Mülheim. Die preisgekrönte Grundschule am Dichterviertel hat zig Ideen, wie der Schulalltag für alle Beteiligten besser wird. Ministerin war beeindruckt.
Am Dienstag stand im Kalender von NRW-Schulministerin Dorothee Feller auch ein Termin im schönen Mülheim. Sie wollte sich die Grundschule am Dichterviertel, diese preisgekrönte Bildungseinrichtung, endlich einmal näher anschauen. Feller reihte sich damit kurz vor den Sommerferien ein in eine lange Reihe von Menschen, die der Vorzeige-Bildungsstätte im laufenden Schuljahr einen Besuch abgestattet haben. Rund 600 Lehrkräfte und Schulleitungen, Studenten und Dezernenten und viele andere haben sich aufgemacht, um Schulleiterin Nicola Küppers und ihrem Team über die Schulter zu schauen und eine Ahnung davon zu bekommen, warum der Deutsche Schulpreis 2023 nach Eppinghofen gegangen ist.
Beim Rundgang durch die Schule - begleitet von Oberbürgermeister Marc Buchholz, Stadtdirektor David Lüngen und anderen - ist Feller von vielen Facetten beeindruckt. „Es ist nicht alles einzigartig, was hier geschieht, doch man kann von Mülheim viel lernen“, sagt sie im Anschluss. Treppauf, treppab geht es mit Schulchefin Nicola Küppers und Stellvertreterin Jana Groß in verschiedene Klassenräume, in die OGS, in die Nähwerkstatt. Einige Viertklässler, die aktuell ihre letzten Tage an der Schule genießen, servieren den Gästen unterdessen freundlich eine Tasse Kaffee oder ein Glas Wasser.
Mülheimerin Schulchefin: „Wir heißen jeden herzlich willkommen, und zwar so, wie er ist“
Kinder und Eltern werden hier eingebunden, das ist eine der zentralen Botschaften, die Ministerin Feller mitnimmt. Und auch diese: Niemand bleibt zurück. „Wir heißen jeden herzlich willkommen, und zwar so, wie er ist, und ohne Erwartungen“, sagt Küppers. Man müsse aufhören, Menschen zu bewerten. Es sei durchaus auch eine Leistung, wenn Mütter aus ganz anderen Kulturen ihre Scheu überwinden und den Schritt in die Schule wagen, „und sei es auch erstmal nur für zehn Minuten“. Man stehe ohnehin in engem Kontakt mit den Eltern, „wir fragen nicht nur beim Elternsprechtag nach, wenn uns auffällt, dass ein Kind nicht lernen kann“.
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Dass für die rund 250 Kinder - egal, welchen Hintergrund sie haben - alles getan wird, damit sie ankommen können, sich wohlfühlen und dann ins Lernen finden, zeigt sich beim Rundgang verschiedentlich. So zum Beispiel auf den Fluren, wo Mädchen und Jungen in Kleingruppen miteinander auf Teppichen oder Fensterbänken sitzen und gemeinsam Rechen- und Schreibübungen machen. Ganz nach ihrem Tempo und raus aus dem oft zu engen Klassengefüge. Abgelenkt schaut hier niemand aus, die Kleinen helfen sich gegenseitig, hören sich zu. „Es ist wichtig, dass sie in Austausch kommen“, finden die Lehrkräfte.
Die Lern-Karte für junge Leseprofis liest sich schon fast so wie eine für Gymnasiasten
Auch in den Klassenzimmern, in denen Kinder von Jahrgang 1 bis 4 zusammen lernen, erfährt die Besuchergruppe, was diese Grundschule auszeichnet. Küppers greift das Thema Leseförderung auf, zieht Karten mit Aufgabentexten aus einer Box. Für jeden Leistungsstand gibt es Herausforderungen: Die Karte für die Leseanfänger sieht vor, dass Knetfiguren zum Text entstehen. Die Karte für Leseprofis liest sich fast schon wie eine für Gymnasiasten: „Überfliege den Text und finde Abschnitte, die Auskunft über den Charakter der Hauptfigur geben.“
Wenn Kindern das Lernen schwerfällt, gibt es dafür immer einen Grund, sagt Küppers. Und so sei schon der erste Schritt am Morgen enorm wichtig: „Man darf bei uns in Ruhe ankommen, die Schildkröte besuchen oder noch eine Runde auf den Spielteppich gehen. Und notfalls einen Seelentröster-Tee trinken, wenn es einem nicht gut geht.“ Da nerve dann auch keiner und frage doof: Was hast du denn? „Jeder soll sich gesehen fühlen - erst dann kann das Lernen andocken.“
„Und dann habe ich den Pokal für die beste Lernentwicklung bekommen“, freut sich der Viertklässler
Die Ministerin lernt die enge Verzahnung von Unterricht und OGS kennen, begegnet Kindern, die in der Betreuung gerade einen Stopp-Motion-Film drehen. Darunter auch Sumaila aus der Bärenklasse, der erzählt, dass die Schule sein Leben verändert hat: „Früher hatte ich viel Streit und musste oft bei Frau Küppers im Büro sitzen. Ich hatte keine Freunde. Aber ab der Dritten, da habe ich mich verbessert. Und dann habe ich den Pokal für die beste Lernentwicklung bekommen.“
Dass man den Schülern mit Wertschätzung begegnet, eher auf Stärken, denn auf Schwächen schaut, gefällt Feller. „Das Klima ist wohlwollend. Man leistet viel individuelle Förderung, führt aber auch regelmäßig Lernstandserhebungen durch, ist als Kollegium ein Team.“ Vorbildhaft sei die Schulen auch in der Demokratieförderung und im Umgang mit Krisen, lobt sie.
Küppers hat zuvor die kleinen Krisenkarten gezeigt, die in jedem Zimmer hängen. „Es gibt jeden Tag Krisen, und wir wachsen daran.“ Damit der Stress aus einer Überforderung nicht bei den Kindern abgeladen wird, hat man sich an der Bruchstraße etwas ausgedacht: In einer solchen Situation zieht die Lehrkraft eine Krisenkarte und sofort laufen Kinder in eine Nachbarklasse und zur Verwaltung: „Dann sind innerhalb von 30 Sekunden zwei Kollegen da, die helfen können.“ Feller berichtet von anderen Schulen, an denen so etwas via WhatsApp gemacht wird. Und hofft, „dass wir diese Ideen auch anderswo im Land umsetzen können“.
Der Schule aus Mülheims Dichterviertel müsse man eigentlich „den roten Teppich ausrollen“
Zur Entourage der Ministerin gehörte an diesem Tag auch Brita Russack, Leiterin des Mülheimer Bildungsbüros. Sie kennt die hiesige Schullandschaft so gut wie sonst kaum jemand. Und weiß: „Es gibt immer mehr Kinder mit Förderbedarf.“ Der Schule am Dichterviertel müsse man eigentlich „den roten Teppich ausrollen“, denn hier leiste man inklusive Bildung „in Bestform“. Laut Russack ist die Gesellschaft „auf Schulleitungen, die diesen Elan aufbringen“, angewiesen. „Sie verdienen auf jede Art und Weise unsere Unterstützung.“ Nicola Küppers steht kurz darauf fröhlich vor den Kindern ihrer Schule, die gerade für den hohen Besuch getanzt haben, und ruft: „Hier geht‘s um euch! Ihr seid die größten Schätze, die wir haben.“
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