der Entwicklung eines 12,2 Hektar großen Gewerbegebietes an der Brunshofstraße werde das Gelände „weiter zubetoniert“. Gar kritisiert Nowak in diesem Zusammenhang die Überlegung, einen kleinen Teil im Nordwesten des Areals mit Photovoltaik zu bestücken, obwohl das Netzwerk selbst einen weitaus größer dimensionierten Solarpark als Flughafen-Ersatz gefordert hat.

Hendrik Dönnebrink, als oberster Beteiligungsmanager der Stadt Mülheim auch für den Flughafen verantwortlich, übte am Freitag auf Anfrage scharfe Kritik an den aktuellen Äußerungen Nowaks. Seit er im Jahr 2006 seinen Dienst bei der Beteiligungsholding angetreten ist, sei er immer wieder mit der Verbreitung von Unwahrheiten durch Flughafen-Gegner konfrontiert. Das gelte sowohl hinsichtlich der Option für Flugzeuge mit einem Startgewicht von bis zu 25 Tonnen als auch hinsichtlich des Fliegens mit kleiner Düse, mehr dazu lesen Sie hier.

Mülheims Beteiligungsmanager: Investitionsbedarf bei Weitem geringer

Der Flughafenbetrieb in Essen-Mülheim soll nun doch über das Jahr 2034 möglich sein.
Der Flughafenbetrieb in Essen-Mülheim soll nun doch über das Jahr 2034 möglich sein. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auch Nowaks Prognose zum Investitionsbedarf wies Dönnebrink entschieden zurück. In den Gremien zur Vorbereitung der Flughafen-Entscheidung hätten seine Holding und die Flughafengesellschaft ein Investitionsvolumen von zwölf Millionen Euro vorgestellt. Basis hierfür seien die Ertüchtigung der Infrastruktur und der Neubau von zwei Hangars. Man gehe davon aus, dass die Investitionen zu 50 Prozent gefördert würden. So bleibe ein Netto-Investitionsbedarf von sechs Millionen Euro.

Nowaks Kritik am bisherigen Verfahren mag Dönnebrink auch nicht nachvollziehen. Von Intransparenz könne keine Rede sein, verwies er auf die 255 Seiten umfassenden Veröffentlichungen samt Potenzialanalyse und Verkehrsgutachten im Vorfeld der politischen Entscheidung im Stadtrat. Etwa seien in der publizierten Potenzialanalyse die Flugbewegungen analysiert, „sodass auch den Flughafen-Gegnern klar sein müsste, dass die Thematik der 25 Tonnen irrelevant ist“.

Bau- und Planungsdezernent Felix Blasch äußerte sich zum weiteren Verfahren. Wenn der Ratsbeschluss in Essen stehe, werde man in Abstimmung mit der Nachbarstadt „die weitere Schrittfolge beziehungsweise Terminkette festlegen“. Geplant seien mindestens noch eine dritte Zusammenkunft des interfraktionellen Arbeitskreises beider Städte sowie eine Öffentlichkeitsbeteiligung zur Planung des Gewerbegebietes.

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