Herne. Die Ansiedlung von zwei innovativen Unternehmen aus der Mobilitätsbranche war ein großer Erfolg für Herne. Doch sind die Firmen wieder weg.
„Verfügbar 1.1. 2025 - Hochwertige Büro- und Hallenflächen“. So ist ein aktuelles Immobilienangebot der Maklergesellschaft Engel & Völkers überschrieben. Das 2019 kernsanierte Objekt mit einer Gesamtfläche von 3155 Quadratmetern verfüge über LED-Beleuchtung und ein Hochregallager. Teile des Inventars könnten übernommen werden. Die Fotos des Angebots machen stutzig. Sie zeigen den elektrischen Kleinlieferwagen Tropos, der seit dem Frühjahr 2020 in Herne gefertigt wurde. Doch dieser Ansiedlungserfolg - genauso wie ein weiterer - sind schon wieder Geschichte.
Erschwerter Produktionsstart mitten in der Corona-Pandemie
„Wir holen die Autoproduktion ins Ruhrgebiet zurück“, hatte seinerzeit Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda gesagt. Für die Ansiedlung von Tropos - ein Tochterunternehmen der Mosolf-Gruppe aus Baden Württemberg - auf dem ehemaligen Heitkamp-Gelände Wanne-Süd hatte der Eigentümer die Halle in Rekordzeit saniert und für die Produktion aufpoliert. Der Start wurde allerdings durch die Hochphase der Corona-Pandemie stark gebremst, ob die Produktion jemals richtig in Fahrt kam, lässt sich heute nicht mehr sagen. 2022 ging Tropos eine strategische Partnerschaft mit der Cenntro Electric Group ein, ein US-amerikanischer Entwickler und Hersteller von leichten und mittelschweren elektrischen Nutzfahrzeugen.
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Damals hieß es auf Anfrage der Herner WAZ-Redaktion, dass der Standort in Wanne-Süd durch diese Partnerschaft sogar gestärkt werde, da geprüft werde, ob auch andere Produkte an der Landgrafenstraße gefertigt werden können. Des Rätsels Lösung: Antric, ein Bochumer Start-up für elektrische Lastenräder, verlagerte 2023 seine Produktion nach Wanne-Süd, Cenntro hatte zu diesem Zeitpunkt 25 Prozent Firmenanteile übernommen. Der optimistische Plan: Mehrere tausend Räder sollten in den nächsten Jahren gebaut werden. Und noch im März vergangenen Jahres sprach der damalige Geschäftsführer Gregory Hancke von einem weltweit sehr großen Potenzial, weil viele Märkte noch gar nicht erschlossen seien, etwa Flughäfen, Universitäten oder Bahnhöfe.
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Sollte es tatsächlich so kommen, werden diese Märkte jedenfalls nicht von Herne aus erschlossen. Antric hat Herne bereits weitgehend verlassen, die ersten Hallen seien komplett leergeräumt, so ein Mitarbeiter. Die Produktion soll nach Korschenbroich verlagert werden, Entwicklung und Vertrieb gingen zurück nach Bochum-Gerthe, wo Antric gestartet war.
Auch Cenntro hat Herne verlassen, neben dem Schriftzug auf dem Gebäude sind noch ein paar Fahrzeuge auf dem Parkplatz zu sehen, die neben Beschädigungen deutliche Verwitterungserscheinungen aufweisen. Die Entscheidung, die Produktion einzustellen, ist offenbar vom amerikanischen Mutterkonzern gefällt worden. Und nach nur rund fünf Jahren ist Herne keine Autostadt mehr.
Stadt bedauert den Wegzug von zwei „innovativen Unternehmen“
Im Herner Rathaus und bei der Wirtschaftsförderung hat man im Frühherbst von diesen Entscheidungen erfahren. Man habe noch nach alternativen Standorten für die Antric-Produktion gesucht, so Wirtschaftsförderer Dirk Drenk im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Doch die verfügbaren Flächen hätten nicht gepasst. Nun helfe man mit, um möglichst schnell Nachfolgelösungen für die Hallen in Wanne-Süd zu finden.
Oberbürgermeister Frank Dudda bedauert die Entscheidungen. Cenntro und Antric seien innovative Unternehmen und hätten bestens zur Mobilitätsstrategie der Stadt gepasst. Beide Unternehmen hätten keine Unzufriedenheit über den Standort geäußert, gerade Antric sei in verschiedene Ereignisse einbezogen worden, etwa beim Besuch von NRW-Umweltminister Oliver Krischer auf Blumenthal. Die emissionslose Mobilität soll bei der verkehrlichen Entwicklung der Brache eine zentrale Rolle spielen.
Nach den Worten des inzwischen früheren Antric-Geschäftsführers Gregory Hancke sei Herne als Standort durchaus geeignet gewesen, für den Wegzug seien andere Faktoren ausschlaggebend gewesen. So habe es weder für Tropos noch für Antric Fördermittel gegeben. Zwar seien beide Firmen eigentlich Start-ups, doch da Cenntro Anteile an ihnen hält, seien sie als Teil eines Konzerns betrachtet worden und von Fördermitteln ausgeschlossen worden. Das habe Auswirkungen auf die Kostenstruktur gehabt.